Nur noch sieben Spieltage, dann könnte der SV Werder Bremen wieder erstklassig sein. Im Aufstiegsrennen haben die Grün-Weißen gute Karten, aber wären sie für eine Rückkehr ins Fußball-Oberhaus überhaupt gewappnet? Die Profis dürften jedenfalls auch abseits von Ruhm und Ehre ein großes Interesse an einem Aufstieg haben – selbst ohne bislang explizit vereinbarter Aufstiegsprämie für die Mannschaft: Denn die meisten Verträge beinhalten einen Passus, der das Gehalt stets der Spielklasse anpasst. So wie schon beim Abstieg, als Niclas Füllkrug und Co. plötzlich auf 40 bis 60 Prozent ihrer Gehälter verzichten mussten. Werder konnte damit die Mindereinnahmen aus dem Bereich TV und Sponsoring ausgleichen. Bei einem Aufstieg würde es quasi umgekehrt laufen.
Es ist ein heikles Thema. Denn eigentlich will niemand beim SV Werder schon über den Aufstieg reden. Die Sorge, es dadurch zu verhexen, ist deutlich spürbar. Im Fußball spielt eben auch der Aberglaube mit. Als Geschäftsführer Sport ist sich Frank Baumann aber seiner Verantwortung bewusst, stets die Zukunft des Clubs im Blick zu haben und auch darüber zu sprechen. „Wir müssen sportlich und finanziell für beide Szenarien planen“, sagt der 46-Jährige deshalb auf Nachfrage unserer Deichstube: „Bei einer Rückkehr in die 1. Liga würden unsere Einnahmen natürlich steigen, aber wir hätten weiterhin finanzielle Herausforderungen zu meistern.“
Gemeint sind zum Beispiel mehrere Kredite und eine Mittelstandsanleihe mit einem Gesamtvolumen von 38 Millionen Euro. Da müssen nicht zu knapp Zinsen gezahlt werden. Allein für die Anleihe werden im Juni über eine Million Euro fällig. Das viele Geld brauchte Werder vor allem, um die finanziellen Folgen der Corona-Pandemie zu überstehen.
Immerhin: In dieser Saison rechnet der Verein mit einem positiven Ergebnis in der Bilanz, obwohl die Zuschauereinnahmen wegen der Corona-Beschränkungen längst nicht so üppig sind wie erhofft. Geholfen haben die hohen Transfererlöse von über 30 Millionen Euro nach dem Abstieg. Und dieses Thema wird den Bremern erhalten bleiben – wenn auch nicht so gravierend. „Wir müssen auch in diesem Sommer ligaunabhängig einen Transferüberschuss erzielen, der aber bei weitem nicht so hoch sein muss wie im vergangenen Sommer. Dabei spielen viele Faktoren eine Rolle“, sagt Baumann. Es sind zum Beispiel noch Bonuszahlungen aus vergangenen Transfers möglich, wenn Clubs mit ihren Ex-Bremern wie Davy Klaassen (Ajax Amsterdam), Ludwig Augustinsson (FC Sevilla) oder Maximilian Eggestein (SC Freiburg) besonders erfolgreich sind.
Offen ist auch die Verteilung der TV-Gelder. Laut der Internetplattform fernsehgelder.de würde Werder als Erstligist knapp über 40 Millionen Euro bekommen. Die Berechnungen stammen von Mitte Februar, die Summe kann sich je nach Ab- und Aufsteiger durchaus signifikant verändern. Kurz gesagt: Werder würde mehr TV-Geld bekommen, wenn namhaftere Clubs wie Hertha BSC und der VfB Stuttgart absteigen würden und gleichzeitig der FC Schalke unten bliebe. Denn im TV-Geld-Ranking sind vor allem die Platzierungen in den vergangenen Jahren ausschlaggebend. So werden den Bayern für die neue Saison fast 100 Millionen Euro an Fernseh-Geld aus der Bundesliga-Vermarktung vorausgesagt.
Als Zweitligist hat Werder für diese Saison übrigens „nur“ 21,5 Millionen Euro bekommen – nach 49 Millionen Euro im Erstliga-Jahr davor. Deswegen musste gehörig gespart werden. Das Kaderbudget (Gehälter der Spieler) sank von 47 Millionen Euro auf 18. „Wenn wir in der 2. Liga bleiben, wäre ein höherer Transferüberschuss notwendig und wir müssten das Gehaltsgefüge weiter anpassen“, sagt Baumann, betont aber zugleich: „Trotzdem würde unser Kader wettbewerbsfähig sein.“
Das gelte freilich auch für die Bundesliga, wenngleich die Erwartungshaltung nicht zu groß sein dürfe, so Baumann: „Wir könnten uns nicht das Gehaltsgefüge leisten wie in der Zeit vor dem Abstieg.“ Eine Summe nennt er nicht, realistisch scheinen 30 bis 35 Millionen Euro. Da müssen kreative Lösungen gefunden werden.
Werders Vorteil: Durch den Abstieg hat eine finanzielle Konsolidierung im Kader stattgefunden. Die eher teureren Spieler haben den Club verlassen oder deren Verträge laufen nun aus – wie bei Ömer Toprak, Jiri Pavlenka und Milos Veljkovic. Lediglich Niclas Füllkrug, Leonardo Bittencourt und Marco Friedl würden bei einem Aufstieg auf ihr altes Niveau zurückkehren, das allerdings in diesen Zeiten sehr hoch ist. Die Corona-Pandemie hat die Clubs zum Umdenken gezwungen, die neuen Vertragsangebote sind weniger hoch dotiert – mit Ausnahme vielleicht bei den absoluten Topspielern. Für nicht wenige Vereine sind zu viele Altverträge aus der Vor-Corona-Zeit eine echte Belastung geworden. Da fast alle Clubs in Europa betroffen sind, bieten Transfers dabei auch nur bedingt eine Lösung. Der Bremer Sparkurs steht vielen Erstligisten womöglich erst noch bevor. Es wäre also gewiss kein schlechter Zeitpunkt für eine Rückkehr des Traditionsvereins in das Fußball-Oberhaus.