Nach dem Heimsieg gegen Rostock sind viele Werder-Fans wieder glücklicher, rechtzeitig vor der Mitgliederversammlung am Sonntag – der ersten seit zwei Jahren, und auch der ersten nach dem Abstieg. Dass einige im Verein dieser Versammlung weiterhin nervös entgegenblicken, hängt nicht nur mit den Rekordverlusten in zweistelliger Millionenhöhe zusammen, sondern auch mit Satzungsfragen und den Wahlen zum Aufsichtsrat. So etwas klingt immer recht trocken, doch Krisenzeiten von Fußballvereinen führen dazu, dass bei solchen Themen genauer hingeschaut wird.
Im Fall von Werder Bremen kann man dabei offenbar an Stellen fündig werden, die auf den ersten Blick merkwürdig wirken, auf den zweiten sogar unglaublich. Und diese könnten, wenn es hart auf hart kommt, ernsthafte Konsequenzen haben. In vielerlei Hinsicht.

Die Werder-Kolumne des WESER-KURIER.
Das fängt schon damit an, dass der jetzige Aufsichtsrat um Marco Bode in dieser Form im Jahr 2016 offenbar gar nicht hätte gewählt werden dürfen, so wie es auch im Jahr 2020 keine Aufsichtsratswahlen hätte geben dürfen, die wegen der Pandemie auf dieses Jahr verschoben wurden. Denn in der Satzung war unter Paragraf 7 geregelt, dass die von der Mitgliederversammlung gewählten und von der Hauptversammlung bestellten Aufsichtsräte zwar für vier Jahre im Amt sind, aber „das Geschäftsjahr, in dem die Amtszeit beginnt, nicht mitgerechnet wird“. Somit wäre das vierjährige Mandat von Bode & Co. erst am 1. Juli 2017 richtig gestartet und auch erst 2021 ausgelaufen. Auch für den vorherigen Aufsichtsrat hätte das demnach gegolten.
Aufsichtsratswahl zum falschen Zeitpunkt?
Das Problem dabei: Juristisch könnte ein zum falschen Zeitpunkt gewählter Aufsichtsrat als Satzungsverstoß betrachtet werden, die Wirksamkeit sämtlicher Entscheidungen – auch die der Geschäftsführung – wäre dann anfechtbar. Zwei Dinge sind dabei interessant: Jemandem ist das Thema offenbar aufgefallen, denn seit dem Frühjahr 2021 findet sich im Handelsregister eine Satzungsänderung der „SV Werder Bremen GmbH & Co KG aA“ mit Bezug auf eine Hauptversammlung der KG vom 18. Februar 2021. Diese Änderung wurde am 15. März notariell bestätigt. Seither heißt es unter Paragraf 7, dass die Aufsichtsräte bei Werder nur noch für drei Geschäftsjahre wirken, auch hier zählt das Jahr, in dem ihre Amtszeit beginnt, nicht mit. In dem Wertpapierprospekt für die Anleihe, der erst danach erstellt wurde, ist ein Risiko durch einen möglichen Satzungsverstoß jedoch nicht erwähnt. Man kann darüber streiten, ob das in Ordnung ist.
Doch damit nicht genug: Statt eines Aufsichtsrates hätte im Jahr 2020 der Ehrenrat neu gewählt werden müssen, der wiederum für die Zusammenstellung des Wahlausschusses wichtig ist. Dem jetzigen Wahlausschuss, der wirtschaftlich kompetente Aufsichtsratskandidaten durchgewunken und die Kritiker abgelehnt hat, könnte die Legitimation dafür gefehlt haben. Erst für Sonntag gibt es einen Satzungsänderungsantrag des Präsidiums, wonach sich die Amtszeit des Ehrenrates bei einem „unabwendbaren Ereignis“ – etwa einer Pandemie – automatisch verlängert.
Wer sich durch die Akten arbeitet, stößt auch auf einen Punkt, der noch spannend werden könnte: Mit Harm Ohlmeyer kandidiert der Finanzvorstand des Weltkonzerns Adidas für den Aufsichtsrat und gilt als Favorit. Schon die bisherige Satzung macht das unter Paragraf 12 aber kaum möglich. Vereinfacht gesagt steht dort, dass niemand bei Werder in ein Kontrollgremium gewählt werden kann, der beruflich Beziehungen zu mehreren Vereinen der 1. und 2. Bundesliga unterhält, auch im Bereich der Vermarktung. Adidas ist millionenschwerer Anteilseigner beim FC Bayern und Ausrüster mehrerer Vereine. Nur wenige Tage, nachdem Ohlmeyer öffentlich den Eindruck erweckt hatte, bei Werder einiges optimieren zu wollen, wurde auch dieser Satzungsänderungsantrag des Präsidiums bekannt: Nun soll laut Absatz 3/Ziffer2 „nicht mehr wählbar sein“, wer auch nur mit einem einzigen anderen Verein durch seine Tätigkeit für ein Unternehmen in solche Geschäftsbeziehungen involviert ist. Wenn man das genau nimmt, könnte es am Sonntag also so laufen: Unter Tagesordnungspunkt 7 (TOP 7), Wahl des Aufsichtsrates, könnte Adidas-Manager Ohlmeyer ins Amt kommen. Nach dem TOP 14 (Satzungsänderungsanträge) müsste er sein Amt wieder niederlegen. Denn so steht es wörtlich nur einen Absatz weiter in der Satzung.
Aber nimmt man das bei Werder wirklich alles so genau? Dieser Eindruck drängt sich bei Durchsicht aller Unterlagen nicht gerade auf. Mögliche Investoren, nach denen Werder händeringend sucht, sind auf Satzungsverstöße oder Unstimmigkeiten jeder Art jedoch spezialisiert – weil solche Details ihre Verhandlungsposition nahezu grenzenlos verbessern würden. Werders Mitglieder sollten in dieser Woche also besser auch aufs Kleingedruckte achten, und nicht nur auf die Tabelle.