Auf den ersten Blick wirkt es bedrohlich, dass der wirtschaftlich angeschlagene SV Werder sein Geschäftsjahr mit einem Minus von 3,8 Millionen Euro abgeschlossen hat – und das nicht etwa in der zweiten Liga, sondern nach der Rückkehr in die finanzstärkere Bundesliga. Die gute Nachricht: Werder kann dieses Minus verkraften, weil für das nächste Geschäftsjahr bereits ein Gewinn in geringer Millionenhöhe abzusehen ist. Die schlechte Nachricht: Ohne den Verkauf der besten Spieler werden die Bremer in naher Zukunft nicht auskommen.
Weil Werder im Geschäftsjahr 2021/22 noch einen Gewinn von 6,3 Millionen Euro feierte, wirkt der jetzige Millionenverlust wie eine Delle zwischen zwei guten Jahren. Doch bei näherer Betrachtung wird klar: Der Gewinn vor einem Jahr war nur möglich, weil Werder nach dem Abstieg in höchster Not Spieler für 28 Millionen Euro verkaufte. Auf solche Einnahmen verzichtete der Verein nach dem Wiederaufstieg bewusst, um seine besten Profis zu halten und den Kader für die Bundesliga zu verstärken.
Das war ein nachvollziehbares Risiko. Nach dem Aufstieg ging es um die Abwägung, was wichtiger ist: Die wirtschaftliche Konsolidierung oder eine sportlich schlagkräftige Mannschaft, die realistische Chancen auf den Verbleib in der Bundesliga hat. Beides sind Ziele des SV Werder. Sie konkurrieren aber miteinander. Die Einsicht, nach dem Aufstieg eine stärkere Mannschaft zu benötigen, zahlte sich durch den Klassenerhalt aus. Es kostete aber eine Menge Geld, auch für die Gehälter der Spieler. Die Kosten fürs Personal erhöhten sich von 43,8 auf 57,2 Millionen Euro – ein erheblicher Anstieg, der ebenfalls zum Minus beitrug.
Dazu muss man wissen: Werders Geschäftsjahr endet stets am 30. Juni, weshalb der erst im August erfolgte Verkauf von Niclas Füllkrug für 15 Millionen Euro nach Dortmund noch nicht in diese Bilanz eingeflossen ist. Die Füllkrug-Millionen werden neben den Ablösen für Ilia Gruev (6,5 Millionen) und Niklas Schmidt (2,5 Millionen) erst die nächste Bilanz aufhübschen, was wegen der hohen Ausgaben aber nur zu einem überschaubaren Gewinn führen wird.
Spieler besser machen, um sie dann zu verkaufen: Zu diesem Geschäftsmodell ist Werder jetzt gezwungen. Die Einbindung eines Investors wäre die Grundvoraussetzung dafür, irgendwann auch wieder wachsen zu können. Denn mit dem jetzigen Modell gehen jedes Jahr die besten Spieler verloren.
Hinzu kommt: Auf der Kostenseite drücken auch in Zukunft nicht nur die Gehälter, sondern auch Zins und Tilgung für Bankenkredite und die Anleihe, durch deren Hilfe die existenziell bedrohliche Kombination aus Abstieg und Pandemie überhaupt erst überstanden wurde. Vom einst angestrebten Eigenkapital ist Werder heute weit entfernt.
Auf der Einnahmenseite hilft es, dass die Sponsoren wieder erstklassige Beträge zahlen. Doch bei der wichtigsten Einnahmequelle, dem Fernsehgeld, ist Werder weiterhin vom Abstieg gezeichnet. Zwar gab es zuletzt wieder 38,2 Millionen Euro durch Medienerlöse, also deutlich mehr als im Zweitligajahr, wo es nur 22,6 Millionen waren. Die Steigerung täuscht aber: Als Aufsteiger belegte Werder den vorletzten Platz im TV-Ranking der Bundesliga. Fast alle anderen Vereine bekamen mehr oder sogar viel mehr. Im Jahr vor dem Abstieg erhielt Werder fast 24 Millionen Euro mehr TV-Geld als heute – und schaffte selbst damit nicht den Klassenerhalt.
Wie groß der Abstand zu den Großen der Liga inzwischen ist, verdeutlichen die Zahlen von Bayern und Werder: Die Münchner vermeldeten einen Rekordumsatz von 854 Millionen Euro. Werder kommt auf 120 Millionen. Die Bremer bräuchten, vereinfacht gesagt, mehr als sieben Jahre für den Umsatz, den die Bayern in zwölf Monaten machen.
Aber es gibt auch gute Nachrichten: Im Jahr 2024 plant Werder sichtbare Veränderungen. Der gefährliche Gästeblock im Stadion wird im Sommer in den Unterrang verlegt. Zudem beginnt die Kernsanierung der Gebäude auf Platz 11, nachdem ein Neubau dort gescheitert ist. Überdachte Tribünen folgen. Die Modernisierung, von der die Werder-Frauen und das Nachwuchs-Leistungszentrum profitieren, nimmt also endlich Fahrt auf.