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Werder-Kolumne Warum internationale Gäste den Bremer Rasen bestaunten

Internationale Gäste im Weserstadion: Doch nicht der Fußball, sondern der Rasen stand im Fokus. Was hat es mit dem grünen Teppich auf sich, der Experten aus aller Welt anlockte?
29.04.2024, 17:27 Uhr
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Warum internationale Gäste den Bremer Rasen bestaunten
Von Jean-Julien Beer

Als Ole Werner in der vergangenen Woche durch die VIP-Räume des Weserstadions zu seinem Büro ging, hatte das den Flair von internationalem Fußball. Werders Trainer kam vorbei an vielen Italienern, Spaniern, Franzosen und Skandinaviern. Darunter waren zahlreiche Vertreter von Champions-League-Vereinen, von nationalen Verbänden und auch diverse Fachjournalisten. Die waren aber nicht angereist, um Werner für den Fall einer Bremer Europapokalteilnahme auszuspionieren, auch wenn der Trainer mal lieber ganz schnell die Tür zum Kabinentrakt hinter sich schloss.

Die internationale Gruppe war nach Bremen gekommen, um sich im Weserstadion und auf den umliegenden Trainingsplätzen die Qualität des Rasens anzuschauen. Organisiert wurde diese Fortbildung von Experten der schwedischen "Husqvarna Group", auf deren Geräte auch Werder vertraut. Der Standort Bremen ist wegen des Klimas sehr speziell: Der viele Regen, quasi das ganze Jahr über, dazu der raue Wind - wie sich das im Alltag mit den Belastungen des Profifußballs verträgt, ist eine Wissenschaft für sich. Entsprechend waren auch Vertreter der Hochschule Osnabrück dabei, wo es sogar ein Studienmodul zum Rasenpflegemanagement gibt.

Der normale Fan staunt, wie grün und akkurat der Rasen im Weserstadion vor den Spielen wirkt, auch wenn nur wenige Tage zuvor eher grobe Stollenkünstler wie Christian Groß oder Milos Veljkovic darauf zu Werke gingen. Was alles nötig ist, bekommen die Zuschauer nicht mit. Unter der Woche wirkt das Spielfeld eher wie eine Mischung aus Solarium und Freimarkt: Riesige Metallgefährte mit speziellen Lichtstrahlern rollen über den Rasen, zudem stehen an besonders ramponierten Stellen geschlossene Zelte, in denen junger Rasen zwischen den Spielen nachwachsen kann. Einen halben Zentimeter wächst so ein Halm binnen weniger Tage. Wobei die zarten Pflänzchen besonders gefährdet sind, wenn im Stadion wieder intensiver Fußball gespielt wird.

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Der Aufwand ist enorm. Und das ist in dieser Form nur möglich, weil Werder eben nicht international spielt. So gibt es weniger Heimspiele und mehr Zeit für die Pflege des Spielfelds. Direkt nach den Spielen wird der Rasen gereinigt, dabei werden herausgerissene Stücke entfernt. Danach dauert der Aufbau der Strahler und Zelte fast einen Tag. Das Team um Werders Head-Greenkeeper Tim Engelke leistet da einen zeitintensiven Job. Für ihre Tricks und Erfahrungen interessierten sich nun auch die internationalen Gäste.

Keine Roboter in Bremen

Eine der Kernfragen der Greenkeeper-Gilde wird bei Werder übrigens sehr pragmatisch beantwortet: Ob Roboter den Rasen besser mähen als Handrasenmäher, das will und wird man in Bremen in nächster Zeit nicht herausfinden. Denn dazu fehlt es zwischen den vier wuchtigen Tribünen an der nötigen GPS-Signal-Abdeckung, die ein Roboter bräuchte. Und auch die Sache mit der Bestrahlung hat noch eine Tücke: Wegen der Anwohner am Osterdeich darf diese Beleuchtung nachts nicht eingeschaltet bleiben, der Lichtsmog wäre zu heftig. Deshalb muss der Bremer Bundesligarasen zwischen 23 Uhr und 5 Uhr morgens ohne Licht klarkommen.

Wegen des vielen Regens schwört Tim Engelke auf den im Stadion und auf den Trainingsplätzen verlegten Hybridrasen, eine Mischung aus künstlichen Fasern und echtem Gras. Ein reiner Naturrasen würde den Sportbelastungen nicht so gut standhalten. Eine Bremer Besonderheit ist aber der Sand, der in den Rasen eingearbeitet ist. Es sind eben nicht die üblichen, mehrkantigen Quarzkörner, die es andernorts gibt. In Bremen nutzen sie Wesersand, das ist eine runde Körnung. Das Runde statt das Eckige: So wirkt das Spielfeld deutlich komfortabler.

Warum es keine Konzerte gibt

Doppelt interessant ist aber das, was unter der Erde stattfindet. Bis zu 18 Zentimeter ragen die künstlichen Halme in die Bodentiefe, nur zwei Zentimeter schauen heraus. Beim Naturrasen sind etwas mehr als zwei Zentimeter zu sehen. Die Bedenken, auf diesem Rasen keine Konzerte veranstalten zu können, teilt der erfahrene Greenkeeper Engelke. Das Problem seien weniger die vielen Tausend Besucher, sondern der tonnenschwere Bühnenaufbau. Bei diesem Gewicht könnten tief unten im Boden die Halme abknicken - damit wäre der Rasen beschädigt und stünde nicht mehr in der Qualität zur Verfügung, wie ihn Werders sportliche Leitung für die Heimspiele haben will.

Sollte sich Werder für den Europapokal qualifizieren, müssten die Intervalle der Rasenpflege neu organisiert werden. Eines wird sich aber nicht ändern: dass Teilnehmer einer Stadiontour den Rasen nicht betreten dürfen. Das liegt nicht an der Sorge vor kaputten Halmen. Es geht vielmehr darum, dass die Gäste keinen fremden Grassamen von den Wiesen des Osterdeichs einschleppen.

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