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Baggergut-Deponie Wohin mit dem Hafenschlick?

Die Verklappung von Hamburger Hafenschlick sorgt seit Jahren für Ärger bei Nordseeanrainern und Umweltschützern. Ein Bremer Bauingenieur hat einen Vorschlag, was mit dem ungeliebten Baggergut passieren könnte.
16.09.2022, 05:00 Uhr
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Wohin mit dem Hafenschlick?
Von Christoph Barth

Mit dem Schlick ist es so eine Sache: Nicht jeder mag ihn, wenn er beim Spaziergang im Watt schmatzend zwischen den Zehen hervorquillt oder man gar knöcheltief darin versinkt. Doch während das nährstoffreiche Feinsediment vor der Küste trotzdem seine Fans hat, hört die Freundschaft beim Hafenschlick auf: Den will niemand vor der Tür haben. Diejenigen, die von Berufs wegen damit umgehen müssen, sprechen deshalb lieber von "Baggergut". Aber bei der Suche nach einem passenden Lagerort für den Modder aus Hafenbecken, Fahrrinnen, Schleusenkammern und Dockgruben hilft der Marketingtrick nur bedingt weiter.

Stefan Woltering betrachtet den Hafenschlick mit dem nüchternen Interesse eines Bauingenieurs. "So lange wir Häfen betreiben, fällt auch Baggergut an", stellt der Geschäftsführer des Bremer Bau- und Beratungsunternehmens Zech International fest. "Und wenn wir den Betrieb von Häfen nicht grundsätzlich infrage stellen, müssen wir uns auch mit dem Thema befassen, wie wir dieses Baggergut entsorgen wollen." Dafür hat er jetzt einen Vorschlag in die Diskussion eingebracht, der eigentlich nicht neu ist: eine Unterwasserdeponie in der Nordsee nach niederländischem Vorbild.

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Wie viel Schlick fällt in den Häfen an?

Besonders betroffen ist Hamburg: Die offenen Becken und verzweigten Kanäle des Elbhafens sind eine Schlickfalle. In den letzten 20 Jahren ist die Menge des Baggerguts von zwei Millionen Kubikmetern im Jahr auf mittlerweile über zehn Millionen angewachsen. In Bremen und Bremerhaven, wo ein Teil der Häfen hinter Schleusen liegt, fallen jährlich 400.000 Kubikmeter an.

Ist der Hafenschlick mit Schadstoffen belastet?

In unterschiedlichem Maß. Durch das Verbot bestimmter Schiffsfarben und andere Umweltauflagen hat sich die Belastung in den letzten Jahren verringert, aber die Rückstände von Werften, Industrie und Landwirtschaft finden sich weiter im Sediment. Gering belasteter Schlick darf in der Nordsee verklappt werden, höher belasteter Schlick muss an Land entsorgt werden. Das Thema bleibt ein ständiger Streitpunkt zwischen Umweltschützern und Behörden.

Was passiert mit dem ausgebaggerten Schlick?

In Hamburg wird rund die Hälfte des Baggerguts am Rande des Hafens in die Elbe gekippt. Das Problem ist: Von dort treibt es schnell wieder in die Hafenbecken zurück. "Kreislaufbaggerei" nennen die Fachleute das ständige Hin und Her – eine Sisyphos-Arbeit. Deshalb bemüht sich die für die Hafenunterhaltung zuständige Hamburg Port Authority (HPA) seit Jahren, einen möglichst großen Teil des ausgebaggerten Schlicks weit weg in die Nordsee zu bringen. Seit 2005 steuern die Bagger und Schuten eine Klappstelle vor der Elbmündung an, rund 50 Kilometer von Cuxhaven entfernt bei der Tonne E3. Weil die Kapazitäten dort erschöpft sind, ist eine zweite Klappstelle nördlich von Scharhörn vorgesehen, also erheblich näher an Cuxhaven. Mittelfristig strebt die HPA die Verklappung des Schlicks weit draußen in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) an, rund 20 Kilometer nordwestlich von Helgoland.

Wo bleibt der Bremer Schlick?

Die Hafengesellschaft Bremenports betreibt im Bremer Ortsteil Seehausen eine eigene Baggergutdeponie, die im Schnitt 150.000 Kubikmeter Schlick im Jahr aufnimmt. Der Schlick wird dort getrocknet und so im Volumen erheblich reduziert. Was übrig bleibt, wird entweder im Deponie- oder Deichbau verwendet oder auf der Deponie abgelagert. Einen weniger mit Schadstoffen belasteten Teil des Hafenschlicks entsorgt Bremenports an zwei genehmigten Klappstellen in der Außenweser. Bei besonders großem Bedarf wurden auch schon Deponien in den Niederlanden oder am Niederrhein in Anspruch genommen.

 

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Welche Alternativen gibt es?

Hier kommt der Vorschlag des Zech-Geschäftsführers Woltering ins Spiel. Seiner Ansicht nach sind die Entsorgungsmöglichkeiten für belasteten Hafenschlick nahezu erschöpft. Und in der Nordsee habe der Schlick, egal ob belastet oder unbelastet, ohnehin nichts verloren. Deshalb hat er einen alten Vorschlag aus der Schublade geholt: eine Unterwasserdeponie vor der Küste. Vorbild sind dabei niederländische Schlickdepots wie "De Slufter" an der Maasmündung, wo seit 1987 der Rotterdamer Hafenschlick entsorgt wird. Im Prinzip handelt es sich dabei um ein Baggerloch im Meeresboden, das mit einem Ringdeich eingefasst wird. In dieses Becken kann dann der Hafenschlick eingespült werden, ohne mit dem Meer rundherum in Kontakt zu geraten. Ist das Depot voll, kommt eine Lage Sand drüber und eine künstliche Insel entsteht.

Wo könnte solch eine Deponie entstehen?

Als möglichen Standort sieht Woltering die Nordsee vor Scharhörn, "natürlich außerhalb des Nationalparks Wattenmeer", versichert er. Dort wäre Platz für mehrere Becken mit einem Fassungsvermögen von insgesamt 125 bis 150 Millionen Kubikmetern, kalkuliert er: "Das brächte Entsorgungssicherheit für 15 bis 25 Jahre, vielleicht sogar mehr, und würde die Verklappung von belastetem Schlick in der Nordsee gänzlich vermeiden."

Wie wird der Vorschlag aufgenommen?

Wie fast alles, was mit Hafenschlick zu tun hat: reserviert bis ablehnend. Vor allem in Cuxhaven will niemand etwas mit dem Hamburger Hafenschlick zu tun haben. Bremenports-Geschäftsführer Robert Howe sieht keinen Bedarf für eine Baggergutdeponie im Wattenmeer: Die Kapazitäten in Seehausen reichten noch für rund 30 Jahre. Ein Ersatz für die umstrittene Verklappung in der Nordsee wäre die Deponie ohnehin nicht: "Für weitgehend unbelastete Böden, die heute verklappt werden dürfen, baut man keine Deponie", sagt er. "Dafür gäbe es gar keine Genehmigung."

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