Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Wirtschaftskriminalität in Deutschland Angriffe auf Unternehmen nehmen zu

Es sind unruhige Zeiten für deutsche Unternehmen: Etwa die Hälfte aller Firmen war 2016 von Wirtschaftskriminalität betroffen. Das zeigt eine Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Pricewaterhouse-Coopers.
03.05.2017, 00:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Angriffe auf Unternehmen nehmen zu
Von Stefan Lakeband

Es sind unruhige Zeiten für deutsche Unternehmen: Etwa die Hälfte aller Firmen war 2016 von Wirtschaftskriminalität betroffen. Das zeigt eine Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Pricewaterhouse-Coopers (PWC). Vor allem die Betrugsdelikte haben demnach zugenommen.

Auch die Bremer Polizei muss sich häufiger mit solchen Fällen beschäftigen. „So vielfältig wie die Geschäftsmodelle der Unternehmen sind, so vielfältig sind auch die Möglichkeiten für Betrüger“, sagt Stefan Bothe, der sich bei der Polizei Bremen um Betrugsfälle kümmert. Das reiche vom einfachen Nicht-Bezahlen einer Rechnung über Identitätsdiebstahl bis hin zum ausgeklügelten und langfristig angelegten Betrug.

Besonders eine Masche hat in den vergangenen zwei Jahren für viel Aufsehen und hohe Schäden in ganz Deutschland gesorgt: der sogenannte Geschäftsführer-Trick oder auch CEO-Fraud. Dabei verschaffen sich Kriminelle im Internet detaillierte Informationen über Unternehmen. Sie geben sich dann als Vorstand oder Geschäftsführer aus und weisen Mitarbeiter der Finanzabteilung per E-Mail an, für angeblich vertrauliche Geschäfte hohe Geldbeträge auf Konten in Asien oder Osteuropa zu überweisen. Ein Bremer Mittelständler hat dadurch etwa 500.000 Euro verloren, ein niedersächsisches Unternehmen erlitt einen Schaden von etwa 980.000 Euro. In den vergangenen zwei Jahren wurden allein in Bremen 47 solcher Fälle bei der Polizei Bremen angezeigt, in Niedersachsen ist die Zahl der Betrugsversuche mit dieser Masche von zehn in 2015 auf 50 in 2016 gestiegen. Die Dunkelziffer dürfte um ein Vielfaches höher sein, da wahrscheinlich nicht jede Firma einen versuchten Betrug anzeigt.

Lesen Sie auch

Über Täter wenig bekannt

Über die Täter ist wenig bekannt. Die Polizei beschreibt sie als strukturierte und organisierte Gruppe, die arbeitsteilig vorgeht. „Das sind intelligente Menschen, die wissen, wie die Wirtschaft und Menschen ticken“, sagt Martin Radloff, beim Landeskriminalamt in Bremen für Wirtschaftskriminalität zuständig. Der CEO-Fraud ist aber nicht die einzige Masche, die Unternehmen bedroht.

Mittlerweile sind auch Fälle bekannt geworden, in denen sich Betrüger in ein real existierendes Geschäftsverhältnis eingemischt haben. Dabei geben sie sich beispielsweise als Zulieferer eines Unternehmens aus und beziehen sich auf einen Auftrag, den es tatsächlich gibt. In gefälschten und zeitlich gut getimten E-Mails weisen sie die Firma darauf hin, dass sich die Kontoverbindung geändert habe. Das Geld, das eigentlich für den Zulieferer bestimmt war, landet so auf dem Konto der Betrüger – meist im Ausland. Prominentestes Opfer ist bislang wohl die Firma Engelbert Strauss. Der Hersteller von Arbeitskleidung hat auf diese Weise fast 190.000 Euro verloren.

Die Polizei geht davon aus, dass die Täter in solchen Fällen internes Wissen über die Geschäfte haben. „Es gibt viele Schnittstellen, an denen Informationen abgezogen werden können“, sagt Bothe. Dazu gehören etwa Partner- oder Subunternehmen, aber auch Zahlungsdienstleister, die die entsprechenden Infos haben. Auch entlassene Mitarbeiter könnten ein Einfalltor für Wirtschaftskriminelle sein. „Menschen geben aus Flüchtigkeit, Naivität oder reinem Gewinnstreben wichtige Informationen weiter“, sagt Radloff.

Zu diesem Ergebnis kommt auch die Untersuchung von PWC. In 51 Prozent aller Fälle von Wirtschaftskriminalität gibt es demnach auch Täter, die innerhalb des betroffenen Unternehmens arbeiten. Besonders wenn es um Diebstahl oder Unterschlagung, Manipulation von jahresabschlussrelevanten Informationen oder den Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen geht, sitzen die Täter häufig innerhalb des geschädigten Betriebs. Der Großteil – etwa zwei Drittel – arbeitet unterhalb der Managementebene. Das zeigt eine Studie der Wirtschaftsprüfer von KPMG. Danach kommen auch nur rund fünf Prozent aller Täter aus dem Top-Management eines Unternehmens. Auffällig: In 90 Prozent der Straftaten sind die Täter männlich.

Durchschnittlich 1,55 Millionen Euro Schaden

Erschreckend ist auch die Höhe der Schäden, die Kriminelle bei deutschen Unternehmen hinterlassen. Sie liegt laut PWC bei durchschnittlich 1,55 Millionen Euro pro geschädigtem Unternehmen. Bei Konzernen mit mehr als 10.000 Mitarbeitern sind die finanziellen Einbußen sogar fast drei Mal so hoch.

Die Täter zu ermitteln und somit eventuell auch gestohlenes Geld zurückzubekommen, ist nicht immer einfach – besonders, wenn die Täter im Ausland sitzen. „An der Grenze endet auch die Zugriffszuständigkeit der deutschen Polizei“, sagt Radloff. Man könne die ausländischen Behörden lediglich um Rechtshilfe bitten – was meist dauere. Eine Tatsache, die sich die Täter zunutze machen. „Die Betrüger wissen, dass die Eingriffsmöglichkeiten im Ausland begrenzt sind“, so Radloff.

Lesen Sie auch

Polizei setzt auf Prävention

Daher setzt die Polizei auf Prävention. „Der Erfolg hängt aber immer von der Bereitschaft der Unternehmen ab“, sagt Bothe. Denn eine gute Vorsorge bedeutet häufig auch, höhere Kosten und dass interne Prozesse umgestellt werden müssen, beispielsweise das Vier-Augen-Prinzip für Überweisungen, oder dass jede Signatur und jeder E-Mail-Kopf auf seine Echtheit geprüft wird. Dafür gebe es zwar Software, sagt Bothe. „Das menschliche Auge sieht aber häufig mehr.“

Letztendlich bleibt den Ermittlern und den Unternehmen aber häufig nur, die Mitarbeiter vor einer bekannten Masche zu warnen. „Sobald die Täter feststellen, dass Opfer und Polizei sich anpassen, überlegen sie sich aber einen neuen Trick“, sagt Bothe. „Wir sind zum Reagieren verdammt.“

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)