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Taktik-Analyse Warum Werder es schwer gegen Kiel hatte – und doch noch gewann

In der ersten Halbzeit wusste Werder Bremen gegen Holstein Kiel noch zu überzeugen. Nach der Pause intensivierten die Gäste jedoch ihr Pressing – und stellten den SVW damit vor große Probleme.
10.11.2024, 11:01 Uhr
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Von Tobias Escher

Werder-Trainer Ole Werner feierte am Samstagnachmittag das Wiedersehen mit seinem Heimatverein. Zwei Jahrzehnte hat Werner als Spieler und Trainer bei Holstein Kiel verbracht, ehe er an die Weser wechselte. Diese Zeit hinterließ Spuren – auf beiden Seiten. Werners Fußballphilosophie ähnelt in vielerlei Hinsicht jener Spielweise, die sein Kieler Nachfolger Marcel Rapp präferiert. Ihre Ähnlichkeiten waren im direkten Duell deutlich zu erkennen.

Werner stellt um – zumindest personell

Werders 1:4-Niederlage gegen Borussia Mönchengladbach ging auch am Trainer nicht spurlos vorbei. Der sonst so auf Kontinuität setzende Werner veränderte seine Startelf auf vier Positionen. In der Fünferkette tauschte er gleich drei Akteure aus, darunter den gesperrten Mitchell Weiser. Auch Jens Stage kam nach seinem Ausfall zu seinem Startelf-Comeback. Eine Änderung der Formation wagte Werner jedoch nicht. Werder begann in der bekannten Mischung aus 5-2-3- und 3-4-3-System.

Auch ohne veränderte Formation agierte Werder gänzlich anders als beim unrühmlichen Auftritt in Mönchengladbach. Werder versuchte von der ersten Minute an, die Kontrolle über die Partie zu gewinnen. Dazu bediente sich Werders Team eines hohen Pressings. Die drei Angreifer liefen die gegnerische Abwehr an. Auch die Außenverteidiger schoben weit nach vorne.

Werders Pressing funktionierte auch deshalb so gut, weil sie die Formation ihres Gegners spiegelten. Kiel begann wie Bremen in einem offensiven 3-4-3-System. Werders drei Angreifer konnten die drei Innenverteidiger anlaufen.

Kiel versuchte, das Pressing der Bremer zu überspielen. Im Anschluss sollten die hochstehenden Außenverteidiger hinter die Abwehr geschickt werden. Kiel kam jedoch nur selten am Pressing der Bremer vorbei. Falls doch, gewannen Bremens Außenverteidiger die Laufduelle. Holstein blieb vor der Pause offensiv weitestgehend harmlos.

Stage und die neu gewonnene Dynamik

Während Werder auf ein hohes Pressing setzte, agierte Kiel etwas abwartender. Defensiv ließ sich Armin Gigovic aus dem Sturm ins Mittelfeld fallen. Es entstand ein 5-3-2-System. Mit dieser Formation wollte Kiel das Zentrum kompakt halten. Gleichzeitig sicherten sie mit ihrer Fünferkette in der Abwehr die gesamte Breite des Felds.

Werder biss sich in den ersten Minuten die Zähne an der Kieler Formation aus. Bremens bevorzugte Angriffsmethode – direkte Verlagerungen von einem Flügel auf den anderen – waren gegen die breite Abwehrkette der Kieler kaum möglich. Durch das Fehlen von Weiser fielen zudem schnelle Kombinationen über die rechte Seite weg.

Mit zunehmender Spielzeit fand Werder Mittel und Wege, in den Strafraum zu gelangen. Wichtigster Akteur hierfür war der zurückgekehrte Stage: Er startete aus dem zentralen Mittelfeld häufig nach vorne. Dadurch besetzte er die Räume zwischen der gegnerischen Abwehr- und Mittelfeldlinie, sobald Kiel etwas herausrückte.

Stages Wichtigkeit zeigte sich exemplarisch in jener Szene, die zu Romano Schmids aberkanntem Treffer führte (39.): Stage lief im Vollsprint eine Linie nach vorne. So konnte Marvin Ducksch den Ball direkt auf ihn ablegen und Dynamik kreieren. Stage krönte seinen starken Auftritt bereits kurz zuvor mit dem Treffer zum 1:0 (36.).

Kiel entdeckt das Pressing

Zu Beginn der zweiten Halbzeit bot sich plötzlich ein anderes Bild. Kiel drückte auf einmal nach vorne. Trainer Rapp hatte seine Formation leicht angepasst: Gigovic rückte nun im Pressing durchgehend auf eine Höhe mit den beiden Stürmern. Die Kieler wagten nun ein mannorientiertes 3-4-3-Pressing. Es erinnerte stark an Bremens Formation der ersten Halbzeit.

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Werder hatte in den ersten Minuten nach der Pause Probleme, das Pressing der Kieler zu überspielen. Auch hier war Stage der entscheidende Akteur – oder besser gesagt: Seine verletzungsbedingte Auswechslung spielte Kiel in die Karten. Ersatzmann Leonardo Bittencourt ließ sich als zentraler Mittelfeldspieler häufiger fallen. Werders Mittelfeld startete nun kaum mehr Läufe, um zwischen die Linien zu gelangen. Dadurch konnte Werder das Mittelfeld nicht mehr überspielen. Die Pässe ins offensive Zentrum liefen ins Nichts.

Kiels Pressing zahlte sich aus: Sie erzielten nach einer Balleroberung nicht nur den Ausgleichstreffer (48.). Auch in der Phase danach hatten sie die besseren Chancen. In der ersten Viertelstunde nach Wiederanpfiff gab Kiel fünf Schüsse ab, Werder nur einen einzigen.

Lucky Punch dank Einwechselspielern

Die Gäste konnten das Tempo jedoch in der Folge nicht aufrechterhalten. Kiel zog sich zunächst in ein 5-3-2-System zurück, ehe Rapp mit seinen Wechseln auf eine 5-4-1-Formation umstellte. Die Bremer konnten das Spiel nun ruhig aus der Abwehr eröffnen. In der finalen halben Stunde lag ihr Ballbesitzwert bei über 65 Prozent.

Werder fehlte lange Zeit die zündende Idee, wie das Abwehrkonstrukt der Kieler geknackt werden könnte. Die Bremer Außenverteidiger drückten die gegnerischen Außenverteidiger zurück, dadurch ergaben sich dahinter Räume für Vorstöße der Innenverteidiger - doch Anthony Jungs Flanken fanden keinen Abnehmer.

Der Siegtreffer gelang Werder nicht über das eigene Ballbesitzspiel, sondern über eine Balleroberung. In einer Umschaltsituation kam der Ball über Schmid nach Rechtsaußen zum eingewechselten Keke Topp. Dessen Flanke fand den Kopf des ebenfalls ins Spiel gekommenen Oliver Burke (89.). Mit der Führung im Rücken intensivierte Werder das eigene Pressing, ließ jedoch beste Konterchancen ungenutzt.

Werders glücklicher Schlag entschied die Partie. Lange Zeit lieferten sich beide Mannschaften ein Duell auf Augenhöhe. Beide Teams überzeugten mit ihrem mannorientierten Pressing und dem hohen Tempo im Umschalten. Es steckt eben immer noch ein bisschen Werner in Kiel – und umgekehrt.

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