Für viele Fußball-Fans klingt die Frage blöd: Sollte man in der Bundesliga den Abstieg abschaffen? Natürlich nicht, sagen viele, Auf- und Abstieg gehören zum sportlichen Wettkampf dazu. Fragt man Manager oder Geschäftsführer der Bundesliga-Vereine, dann ist das Meinungsbild nicht so eindeutig. Denn dort gibt es eine Zweiklassengesellschaft: Diejenigen, die sich wegen der wirtschaftlichen Stärke ihres Vereins keine Sorgen machen müssen – und die anderen, deren Klubs leidvolle Erfahrungen gemacht haben und die deshalb einen anderen Blick auf die Folgen haben.

Grün auf Weiß die Werder-Kolumne des WESER-KURIER, in der Chefreporter Jean-Julien Beer einen Blick hinter die Kulissen des Bundesligisten wirft, Zusammenhänge erklärt und die Entwicklungen im Verein einordnet.
Raus aus der Bundesliga – das ist nicht nur emotional schwer zu verkraften für einen Verein und seine Fans. So ein Abstieg hat in der Branche den Ruf einer fiesen Dornwarze: Hat dieses Virus einen mal erwischt, dauert die Genesung lange – und die Gefahr ist hoch, dass es den Patienten in absehbarer Zeit wieder erwischt.
Ein Blick quer durch die Bundesliga belegt das. Der VfB Stuttgart war 2007 Meister. 2016 stieg er ab. Die Schwaben freuten sich über den sofortigen Aufstieg – und mussten nur zwei Jahre später wieder runter in die zweite Liga. Auch da gelang der direkte Aufstieg, und jetzt steckt Stuttgart schon wieder im Bundesligakeller fest.
Der 1. FC Köln stieg 1998 zum ersten Mal ab. Seither erwischte es die Kölner weitere fünf Mal. Auch jetzt steckt Köln wieder im Keller. Zu diesen Fahrstuhlklubs, die zwischen den Ligen pendeln, gehören auch Traditionsvereine wie Fortuna Düsseldorf, Hannover 96, der VfL Bochum oder der 1. FC Nürnberg.
Viele Klubs steigen schnell wieder ab
Neben allen Fehlern, die in einer Abstiegssaison in den Klubs gemacht werden, gibt es einen hervorstechenden Grund für dieses Dilemma: Geld. Das schießt zwar keine Tore, aber wer weniger hat als die anderen, steckt automatisch in der Klemme.
Der SV Werder ist dafür ein Musterbeispiel. Durch den Abstieg mussten die Grün-Weißen deutlich abspecken und kommen heute so schlank daher wie Reiner Calmund nach seiner Magenverkleinerung. Eine zentrale Säule bei den Einnahmen ist halt das Fernsehgeld: In der zweiten Liga kassierte Werder weniger als die Hälfte davon, 21,5 Millionen statt vorher 49 Millionen Euro. Entsprechend mussten alle Kosten reduziert werden, vor allem beim Profikader. Dieses Problem ist mit einem Aufstieg aber nicht gelöst: Denn das Fernsehgeld wird primär nach den Platzierungen der vergangenen Jahre verteilt; als Aufsteiger ist man in diesem Ranking weit unten. Werder bekommt nun etwa 36 Millionen. Klingt viel, ist es aber nicht. Zum Vergleich: Der 1. FC Köln kassiert 50 Millionen, Union Berlin und der SC Freiburg sogar 55 Millionen, die Top Sechs der Liga zwischen 67 und 95 Millionen Euro.
Das hat enorme Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit: Werder soll nun mit viel weniger Mitteln den Klassenerhalt und damit das schaffen, was dem Verein vor zwei Jahren mit viel mehr Geld nicht gelang. Mit dem Etat eines Abstiegskandidaten ist das doppelt schwierig. Das ist der Grund, warum so viele Vereine in den ersten drei Jahren nach einem Aufstieg erneut absteigen, wodurch dieser Teufelskreis von vorne beginnt.
Europacup macht nicht immer glücklich
Zur finanziellen Gesundung hoffen viele, wie auch Werder vor drei Jahren, auf eine Europapokalteilnahme, um zusätzliches Geld einzunehmen. Jedoch: Der 1. FC Köln stieg trotz solcher Europacup-Millionen ab. Die Dreifachbelastung aus Liga, Pokal und internationalen Spielen überforderte auch schon andere Klubs. Vor allem aber wird es schwieriger, einen der vorderen Plätze überhaupt zu erreichen. Im Verdrängungswettbewerb Bundesliga werden alimentierte Klubs wie RB Leipzig und Bayer Leverkusen nicht mehr verschwinden, und das TV-Geld beschleunigt diese Entwicklung. Die sechs Vereine, die vor zwei Jahren am meisten Geld bekamen, rangieren jetzt wieder vorne in diesem Ranking: Bayern, Dortmund, Leipzig, Leverkusen, Frankfurt und Gladbach. Sie bekommen zwei- bis dreimal so viel wie die Aufsteiger Werder und Schalke.
Ohne Absteiger gäbe es diesen Teufelskreis nicht. Bisher gibt es aber nur vage Planspiele für ein solches Szenario, mit einer Aufstockung der Bundesliga von 18 Klubs auf 20 oder 22, um viele Traditionsvereine aufnehmen zu können. Selbst dann wäre die Auswahl schwierig. Im attraktiven US-Sport funktioniert das so: Keine Absteiger, dafür Planungssicherheit und ein fairer Ausgleich zwischen stärkeren und schwächeren Klubs. Ein Kompromiss für die Bundesliga wäre eine 20er-Liga mit nur einem Absteiger. Wen es dann erwischt, der hätte es auch wirklich verdient.