Als Ole Werner zum ersten Mal den kurzen Weg vom Weserstadion zum Trainingsplatz zurücklegte, wirkte das wie früher bei Florian Kohfeldt: Ruhigen Schrittes und mit einem Lächeln grüßte Werders neuer Trainer die wenigen Schaulustigen und machte sich an die Arbeit. Dass dieser Werner deutlich mehr Gemeinsamkeiten mit Kohfeldt hat als mit seinem direkten Vorgänger Markus Anfang, liegt nicht nur am einwandfrei geklärten Impfstatus: Mit gerade einmal 33 Jahren arbeitet in Bremen nun wieder der jüngste Trainer der beiden Bundesligen. Auch Werner hat noch nicht viel gesehen von der Fußballwelt, weil er fast alle Jahre seiner Trainerkarriere damit verbrachte, sich bei Holstein Kiel vom Jugendtrainer bis zu den Profis hoch zu arbeiten. Und wie Kohfeldt hat auch er als Spieler keine Profikarriere hinter sich.
Der Bremer TV-Moderator Arnd Zeigler brachte es im Sommer auf den Punkt, als er über Werders Trainersuche nach dem Abstieg sagte: „Werder hat Kohfeldt entlassen und danach einen neuen Kohfeldt gesucht.“

GRÜN AUF WEISS ist die Werder-Kolumne des WESER-KURIER, in der Chefreporter Jean-Julien Beer einen Blick hinter die Kulissen des Bundesligisten wirft, Zusammenhänge erklärt und die Entwicklungen im Verein einordnet.
Jetzt scheint er gefunden zu sein. Mit etwas Verspätung, weil er beim ersten Werben im Sommer noch nicht zu haben war. Warum Werder danach aber ausgerechnet bei Anfang landete, bleibt ein Mysterium. Im Verein erzählt man gerne davon, dass Anfangs Verpflichtung nach einer der professionellsten Trainersuchen der jüngeren Werder-Historie erfolgt sei. Es habe eine lange Liste voller Anforderungen gegeben. Dass der dabei ausgewählte Trainer noch nie aufgestiegen war und wegen charakterlicher Defizite beim 1. FC Köln auf einem Aufstiegsplatz gefeuert wurde, schien dennoch so nebensächlich wie der Umstand, dass Anfang in diesem Pandemiesommer offen damit umging, nicht geimpft zu sein.
Derlei gehört nun zu Werders Geschichte, doch dieser Irrtum mit Anfang hat auch Auswirkungen auf Gegenwart und Zukunft. Das wird auch Ole Werner bei der Sichtung seines grün-weißen Personals bemerkt haben: Denn als Verein, der weder Geld noch Außenbahnspieler hatte, holten die Bremer mit Anfang einen Trainer, der unbedingt mit Außenbahnspielern agieren wollte. Solche Spieler musste man ihm erst einmal besorgen. Wie realitätsfern müssen dann erst die Vorstellungen der anderen Kandidaten gewesen sein?
Anfangs gewünschte Außenbahnspieler wie Mitchell Weiser oder Roger Assalé gehören nun zum Kader, spielten in den vergangenen Wochen aber keine Rolle, weil das System nach zu vielen Niederlagen umgestellt wurde. Ole Werner muss nun vor allem eine klare Struktur in diese Mannschaft bringen, deren Aussehen sich im Herbst so oft veränderte wie die Farbe des Laubes: Ob ein Platz auf der Tribüne, in der Startelf oder auf der Bank – im Prinzip war für jeden alles möglich. Die Quittung: In den jüngsten sechs Partien gelang Werder nur ein Sieg, beim 2:1 in Nürnberg.
Auch wenn es nach den ersten Eindrücken so wirkt: Es ist keine Liebesheirat zwischen Werder Bremen und Ole Werner, die in der Bundesligaszene rasantes Herzklopfen auslösen würde. Es kommt zusammen, was gerade zusammenpasst: Ein Tabellenzehnter mit negativer Tordifferenz und ein junger Trainer, der bisher nur in Kiel gearbeitet hat. Der Rest muss sich ergeben: Für Werner ist die Chance in Bremen größer als das Risiko, Werder hingegen begibt sich in die Hände eines noch unerfahrenen Trainers, der nie bei einem Traditionsverein mit einem so emotionalen Umfeld gearbeitet hat. Dass er nicht im Schlaraffenland gelandet ist, weiß Werner seit dem ersten Training: Das musste schon am Nachmittag beendet sein, weil es kein Licht auf dem Platz gibt. Aus Kiel kannte er nur beleuchtete Trainingsplätze…
Wie der junge Kohfeldt ist nun auch Werner nicht nur als Trainer gefordert, wenn er den Neubeginn des Wiederaufbaus nach dem Bremer Abstieg erfolgreich gestalten möchte: Werder braucht mehr denn je eine ordnende Hand, ein sympathisches Gesicht, einen guten Verkäufer der grün-weißen Marke und einen dynamischen Entwickler auf und neben dem Platz, der obendrein auch noch die Fans mit seiner Leidenschaft ansteckt. All das leistete Kohfeldt. Doch auch bei ihm, einem Spross der Werder-Familie, wurde das mit jedem Qualitätsverlust im Kader schwieriger.
Werners größtes Problem: Schwächer als heute war Werders Kader noch nie, das macht die Aufgabe nicht einfacher. Andererseits scheint der Zeitpunkt günstig für seinen Einstieg: Es kann eigentlich nur noch besser werden.