Kommt es in der Nord- oder Ostsee zu Havarien, bei denen etwa Öl austreten könnte, dann eilen je nach Einsatzgebiet die Schadstoff-Bekämpfungsschiffe „Neuwerk“, „Mellum“, „Scharhörn“ oder „Arkona“ zur Unfallstelle. Doch für drei dieser Schiffe naht in den nächsten Jahren das Dienstende. Zwei neue Mehrzweckschiffe hat die Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt (GDWS) bereits im Auftrag des Bundes bestellt, nun hat sie einen dritten Auftrag erteilt. Wie die ersten beiden Schiffe wird auch das dritte Mehrzweckschiff auf der Werft Abeking & Rasmussen in Lemwerder gebaut. Der Auftrag für alle drei Schiffe hat ein Gesamtvolumen von mehr als 600 Millionen Euro.
Genau wie die „Neuwerk“, „Mellum“ und „Scharhörn“ werden die neuen Schiffe rund um die Uhr im Rahmen der Maritimen Notfallvorsorge in der Nord- und Ostsee im Einsatz sein. Es soll durch die neuen Schiffe noch sicherer werden: Durch die Spezialausstattung dieser innovativen Neubauten werden laut GDWS die operativen Möglichkeiten optimiert.
Eingebaut werden in die Mehrzweckschiffe unter anderem Chemikalientanks mit einem Volumen von etwa 1000 Kubikmetern, ein explosionsgeschützter Sicherheits- und Containerladeraum sowie Ölaufnahmegeräte. Auf den neuen Mehrzweckschiffen ist Platz für ein 16-köpfiges Besatzungsteam und 34 weitere Personen, die im Fall einer Havarie an Bord im Einsatz sind. Dazu zählt speziell geschultes Brandbekämpfungspersonal.
„Der Ursprungsauftrag im Dezember letzten Jahres von zwei Schiffen beinhaltete die Option eines dritten Schiffes, die jetzt gezogen wurde, coronabedingt früher als erwartet“, so Hans Schaedla, geschäftsführender Vorstand von Abeking & Rasmussen. „Diese Aufträge tragen zu einem Großteil zur guten Auslastung der mittelständischen Werft bei. Somit sind die Arbeitsplätze der fast 500 Mitarbeiter – davon 38 Auszubildende – mittelfristig gesichert.“ Nach 39 Monaten soll das erste Mehrzweckschiff abgeliefert werden, neun Monate später soll der zweite Bau folgen. „Das ist eine kurze Bauzeit für so komplexe Spezialschiffe – gemeinsam werden wir auch diese Herausforderung meistern.“
Schaedla zeigte sich sehr zufrieden, dass die Bemühungen seiner Mannschaft im Vorfeld der Auftragsvergabe nun Früchte tragen. „Wir haben mit einem technisch anspruchsvollen und innovativen Entwurf den Auftrag gewonnen, der uns über die derzeit unsicheren Zeiten hinweghilft, “ fügte Schaedla an. Es zahle sich aus, dass Abeking & Rasmussen bereits in der Vergangenheit immer wieder unter Beweis gestellt habe, dass das Unternehmen, das 1907 gegründet wurde, traditionell für Fortschritt und Innovation stehe.
„Alle drei Schiffe erhalten eine Spezialausstattung, mit der im Falle von Havarien Einsätze deutlich verbessert werden“, so Hans-Heinrich Witte, Präsident der GDWS. „Hochqualifiziertes Personal und eine hochwertige technische Ausstattung, das bedeutet Sicherheit auf höchstem Niveau.“ Die Ersatzneubauten werden komplett mit dem Flüssigerdgas LNG angetrieben.
LNG gilt derzeit als der umweltfreundlichste Antrieb
LNG gilt derzeit als der umweltfreundlichste Antrieb. Damit beim Löschen eines brennenden Schiffes auf dem eingesetzten Mehrzweckschiff unter keinen Umständen Methan-Gas austreten kann, gibt es besondere Sicherheitslösungen auf den Schiffen. Zum Beispiel umschließen mit Schutzgas gefüllte Doppelhüllen alle Rohrleitungen und Einrichtungen des LNG-Systems – bei einer Leckage bleibt das Methan in diesem Schutzmantel. Außerdem erhalten die Mehrzweckschiffe im Gegensatz zur derzeitigen Einsatzflotte ein großes Hubschrauberlandedeck im Vorschiffsbereich.
Geplant ist, dass die beiden ersten Neubauten die in die Jahre gekommenen Mehrzweckschiffe „Scharhörn“, Baujahr 1974, und „Mellum“, Baujahr 1984, ersetzen. Das erste der neuen Spezialschiffe soll 2023 den Betrieb aufnehmen, das zweite ein Jahr später und das dritte Schiff 2025. Derzeit sind in der Ostsee die „Scharhörn“ und die „Arkona“ stationiert, in der Nordsee „Mellum“ und „Neuwerk“.
„Mit dem neuen Spezialschiff stärken wir die maritime Sicherheit in Nord- und Ostsee“, sagte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) im Zusammenhang mit dem aktuellen Auftrag. „Gleichzeitig unterstützen wir durch die schnelle Beauftragung die maritime Wirtschaft im Norden in dieser schwierigen Zeit.“
Die neuen Schiffe werden 95 Meter lang und 20 Meter breit sein. Zum Vergleich: Die „Scharhörn“ hat eine Länge von 56,20 Meter und eine Breite von 14 Breite.
Einsatzgebiet der für die weltweite Fahrt zugelassenen ersten beiden Mehrzweckschiffe ist nach Angaben der Bundesanstalt für Wasserbau die Deutsche Bucht. Heimathäfen werden die Wasserstraßen- und Schifffahrtsämter in Wilhelmshaven und Cuxhaven sein.
Notfallvorsorge in Nord- und Ostsee
Die vier Mehrzweckschiffe werden im Rahmen der Maritimen Notfallvorsorge in Nord- und Ostsee eingesetzt. Im Falle von Havarien sind die Schiffe spätestens innerhalb von zwei Stunden am Unfallort, startklar zum Notschleppen, zur Öl-, Chemikalien- und Brandbekämpfung. Zusätzlich hat die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes vier Notschlepper gechartert und zwei sogenannte Boardingteams, die bei Notfällen auf See eingesetzt werden.