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Werder-Kolumne Das neue, junge Werder war nur eine Beruhigungspille

Auf Augenhöhe mit den Bayern ist Werder schon sehr lange nicht mehr. Doch wofür stehen die Bremer stattdessen? Schwer zu sagen, meint Jean-Julien Beer, denn nach dem Abstieg gab es leere Versprechungen...
14.08.2023, 18:01 Uhr
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Das neue, junge Werder war nur eine Beruhigungspille
Von Jean-Julien Beer

Natürlich ist es ein ungleiches Duell, wenn der SV Werder am Freitag gegen die Bayern das Eröffnungsspiel der neuen Saison bestreiten muss. Allein für die Ablösesumme von Harry Kane, mehr als 100 Millionen Euro, könnte man sich Werders kompletten Spielerkader kaufen und den Mannschaftsbus noch dazu (der ist von MAN, sehr guter Zustand). Aber auf ein Duell zweier Titelkandidaten waren die Planer der Bundesliga auch nicht aus. Das haben sie im vergangenen Jahr mal probiert und die Bayern im ersten Spiel zum Europa-League-Gewinner Eintracht Frankfurt geschickt, wo die Münchner dann locker mit 6:1 gewannen.

Als Werder-Fan kann man sich an die Hoffnung klammern, dass die Bayern im Supercup gegen RB Leipzig schlecht spielten und mit 0:3 verloren. Einschränkend muss man jedoch sagen: Werder ist nicht RB, das sich in diesem Sommer für 151 Millionen Euro neue Spieler gekauft hat. Der Kader der Leipziger Rasenballer kostet mal eben 407 Millionen Euro, der von Werder nicht mal 99 Millionen. Und die Bayern? Deren Kader hat mit Kane einen Gesamtwert von unfassbaren 981 Millionen Euro.

Das sind nicht mehr nur Welten, die zwischen den früheren Rivalen Werder Bremen und Bayern München liegen. Es sind längst mehrere Universen. Deshalb kann man sich ein spannendes Spiel zwar wünschen, davon ausgehen kann man aber nicht. Statt sich mit Spitzenklubs wie RB Leipzig und dem FC Bayern zu vergleichen, geht es beim SV Werder viel mehr um die Frage, wofür dieser weit über Bremen hinaus beliebte Traditionsverein heute eigentlich steht. Attraktive Spiele im Weserstadion gehören nicht mehr zur Marke, dafür ist die Heimbilanz seit vielen Jahren zu schlecht. Vergangene Saison war Werder sogar die schwächste Heimmannschaft der ganzen Bundesliga, Platz 18 mit negativer Tordifferenz – trotz der Unterstützung des Bremer Publikums. Das muss man auch erstmal schaffen. Für spielerischen Glanz steht Werder spätestens seit dem freiwilligen Weggang von Max Kruse auch nicht mehr.

Nach dem Abstieg, im Sommer 2021, wurde von den Verantwortlichen so etwas wie eine neue Identität ausgerufen: Man werde ein neues Werder aufbauen, mit einer jungen, hungrigen Mannschaft. Wenn man ehrlich ist, waren das nur leere Worte. Eine Beruhigungspille für die damals zurecht etwas aufmüpfig gewordenen Fans. Fakt ist: Von den jungen Spielern, die vor oder nach dem Abstieg bei Werder zum Einsatz kamen, spielt heute kein einziger eine Rolle für die Startelf. Ob Manuel Mbom, Ilia Gruev, Abdenego Nankishi (Startelfspieler unter Markus Anfang), Felix Agu, Nick Woltemade, Lars Lukas Mai oder Eren Dinkci: Keiner konnte sich etablieren, keiner wurde nach schwächeren Phasen wieder konsequent herangeführt.

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Mit der Folge, dass die damals von Klubchef Klaus Filbry prognostizierten Verkaufswerte und Ablösesummen für diese Spieler leider nur Luftschlösser waren. Immerhin: Niklas Schmidt – halbwegs jung nach dem Abstieg, aber damals ehrlicherweise gar nicht mehr für den Profikader eingeplant – brachte rund 2,5 Millionen Euro ein. Gruev hat sich von allen am besten entwickelt, durchgesetzt hat auch er sich aber nicht. Beim Pokal-Aus in Köln schaffte er es nicht mal in den Kader, wie auch Justin Njinmah, der mit großen Erwartungen vom BVB zurückkam – was für ein Signal für diese Jungs…

Fabio Chiarodia, gehypt wie ein junger Star, wurde für zwei Millionen nach Gladbach weitergereicht, ohne je richtig für Bremen gespielt zu haben.

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Ole Werner ist bei Werder nie als Jugendförderer auffällig geworden. Einerseits, weil er mit einem unausgewogenen Kader große Erwartungen erfüllen musste: erst den Aufstieg und dann den Klassenerhalt. Da kann man verstehen, dass ein Trainer auf erfahrene Leute setzt. Beide Ziele wurden erst kurz vor Schluss erreicht, Zeit für jugendliche Experimente blieb nie. Man muss aber auch sagen, dass die jungen Spieler – wenn sie denn mal gesund zur Verfügung standen – ihre Chancen sträflich ungenutzt ließen. Das wirft die Frage auf, ob sie wirklich die Klasse haben, die Werder in ihnen sieht oder sah.

Die verpasste Chance birgt ein Problem: Nennenswerte Werte wurden mit dieser Spielergeneration nicht geschaffen. Jugendspieler aus Freiburg, Mainz, Schalke oder Bochum wurden in den vergangenen Jahren für zweistellige Millionenbeträge verkauft, oft nach England, aber auch zu Paris St. Germain. Der Grund: Sie hatten eine andere Klasse und waren schon Stammkräfte. Will Werder ernsthaft ein Ausbildungsverein sein und von den Ablösesummen leben, dann müssen die Ausbildung und die Förderung junger Spieler in Bremen mit einer ganz anderen Konsequenz umgesetzt werden.

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