Einmal zufrieden durchschnaufen und die Beine ein wenig baumeln lassen, diese Vorstellung ist nach dem Sieg in Nürnberg verlockend. Zumal das nächste Spiel für Werder wegen der Länderspielpause erst am 20. November ansteht, im Weserstadion gegen Schalke 04. Tatsächlich aber gibt es gerade jetzt eine Menge zu tun, auf und neben dem Platz. Der 2:1-Sieg in Nürnberg ist in der Tabelle schließlich nur dann etwas wert, wenn auch das Spiel gegen Schalke gewonnen wird. Sonst würde Bremen wieder in der unteren Tabellenhälfte stehen. Alle vier Wochen ein Spiel zu gewinnen, ist noch keine Wende – aber sie ist nun möglich, im Heimspiel gegen die Schalker. Die Trainingstage wollen also sinnvoll genutzt sein, gerade wegen der zuletzt angeschlagenen Leistungsträger Leo Bittencourt, Ömer Toprak und Christian Groß, die noch Nachholbedarf haben.

GRÜN AUF WEISS ist die Werder-Kolumne des WESER-KURIER, in der Chefreporter Jean-Julien Beer einen Blick hinter die Kulissen des Bundesligisten wirft, Zusammenhänge erklärt und die Entwicklungen im Verein einordnet.
Nach dem Schalke-Spiel gibt es nur noch vier Spiele, bis es in die Weihnachtspause geht. Es ist deshalb ebenfalls ratsam, sich jetzt schon Gedanken zu machen, was dann passieren soll. Um zu verdeutlichen, wie sehr die Zeit drängt, muss man sich nur die Torhüterposition anschauen: Mit Jiri Pavlenka steht seit zwei Wochen wieder der Mann zwischen den Pfosten, der am Saisonende nach jetzigem Stand gar keinen Vertrag mehr hat. Irgendjemand müsste nun also eine sportliche Vision entwickeln, wer bei Werder Bremen in den Jahren 2022 bis 2025 im Tor stehen soll – und wenn die Wahl auf Pavlenka fallen sollte, müsste man mit ihm und seinem Berater die Gespräche wieder aufnehmen, die nach dem Abstieg ergebnislos vertagt wurden.
Das Problem dabei: Die Verantwortung für eine solche Vision und auch für die Verhandlungen könnte nur der Sportchef übernehmen, der künftig bei Werder das Sagen hat. Aber auch Frank Baumanns Vertrag läuft am Ende der Saison aus. Mit ihm zu verlängern, ist nach dem Abstieg und dem wochenlangen Siechtum in der zweiten Liga noch diffiziler als eine Verlängerung mit Pavlenka, der schon nicht mehr für den Wiederaufbau vorgesehen war, sondern als Torwart alter Prägung eher für die Vergangenheit stand.
Nun müsste der Aufsichtsrat also mal aus der Deckung kommen und Pläne entwerfen, wie es mit oder ohne Baumann bei Werder weitergehen soll. Damit bis zur Winterpause zu warten, wäre fahrlässig – denn schon in der Transferphase im Januar müssen Personalien behandelt werden, die Auswirkungen auf die nächsten Jahre haben. Gerade auf der Torwartposition. So läuft nicht nur Pavlenkas Vertrag aus, auch bei Eigengewächs Luca Plogmann muss eine Entscheidung her, den am Saisonende auslaufenden Vertrag noch einmal zu verlängern, ihn auszuleihen oder gehen zu lassen.
Es wäre nun gut für Werder, wenn sich der neue Aufsichtsrat nicht an der Tatenlosigkeit des vorherigen Gremiums orientieren würde: Es war ein Fehler, den drohenden Abstieg viele Monate vor Augen zu haben, aber dennoch keinen brauchbaren Plan B zum taumelnden Sportchef Baumann zu entwickeln. So musste der Manager mangels Alternativen im Amt bleiben, was man gut oder schlecht finden kann. In jedem Fall zeigt dieses Vorgehen, wie sehr Werder im modernen Profifußball, in dem es zunehmend um gutes Netzwerken geht, den Anschluss verliert: Nach der Bremer Logik könnte man sich letztlich nie von einem Manager trennen, weil man sich nicht um die Nachfolge gekümmert hat. Es ist aber eine der wichtigsten Aufgaben eines Aufsichtsrates, Lösungen zu entwickeln und entsprechende Gespräche zu führen, um dem Verein im Ernstfall helfen zu können; und ernster als heute war Werders Situation seit 40 Jahren nicht.
Das Beispiel Pavlenka zeigt, warum schnell geklärt werden muss, wer bei Werder sportlich das Sagen hat. Bei den ersten Vertragsgesprächen pochte der Torwart auf eine Klausel, die ihm einen Ausstieg ermöglicht, sollte der Wiederaufstieg verpasst werden. Doch warum sollten die Bremer mit einem Spieler verlängern, der die zweite Liga nicht als sein Ding betrachtet? Wäre der fehlerlose und modernere Michael Zetterer dann doch die bessere Wahl gewesen? Will der nach seiner Degradierung überhaupt bleiben? Oder braucht Werder bis Saisonende Pavlenkas Erfahrung? All diese Fragen müssen von einem Manager so geklärt werden, dass sie für Werders Zukunft sinnvoll geregelt sind – sie müssen also anders beantwortet werden als in den vergangenen Wochen und Monaten. Denn der Ist-Zustand ist vor allem den Umständen rund um den Abstieg geschuldet. Er fußt nicht auf einem zukunftsfähigen Konzept.