Letztlich war die Lösung einfach: Nach einer Woche, in der viel über Marvin Ducksch gesprochen wurde, hämmerte der Stürmer gegen Stuttgart den Ball zweimal ins Tor und ließ damit viele Diskussionen verstummen. Vorbei waren die neun Spiele in Folge, in denen Werders Torjäger kein Treffer gelungen war – sein letztes Tor hatte er im Februar beim Sieg in Mainz geschossen. Vorbei war Werders Durststrecke von sieben Bundesligaspielen ohne Sieg, die ernsthafte Zweifel an einem sorglosen Klassenerhalt aufkommen ließen. Und apropos Zweifel: Vorbei war auch das Hauptthema der vergangenen Tage, nachdem sich Ducksch beklagt hatte, dass sich die meisten Fans in Bremen doch sowieso freuen würden, wenn er den Verein wechselt.

Grün auf Weiß ist die Werder-Kolumne des WESER-KURIER, in der Chefreporter Jean-Julien Beer einen Blick hinter die Kulissen des Bremer Traditionsvereins wirft, Zusammenhänge erklärt und Entwicklungen einordnet.
Er hatte diese Erkenntnis den Kommentarspalten der sozialen Netzwerke entnommen, was bei Stürmern, die das Tor nicht treffen, grundsätzlich keine gute Informationsquelle ist. Nach dem Sieg gegen Stuttgart steht Ducksch nun bei elf Saisontoren – was vier Spieltage vor Saisonende ein respektabler Wert ist für den Stürmer einer Mannschaft, die in der unteren Tabellenhälfte rangiert. Das Problem: Ducksch wird oft anders bewertet als andere Angreifer. Das hat auch mit seiner Vergangenheit zu tun: Er galt immer als ordentlicher Zweitligastürmer, der es bei seinen vorherigen drei Versuchen in der Bundesliga nicht gepackt hat – weder in Dortmund, noch in Paderborn und Düsseldorf.
Auch nach dem Aufstieg mit Werder trauten ihm viele die Rolle als Stammspieler in der ersten Liga nicht zu, obwohl er Bremen im Gespann mit Niclas Füllkrug zurück in die Bundesliga geballert hatte: 20 Tore von Ducksch und 19 von Füllkrug ebneten den Weg in die Erstklassigkeit. Doch Ducksch geriet schon nach wenigen Spieltagen wieder unter Druck: In sieben Partien gelang ihm kein Tor, und als Füllkrug ihm im Heimspiel gegen Augsburg den Elfmeter schießen ließ, traf er nicht. Die Häme war ihm sicher, aber sie war unfair: Denn in den ersten Spielen nach dem Aufstieg war klar zu sehen, dass Ducksch der Mannschaft nach der grandiosen Aufstiegssaison auch auf diesem Niveau helfen würde. Und tatsächlich: Am Ende stand Ducksch bei zwölf Bundesligatoren, ein sehr guter Wert. Hinzu kamen acht Torvorlagen.
Limitierte technische Fähigkeiten
Doch das mit seinem Ruf blieb schwierig. Hieß es erst, er sei ein Zweitligastürmer, so hieß es wenig später, er sei halt nur ein Günstling von Markus Anfang. Der damalige Werder-Trainer wollte seinen früheren Zögling unbedingt haben und bekam ihn, Füllkrug musste dafür sogar zunächst auf die Bank. Als Ducksch beides widerlegt hatte, ging es in der Kritik oft um seine limitierten technischen Fähigkeiten: Seine Ballbehandlung ist oft unsauber, Pässe gehen ins Nichts, sein Kopfballspiel ist schwach. Das schien in der Betrachtung oft wichtiger als die Tore, die er trotzdem machte. Diese Treffer waren teilweise so spektakulär, dass Bundestrainer Julian Nagelsmann ihn für die Nationalmannschaft nominierte. Ducksch machte zwei Länderspiele – an Ansehen in Bremen gewann er dadurch aber nur kurz. Daran hatte er, da braucht er gar keine sozialen Netzwerke zu lesen, auch selbst schuld. Mit jeder nicht verwandelten Chance, wenn er denn überhaupt im Spiel eine bekam, wurde seine Laune mieser. Die negative Körpersprache gipfelte in sieben Gelben Karten wegen Meckerns oder Rudelbildung.
Ducksch nervte damit natürlich auch die Fans. In dieser Phase fehlten ihm die Tore, die er für ein gewisses Gleichgewicht braucht. Gegen Stuttgart war zu sehen, wie Ducksch Tore schießt – und wie nicht. Zweimal wurde er in der ersten Halbzeit mit einem Steckpass in die Tiefe geschickt, aber es ist halt nicht seine Stärke, sich dann gegen den letzten Abwehrspieler durchzusetzen. Wenn er trifft, dann meist mit dem ersten Kontakt: So war es beim 2:0 nach der Hereingabe durch Romano Schmid. Kein Dribbling, kein Zweikampf, nur der Abschluss und das Tor. Bei seinem Elfmetertreffer wurden Erinnerungen wach an das Heimspiel damals gegen Augsburg. Diesmal traf er. Und es wirkte wie eine Befreiung.
Wenn er geht, gehen 69 Torbeteiligungen
Auch wenn ihn viele Fans kritisch sehen, weil er kein filigraner Künstler ist und limitiert wirkt: Dass er im ersten Jahr nach dem Weggang von Füllkrug wieder zweistellig trifft – und das erneut in der Bundesliga – ist ein Statement. Er ist in der ersten Liga nachhaltig angekommen, er kann auf diesem Niveau spielen und treffen.
Gut möglich, dass Ducksch vermisst würde, wenn er den Verein verlässt. Aus Bremer Sicht wäre das eine verspätete und eher schmerzhafte Wertschätzung. Denn: Wenn er geht, dann gehen auch 69 Tore, die er bisher für Werder geschossen hat oder vorbereitete. Das muss erst mal einer schaffen, den Werder sich für vergleichsweise kleines Geld noch irgendwo besorgen müsste.