Nichts, aber auch wirklich gar nichts ist im Profifußball so schnell Schall und Rauch wie das Image eines Trainers. Beispiele gibt es nah und fern. Der Bremer Florian Kohfeldt war 2018 noch „Trainer des Jahres“ in Deutschland und wurde von Borussia Dortmund umgarnt, zwei Entlassungen später (bei Werder und in Wolfsburg) muss er darauf achten, dass sein Ruf beim nächsten Job nicht größeren Schaden erleidet.

Grün auf Weiß ist die Werder-Kolumne des WESER-KURIER, in der Chefreporter Jean-Julien Beer einen Blick hinter die Kulissen des Bundesligisten wirft, Zusammenhänge erklärt und die Entwicklungen im Verein einordnet.
Das krasse Gegenteil erlebt der Italiener Carlo Ancelotti: Vor fünf Jahren wurde er beim FC Bayern entlassen, die Liste der Vorwürfe war lang. Er sei aus der Zeit gefallen, mit seinem skurrilen Trainerstab voller Verwandter und Freunde und mit einem Kettenraucher als Fitnesstrainer. Einen schönen Abend bei einem Glas Wein könne man mit Ancelotti verbringen, aber man solle ihm eher keine millionenschwere Mannschaft mehr anvertrauen – so kam das in München rüber. Jetzt gewann Ancelotti mit Real Madrid die Champions League. Inzwischen ist er 62 Jahre alt und der erste Trainer, der viermal die Königsklasse gewann. „Carlo, der Große“ titelt „Der Spiegel“ über den Mann, der für München vermeintlich zu klein war.
Das Problem mit dem Image erleben also selbst die besten Trainer. Weltmeister Joachim Löw war als Bundestrainer mal der große Löw und mal der kleine Jogi. Jürgen Klopp galt früher als Rabauke, mit Löchern in der Hose und unrasiert. Deshalb strichen ihn manche Vereine von der Liste (auch der HSV). Heute würden ihm die größten Klubs der Welt zusätzliche Löcher in die Jeans schneiden, wenn Klopp zu ihnen käme. Julian Nagelsmann schien vor wenigen Monaten noch ein Genie zu sein. Heute hört er, dass er in München noch viel lernen muss.
Und damit zu Ole Werner. Über Werders Aufstiegstrainer wusste man vorher wenig, er hatte nur bei Holstein Kiel gearbeitet. Auffällig wurde er durch die rasanten Spiele seiner Kieler im DFB-Pokal und seine sympathischen Interviews danach. Werner ist 34 Jahre jung, er hat noch keinen Titel gewonnen, ist aber schon dreimal aufgestiegen: Mit Holsteins Amateuren in die Regionalliga Nord (2018), mit Werder in die Bundesliga (2022) und nun in den Trainerhimmel (ebenfalls 2022). Werner wurde in nur einem halben Jahr zu einem der beliebtesten Bremer. Und jeder, der nach einer Meinung zu ihm gefragt wird, der schwärmt. Ob Fans, Spieler oder Vorgesetzte. „Überragende Menschenführung“ heißt es dann oft, „taktische Meisterleistung“ und „ein sympathisches Gesicht, das zu Werder passt“.
Werner hat sich das verdient. Im Aufstiegsmagazin des WESER-KURIER gibt es eine Geschichte darüber, wie er die Bremer Mannschaft im Dezember im Niemandsland der Tabelle übernahm und mit vielen Handgriffen zum Aufsteiger formte. Das war seine Handschrift.
Doch Werner ist auch norddeutsch genug, das Lob und die Schulterklopfer richtig einzuordnen. Er darf es genießen, er hebt aber nicht ab. Er hat in Kiel erlebt, dass die gute Arbeit von gestern schon morgen weniger wert sein kann und die Umstände, die zu Niederlagen führen, dann nicht immer fair bewertet werden. Auch in Bremen wird es nicht ständig steil nach oben gehen. Mit dem besten Kader der zweiten Liga aufzusteigen, war eine kleinere Herausforderung als das, was Werder in der Bundesliga bevorsteht. Als Aufsteiger die Klasse zu halten, zwischen vielen reicheren Klubs, könnte schwieriger werden.
Einen Vorgeschmack gab es in den Wochen vor dem Aufstieg, vor allem nach der Heimniederlage gegen Kiel am 32. Spieltag und dem Verlust der Tabellenführung: Überraschend oft hörte man in der Stadt, dass der Trainer nicht zu halten wäre, wenn er diesen Aufstieg noch verspielt. Auch bis zu Werder drang das durch, aber der Verein hat es sich zur Angewohnheit gemacht, solche Nebengeräusche zu ignorieren. Nur zwei Siege später sprechen nun alle von einer Traum-Ehe zwischen Werder und Werner. So ist es, das Trainerleben.
Wichtig ist, daraus die richtigen Schlüsse abzuleiten, und das macht der Verein: Bei Klassenerhalt bleibt man vertraglich zusammen, bei einem Abstieg können sich die Wege problemlos trennen. Das ist ein Lerneffekt aus der Kohfeldt-Zeit: Dem gab Werder in guten Zeiten einen sehr guten Vertrag, der in schlechten Zeiten prompt zur Belastung wurde. Vor Schall und Rauch ist auch Werners Image nicht sicher – auch wenn in Bremen die Sehnsucht nach der nächsten großen Trainer-Ära wie bei Rehhagel und Schaaf immer mitschwingt.