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Werder-Kolumne Wenn man plötzlich als Ole Werner durchs Leben geht

Mit der Verpflichtung von Ole Werner hat sich nicht nur Werders Erfolgsbilanz deutlich verbessert. Seit der Trainer im Amt ist, macht auch Chefreporter Jean-Julien Beer interessante Erfahrungen in der Stadt...
27.06.2022, 15:59 Uhr
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Wenn man plötzlich als Ole Werner durchs Leben geht
Von Jean-Julien Beer

Als Werder Bremen im Winter Ole Werner verpflichtete, war nicht abzusehen, welche Folgen das für meinen Alltag in dieser Stadt haben würde. Der junge Fußballtrainer, damals erst 33 Jahre alt, war noch ziemlich unbekannt. Holstein Kiel hieß seine einzige vorherige Station. Und an der Weser brauchte man Ende November dringend ein unverbrauchtes Gesicht, nachdem Trainer Markus Anfang den Verein durch den Impfpass-Skandal in die Schlagzeilen gebracht hatte.

Werders Sportchef Frank Baumann hatte Werner schon länger auf der Liste und auch mal persönlich getroffen, um sich fachlich über Fußball auszutauschen und ihn besser kennenzulernen. Vor Beginn der Zweitligasaison war eine Verpflichtung noch gescheitert, im Winter waren dann beide Seiten bereit füreinander.

Und während Werner in seinen ersten Wochen jedes Spiel gewann und die Bremer für sich begeisterte, spürte ich auf der Straße oder im Einkaufszentrum Blicke, mit denen ich zunächst nichts anfangen konnte. Die Auflösung gab es an einem Vormittag in einem Bremer Café, wo ich zu einem Interview verabredet war. Während dieses Gesprächs verhielt sich die Bedienung etwas auffällig. Sie hielt hinter dem Tresen die aktuelle Ausgabe des WESER-KURIER in der Hand und rief einen Kollegen herbei, um ihm die erste Sportseite zu zeigen. Sie tuschelten. Dann blickten sie zu unserem Tisch. Und nickten.

Es war ein Dienstag, deshalb lag die Vermutung nahe, dass sie vielleicht die Kolumne „Grün auf Weiß“ auf der Seite gesehen hatten. Nach ein paar Minuten kam die Dame an unseren Tisch und fragte mich ehrfürchtig, freundlich und voller Vorfreude: Sind Sie das? Als ich – etwas ungläubig – zurück fragte, ob sie die Kolumne unten auf der Seite meine, schüttelte sie den Kopf. Sie zeigte auf ein großes Foto weiter oben. Und dann sagte sie den Satz, der mich seither begleitet: Sind Sie Ole Werner?

Man könnte das als Einzelfall abtun, eine kleine Anekdote. Eine kuriose Verwechslung halt. Aber es blieb nicht bei diesem einen Mal. Frank Baumann hat mir als Sportreporter mit seiner Trainerverpflichtung quasi ein Geschenk gemacht, denn ich erlebe seither live und mit allen Emotionen, wie die Leute auf Ole Werner reagieren. Die ältere Dame in der Fußgängerzone, die mir nach Werders Siegesserie freudig den gestreckten Daumen entgegen streckt und mich beglückwünscht, obwohl ich nur ins Büro gehe. Der Junge im Supermarkt, der sich an der Kassenschlange nach vorne drängelt, um mit leuchtenden Augen zu fragen, ob ich der Werder-Trainer bin.

Unvergesslich: der Tag des Aufstiegs! Vor dem Spiel waren gerade Tausende Fans vom Marktplatz zum Stadion marschiert, als ich mit dem Auto die Rampe zum Weserstadion hinunter fuhr – im Schritttempo durch die Massen. Ich wollte nur zur Arbeit. Als Reporter, nicht als Werders Cheftrainer. Ich sah so viele glückliche Gesichter, so viel Vorfreude auf das Spiel und den Aufstieg. Und die Leute sahen mich. Ich wurde mit Applaus empfangen, als Ole Werner besungen und beklatscht. Es war ziemlich lustig.

Bisher hat mir der echte Werner nur Freude bereitet. Es ist eine klare Entwicklung zu erleben, wie die Leute in Bremen auf ihn reagieren: erst ehrfürchtig, dann mit Stolz, zuletzt euphorisch. Aber wie wird das weitergehen, wenn Werder in der Bundesliga wieder häufiger verliert und vielleicht sogar im Abstiegskampf landet? Wie reagieren die Leute dann, wenn sie Ole Werner sehen (oder das zumindest glauben)? Hoffentlich läuft es dann so wie bei Florian Kohfeldt, der stets vom besonderen Umgang der Menschen in Bremen mit seiner Person schwärmte. Auch Kohfeldt erlebte erst Neugier und Ehrfurcht, wenn Leute ihn sahen, dann Stolz und auch viel Euphorie. Und selbst im schlimmsten Abstiegskampf, so sagt er, habe er bei seinen Joggingrunden im Bürgerpark immer noch Zuspruch und Unterstützung erfahren.

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Für Ole Werner gehalten zu werden, ist wegen der vielen Siege und dem Aufstieg bisher nie unangenehm. Und es spricht total für ihn, wie enttäuscht die Leute reagieren, wenn sie erfahren, dass sie ihn leider verwechselt haben. Man muss ehrlich sagen: Es hätte ja auch viel härter kommen können. Das Leben als Felix-Magath-Double oder als Thorsten Legat wäre bestimmt nicht immer so schön. Von anderen Namen im Fußballgeschäft ganz zu schweigen.

Vielleicht bekommt Werner im Gegenzug ja auch mal Lob oder Kritik für Kolumnen im WESER-KURIER. Dann würde er auch mal erleben, wie das als Sportreporter so ist. Eine Ähnlichkeit gibt es: Auch da hängen die Reaktionen oft davon ab, ob Werder zuletzt gewonnen hat.

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