Für einen Moment musste Michael Zetterer lachen. Beim Heimsieg gegen Rostock hatte Werders Torhüter einen Ball so weit in die andere Hälfte geschlagen, dass er sich bedrohlich dem gegnerischen Tor näherte. Die Zuschauer im Weserstadion sprangen schon von den Sitzen. Doch dann ging der Ball doch nicht rein. Die Fans klatschten trotzdem – und Zetterer lachte kurz.
Das wäre auch zu schön gewesen, wenn er in seinen ersten Spielen für Werder auch noch ein Tor geschossen hätte. Gerade jetzt, wo er sich ein Duell liefert mit Werders langjährigem Torwart Jiri Pavlenka, der wegen Rückenproblemen alle bisherigen Saisonspiele verpasste. Beide Torhüter sind nun fit, weshalb Trainer Markus Anfang vor dem Spiel am Sonnabend in Ingolstadt eine Entscheidung treffen muss: Wer wird Werders Stammtorhüter in der zweiten Liga?

Die Werder-Kolumne des WESER-KURIER.
Für Zetterer spricht: Er ist der bessere Fußballer und spielt sauber mit. Viele seiner Partien waren in Ordnung, er sicherte Werder durch gute Paraden auch schon Punkte, auch wenn er in anderen Spielen – wie bei der 1:4-Niederlage gegen Paderborn – unglücklich agierte. Das dürfte auch daran liegen, dass er viele Jahre wegen einer Handverletzung nicht durchspielen konnte. Die Konstanz in seinem Torwartspiel muss er sich erst erarbeiten.
Für Pavlenka spricht: Er hat sich mit guten Paraden ins Herz vieler Fans gespielt, die ihn als Krake feiern. Den Abstieg konnte er zwar nicht verhindern, er hat ihn aber auch nicht durch haarsträubende Aktionen verschuldet. Viele Fans sind aber genervt, dass Pavlenka jeden zweiten Ball hilflos auf die Tribüne schießt – was ein Grund dafür ist, dass er keinen neuen Verein gefunden hat. Die zweite Liga war in seinem Karriereplan nicht vorgesehen, denn er ist ein festes Mitglied des tschechischen Nationalmannschaftskaders.
Rein sportlich gesehen hat Anfang recht, wenn er betont, er könne bei der Entscheidung nichts falsch machen, weil beide ein gutes Niveau haben. Andere in dieser Liga wären froh, wenn sie die Wahl zwischen einem Pavlenka und einem Zetterer hätten. Anfang muss nun auch abwägen, wie oft seine Mannschaft so unter Beschuss geraten wird, dass sie einen Pavlenka braucht. Und wie wichtig ein mitspielender Torhüter ist, wenn es das Ziel von Werder sein soll, sich in der gegnerischen Hälfte festzusetzen. Zur Wahrheit gehört auch: Wenn Zetterer trotz seines guten Saisonstarts wieder aus dem Tor muss, wäre er moralisch wie sportlich der große Verlierer; erwischt es Pavlenka, wird der Tscheche seinen am Saisonende auslaufenden Vertrag kaum verlängern.
Und so hat dieses Torhüterduell auch eine wirtschaftliche Seite, gerade jetzt, wo Werder finanziell ins Minus gerutscht ist. Zetterer, vor der Saison 26 Jahre alt geworden, kann man eine Entwicklung zutrauen, die seinen Marktwert steigert. Obendrein ist er ein unverbrauchtes Gesicht. Bei Pavlenka, 29 Jahre alt, kann man von einem Marktwert nicht sprechen, denn seit drei Jahren gibt es für ihn schlichtweg keinen Markt. Liebend gern hätte Werder ihn verkauft, aber keiner griff zu. Die Idee, seinen Vertrag zu verlängern, um ihn in Zukunft noch verkaufen zu können, wurde nach Gesprächen mit dessen Berater vertagt. Ein Knackpunkt ist eine Klausel, mit der Pavlenka aus dem neuen Vertrag wieder aussteigen möchte, wenn Werder den Wiederaufstieg verpasst. Sieht so Identifikation mit dem Verein aus? Natürlich nicht. Im Sommer 2017 zahlte Werder drei Millionen Euro Ablöse an Slavia Prag, seither stand Pavlenka in 135 Bundesligaspielen im Bremer Tor. Meistens hielt er dabei gut.
Auch Zetterers Vertrag läuft aus. Er würde ohne eine solche Klausel bei Werder verlängern, für ihn erfüllte sich gerade der Traum, endlich für diesen Verein spielen zu dürfen. Der Münchner ist schon seit 2015 bei Werder, sein Ex-Klub Unterhaching bekam 100.000 Euro für ihn.
Wie auch immer Anfang entscheidet – um die Zukunft muss sich Werder auf der Torhüterposition nicht sorgen. Der jetzige U23-Torhüter Louis Lord könnte noch bei den A-Junioren spielen, hält aber schon in der Regionalliga. Dahinter reift mit dem 17-jährigen Mio Backhaus eines der größten Torhütertalente des deutschen Fußballs heran. Wird der U18-Nationaltorhüter nicht weggekauft, könnte Werder mit ihm eine ganz neue Ära beginnen. Und Luca Plogmann (21) gibt es ja auch noch.