Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Werder-Kolumne Messi an den Osterdeich

Die Suche nach einem neuen Manager nimmt bei Werder kuriose Formen an. Bei Namen von Top-Managern wie Simon Rolfes und Markus Krösche könnten sich die Fans am Ende veralbert fühlen, meint Jean-Julien Beer.
20.11.2023, 18:01 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Messi an den Osterdeich
Von Jean-Julien Beer

Ein bisschen ist Frank Baumann selbst schuld, dass in Bremen schon seit Jahren über seine Nachfolge spekuliert wird. Es war auf der Burg Falkenberg in seiner fränkischen Heimat, als Werders Sportchef im Herbst des Jahres 2019 für Schlagzeilen sorgte. Der gemütliche Abend auf der Burg bot den Besuchern einen Fußball-Talk, Baumann war als Kind der Region der Stargast. Weit weg vom Bremer Osterdeich sagte Baumann dabei einen Satz, der sich über Nacht wie ein Lauffeuer verbreitete: Spätestens mit 50 werde er bei Werder aufhören.

Beabsichtigt hatte er die Schlagzeilen damals offenbar nicht. Denn als Bremer Reporter ihn am nächsten Vormittag hektisch anriefen, um über den Satz von der Burg zu reden, reagierte Baumann irritiert. „Was soll ich denn groß gesagt haben?“, fragte er ins Telefon.

Seit jenem Abend auf der Burg ging es bei Werder weniger um die Frage, wer Baumann nachfolgt. Offen war viel mehr, wann genau es passieren würde. Denn den Nachfolger zog Werders Sportchef quasi selbst groß, indem er Clemens Fritz förderte und beförderte. Er gab immer mehr Verantwortung an den sechs Jahre jüngeren Fritz ab – auch wenn Baumann oft betonte, dass es letztlich in der Verantwortung des Aufsichtsrates liege, über seine Nachfolge zu entscheiden. Bei der Mitgliederversammlung platzierte Baumann jetzt noch einmal den Hinweis, Fritz sei als Nachfolger „die naheliegendste Lösung“.

In Werders Vereinsführung sehen das auch andere so. Zur Geschäftsführung hat sich Fritz in all den Jahren ein vertrauensvolles Verhältnis aufgebaut, was ja auch der Sinn davon sein sollte, wenn jemand gezielt über Jahre hinweg für eine Führungsposition aufgebaut wird.

Lesen Sie auch

Doch aus dem Kreis des Aufsichtsrates sickern seit Wochen illustre Namen und Informationen nach draußen, die alle eines gemeinsam haben: Sie wecken Erwartungen, die inzwischen die Dimensionen eines grün-weißen Luftschlosses erreichen. Da ist von Longlists und Shortlists zu hören, auf denen die Namen der tollsten Kandidaten stehen. Zuletzt drangen – warum auch immer – zwei neue Namen durch: Simon Rolfes und Markus Krösche.

„Zwei Top-Manager!“, jubelten die Boulevardmedien. Zurecht. Denn Rolfes ist Nachfolger von Rudi Völler als Sport-Geschäftsführer von Bayer Leverkusen. Er ist Spitzenreiter der Bundesliga, könnte sensationell Meister werden und spielt mit Bayer international. Krösche ist Sportvorstand von Eintracht Frankfurt, gewann 2022 sensationell die Europa League und ist auch jetzt mit der Eintracht international unterwegs. Dass beide früher auch mal mit Werder zu tun hatten, ist nur eine Randnotiz in ihren Karrieren.

Lesen Sie auch

Manche Werder-Fans träumen nun schon von großen Zeiten. Und genau das ist die Gefahr: Es wird, ohne Not, eine gewaltige Fallhöhe aufgebaut. Neutrale Beobachter fassen sich eher an den Kopf. Denn um es mal vorsichtig auszudrücken: Bei aller Folklore ist Werder Bremen derzeit nicht die attraktivste Adresse im Profifußball. Warum sollte sich ein Top-Manager zu einem potenziellen Abstiegskandidaten verändern, der Verluste macht und nicht investieren kann?

Wenn noch mehr solcher Namen durchs Dorf getrieben werden, kann am Ende nur Enttäuschung übrigbleiben, wenn es der wahrscheinlichste Kandidat wird, nämlich Clemens Fritz.

Rund um Werder – und auch im Verein selbst – wird viel über das inszeniert wirkende Auswahlverfahren des Aufsichtsrates getuschelt. Der Rat selbst sieht sich pflichtbewusst in der Verantwortung, bestmöglich zu sondieren. Kritik daran wird nicht gerne gesehen oder nicht verstanden. Doch die Frage muss erlaubt sein: Wer hat es bei Werder neuerdings nötig, sich mit Namen von Top-Managern zu schmücken?

Das ist so, als wenn die Frauen-Abteilung über Nationalstürmerin Alexandra Popp nachdenken würde – die blöderweise kein Interesse an einem Wechsel an die Weser hat. Auf einer Trainer-Longlist zum Beispiel würde sich auch ein Name wie Jürgen Klopp gut machen. Leider hatte der Papst noch nie Zeit, bei Werder einen neuen Jugendbus einzuweihen. Apropos Papst: Warum nicht gleich Messi? Das wäre doch mal eine Schlagzeile: Messi an den Osterdeich! Auch das wäre größtmögliches Sondieren.

Aber mal im Ernst: Weniger ist oft mehr, damit ist Werder lange gut gefahren. Wenn die klugen Köpfe im Aufsichtsrat wirklich eine Knallerlösung präsentieren wollten, müssten sie das im ganz stillen Kämmerlein vorbereiten. Sonst wird das nämlich nichts. Noch schwerer dürfte es aber werden, später glaubhaft zu vermitteln, dass trotz der großen Namen im grün-weißen Luftschloss einer einfach unschlagbar war: der hauseigene Clemens Fritz. Viele Fans kämen sich dann veralbert vor.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)