Als treuer Abonnent des WESER-KURIER bekam Frank Baumann die frohe Botschaft in der vergangenen Saison zum Frühstück serviert. Als der Manager des SV Werder morgens in die Zeitung schaute, lachte ihn Karl-Heinz Rummenigge an. In dem Interview auf der ersten Sportseite schwärmte Bayerns damaliger Vorstandschef von der „gelebten und starken Fankultur“ bei Werder Bremen, einem Verein, der „eine Marke im deutschen Fußball“ sei. Weiter unten im Text machte Rummenigge ein Versprechen: Weil er den Spielstil von Florian Kohfeldt sehr schätze und die Klubführung sowie das Umfeld bei Werder dafür sorgten, dass sich junge Spieler wie Marco Friedl hier sehr gut entwickeln können, stellte er in Aussicht, „dass wir auch in Zukunft das eine oder andere Talent mal wieder an Bremen verleihen werden“.

Grün auf weiß
Inzwischen hat sich einiges verändert. Werder ist kein Erstligist mehr. Kohfeldt ist längst weg. Und Rummenigge ist seit dieser Woche nicht mehr Vorstandschef des FC Bayern, er übergab die Verantwortung an Oliver Kahn. Dennoch wurde das Versprechen aus dem damaligen WESER-KURIER-Interview in der vergangenen Woche eingelöst: Der FC Bayern hat sein Abwehrtalent Lars Lukas Mai (21) an Werder verliehen. Das ist nicht irgendeine Personalie, sondern hat einen besonderen Wert: Mai gewann gerade mit der deutschen U21-Nationalmannschaft den EM-Titel, für ihn hätte es auch in der Bundesliga interessante Optionen gegeben. Vergangene Saison hatten ihn die Bayern schon einmal in die 2. Liga verliehen, an den SV Darmstadt. Jetzt sieht Bayern-Vorstand Hasan Salihamidzic den SV Werder „als logischen nächsten Schritt für die Entwicklung des Spielers“.
Der Abstieg hat dem Ansehen noch nicht geschadet
Trotz des Abstiegs genießt Werder in der Branche also noch einen guten Ruf. Das liegt allerdings in keinster Weise an der jetzigen Mannschaft, die zum Großteil noch aus den Absteigern der vergangenen Saison besteht. Werders guter Ruf beruht auf der Vergangenheit. Dieser Verein stand sehr lange für besonnenes Handeln, für ein ruhiges Umfeld und für sehenswerten Offensivfußball. Je weiter man sich heute von der Stadt Bremen entfernt, desto mehr dieser Wertschätzung ist noch spürbar. Das sieht man auch daran, dass der neue Trainer Markus Anfang in diesem Sommer sehr gerne den Ligakonkurrenten Darmstadt verließ, weil auch er bei Werder Bremen für sich die bessere Perspektive sieht.
Noch lässt sich nicht sagen, ob Werder in der Zweitligatabelle tatsächlich vor Darmstadt landen wird. Aber der Abstieg allein hat dem Ansehen und der Marke SV Werder noch nicht so geschadet, wie es jede weitere Saison in der 2. Liga zwangsläufig tun würde. Genau das macht der Hamburger SV seit drei Jahren vor. Auch Ligakonkurrenten wie der 1. FC Nürnberg oder Hannover 96 schrumpfen mit jedem Jahr in der Zweitklassigkeit. Wer den Wiederaufstieg verpasst, muss in jeder weiteren Saison so starke finanzielle Einbußen verkraften, dass der Vereinsname nur noch eine Erinnerung an schönere Zeiten ist – aber kein Symbol mehr für besondere Qualität.
Die vielen Experten in der Werder-Familie, frühere Spieler oder Funktionsträger, machen sich genau deshalb so große Sorgen um ihren Verein. Der Abstieg allein ist nicht die große Gefahr, einen Klub wie Werder Bremen kann es im heutigen Profifußball immer erwischen. In den vergangenen Jahren balancierten die Grün-Weißen häufig am Abgrund und konnten sich oft erst in letzter Minute retten. Die Gefahr beginnt jetzt: Wer die Herausforderungen der 2. Liga falsch einschätzt und seine Qualitäten überschätzt, der kann in nur einem Jahr nun sehr viel von dem zerstören, was über Jahre und Jahrzehnte aufgebaut wurde. Die jetzige Vereinsführung steht durch ihre vielen Fehler im Verdacht, Realitäten nicht richtig einschätzen zu können. Diesen zweifelhaften Ruf können die Macher um Sportchef Frank Baumann nur selbst reparieren.
Transfers wie der von Mai weisen in die richtige Richtung. Die Ligakonkurrenten staunen etwas neidisch, potenzielle weitere Neuzugänge werden angelockt und die eigenen Fans freuen sich. Aber natürlich wollen die Bayern nun auch sehen, dass Werder wirklich noch eine gute Adresse für ihre jungen Spieler ist.