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Energiekrise Wie Preisunterschiede durch Beschaffungskosten bestimmt werden

Die gewaltigen Preisunterschiede bei Gas werden maßgeblich durch die Beschaffungskosten bestimmt. Gute Angebote sind inzwischen rar.
20.09.2022, 16:00 Uhr
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Wie Preisunterschiede durch Beschaffungskosten bestimmt werden
Von Wolfgang Mulke

Preisvergleichsportale sind bei der Suche nach günstigen Tarifen oder Zinsen oft hilfreich. Doch beim Gas jagen die Ergebnisse ihrer Suchmaschinen den Verbrauchern derzeit eher einen Schrecken ein. Bei Verivox liegt das günstigste Angebot für 18.000 Kilowattstunden Erdgas aktuell bei 551,51 Euro – pro Monat. Das ist etwa der Verbraucher eines Vier-Personen-Haushalts. Auf das Jahr gerechnet ergibt das Kosten von mehr als 6800 Euro. Zum Glück gibt es in einer kleinen Spalte daneben auch noch das Vergleichsangebot des örtlichen Grundversorgers. Mit knapp 227 Euro monatlich oder 2724 Euro im Jahr fahren die Kunden dort weitaus besser. Doch gute Tarife gibt es nicht überall.

Der Tarifdschungel auf dem Gasmarkt ist enorm. Es gibt regional große Unterschiede, verschiedene Preise innerhalb eines Versorgungsunternehmens, verwirrende Tarifmerkmale wie etwa die Laufzeit oder Preisgarantien. Wie diese Differenzen zustande kommen, erschließt sich nicht auf den ersten Blick. Eine leichte Erklärung für die gewaltigen Preissprünge zwischen den billigsten und teuersten Tarifen auf den Vergleichsportalen gibt es dagegen schon. „Das ist die Lücke zwischen Bestandskunden und Neukunden“, sagt der Energieexperte von Verivox, Lundquist Neubauer. Wer einen alten Vertrag mit fester Preisbindung hat, bleibt von der aktuellen Gaspreisentwicklung bisher verschont. Beim Neuabschluss von Verträgen müssen sich Anbieter dagegen erst einmal Gas zu den aktuellen Marktkonditionen sichern. Und das ist teuer.

Beschaffung ist größter Kostenanteil

Der Beschaffungspreis ist auch die wichtigste Komponente beim Gaspreis. Im Durchschnitt kostet den Versorger in diesem September eine Kilowattstunde Gas 10,06 Cent. Das entspricht etwa zwei Drittel der Gesamtkosten. Dazu kommen 1,66 Cent für die Durchleitung des Gases im Netz und 2,44 Cent an Mehrwertsteuer. Weitere 1,08 Cent entfallen auf die Konzessionsabgabe der Versorger, Steuern und den CO2-Preis. Zusammen ergibt dies einen Gaspreis von 15,24 Cent pro Kilowattstunde, mehr als doppelt so viel wie vor Jahresfrist. Das ergibt sich aus der Gaspreisanalyse des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW).

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537 Gaspreiserhöhungen von Grundversorgern

Der Durchschnittspreis sagt allerdings wenig über die Preisentwicklung aus, da in der Berechnung auch die günstigen Tarife mit Preisgarantien enthalten sind. Wer heute einen neuen Vertrag abschließen muss, bezahlt deutlich mehr. Zwischen 30 Cent und 40 Cent bewegen sich die Preise pro Kilowattstunde häufig. Und immer mehr der rund 850 Versorger in Deutschland passen ihre Preise an, wie Neubauer feststellt: „Derzeit haben wir 537 Gaspreiserhöhungen von Grundversorgern für Oktober oder November registriert – um durchschnittlich 43 Prozent.“ Für eine Familie mit einem Gasverbrauch von 20.000 Kilowattstunden seien dies jährliche Mehrkosten von 967 Euro.

Es wird noch etwas komplizierter. Denn ab Oktober droht ein weiterer Kostenschub in Form der noch umstrittenen Gasumlage. Sie würde einen weiteren Aufschlag um 2,4 Cent pro Kilowattstunden bedeuten. Zugleich sinkt jedoch die Mehrwertsteuer auf Gas von 19 Prozent auf sieben Prozent. Das senkt den Preis wiederum um etwa 1,7 Cent. Gegen diese Vielfalt der Einflussfaktoren muten die Tickettarife im Nahverkehr wie ein Kinderspiel an.

Keine Entwarnung, trotz sinkender Preise

Nach und nach erreichen die hohen Beschaffungskosten nun die Verbraucher. Dabei sinkt der Börsenpreis für Erdgas derzeit wieder deutlich. Ende August erreichte der Spotmarktpreis an der maßgeblichen Börse in Rotterdam den Rekordwert von 300 Euro pro Megawattstunde. Aktuell wird das Gas für etwa 165 Euro gehandelt. Der Wert schwankt allerdings nach wie vor stark, je nach Verlauf der Ukraine-Krise. Von Entwarnung kann nach Einschätzung der Bundesnetzagentur in ihrem aktuellen Lagebericht keine Rede sein. „Unternehmen und private Verbraucher müssen sich auf deutlich steigende Preise einstellen“, warnt die Behörde.

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Die privaten Haushalte haben kaum Möglichkeiten, sich der allgemeinen Preisentwicklung zu entziehen. Die Unsicherheit über den weiteren Verlauf der Krise ist groß. Verivox rät daher dazu, beim Abschluss von Neuverträgen auf eine kurze Laufzeit mit einer Preisgarantie und einer kurzen Kündigungsfrist von sechs Wochen zu setzen. Dies schütze vor überraschenden Preiserhöhungen.

Es kann auch noch ganz anders kommen, wenn sich die Befürworter eines Preisdeckels beim Gas durchsetzen. In diesem Fall würden Verbraucher den Grundbedarf zu akzeptablen Preisen decken können. Wer viel mehr verbraucht, würde dagegen erheblich teureres Gas kaufen müssen.

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