Der Bremer Senat will noch vor den Wahlen die Planungen für ein Nachfolgeprojekt zum gescheiterten Offshore-Terminal OTB in Bremerhaven auf den Weg bringen. Das kündigte Häfensenatorin Claudia Schilling (SPD) am Montag an. Mit dem geplanten "Energy Port" solle Bremerhaven "wesentlich zum Gelingen der Energiewende und auch zur künftigen Versorgungssicherheit in Deutschland beitragen".
Das Häfenressort hatte im vergangenen Jahr bei der Hamburger Beratungsfirma Hanseatic Transport Consulting eine Studie zu den Potenzialen des südlichen Fischereihafens als Hafen für die Energiewende in Auftrag gegeben. Das Ergebnis ließ länger auf sich warten als geplant; im Häfenressort ging mittlerweile keiner mehr davon aus, dass noch vor den Wahlen Beschlüsse zu dem Thema gefasst werden würden.
Doch nun soll es auf einmal sehr schnell gehen. Das Ergebnis der Studie bestätige, dass der südliche Fischereihafen ein "riesiges Potenzial" habe, so Schilling. Dazu gehören nach Auffassung der Gutachter der Umschlag von Wasserstoff, die Produktion umweltfreundlicher Treibstoffe oder Batterien, die Montage von Bauteilen für Windräder und auch das Recycling ausgedienter Anlagen. Um all diese Potenziale zu nutzen, empfehlen die Autoren der Studie den Bau einer Pier oder einer Kaje vor dem Weserdeich – ähnlich wie beim gescheiterten Offshore-Terminal OTB.
"Das ist eine historische Chance von nationaler Bedeutung, die wir nutzen müssen", sagte Schilling gegenüber dem WESER-KURIER. Deshalb werde sie dem Senat vorschlagen, die staatliche Hafengesellschaft Bremenports "mit den konkreten Planungen für einen Energy Port zu beauftragen". Der Beschluss soll noch im April gefasst werden.
Die Studie war mit Spannung erwartet worden, weil Bremerhaven nach dem gerichtlichen Aus für den OTB beim Thema Energiewende mit (fast) leeren Händen da steht. Zwar gibt es unter dem Projektnamen "Lune Delta" Pläne für ein grünes Gewerbegebiet im Süden des Fischereihafens. Aber ohne Wasseranschluss fehlt diesem das entscheidende Merkmal, mit dem andere Hafenstandorte punkten. Im Häfenressort wollte man sich deshalb nach der juristischen Niederlage im OTB-Verfahren nicht geschlagen geben: Mit einer "Potenzialstudie Südlicher Fischereihafen" ließen die Hafenplaner untersuchen, was in Sachen Green Economy für Bremerhaven noch drin ist.
200 Hektar mit Wasseranschluss
Das Ergebnis überzeugt die Befürworter des "Energy Ports": "Im südlichen Fischereihafen stehen umfangreiche Entwicklungsflächen zur Verfügung, die sich grundsätzlich für die Ansiedlung beinahe aller Nutzungsformen im Sinne der Energiewende eignen", heißt es im Fazit der knapp 150-seitigen Studie. 200 Hektar Gewerbe- und Industriegebiet, per Schiff, Bahn und Lkw erreichbar – das sind die Vorzüge, die die Gutachter besonders herausstreichen: "Es bestehen kaum Anforderungen, denen nicht entsprochen werden kann", versichern sie. Durch die Transformation in vielen Branchen – also die Umstellung auf klimaneutrale Treibstoffe und Produktionsverfahren – ergäben sich "hinreichend Chancen für neue Standorte wie den südlichen Fischereihafen".
Als Beispiele führt die Studie unter anderem auf: Lagerung, Montage und Umschlag von Bauteilen für Offshore-Windräder, Umschlag von Wasserstoff – zum Beispiel für die Bremer Hütte; die Produktion umweltfreundlicher Treibstoffe wie Methanol oder E-Fuels, die Produktion von Lithiumhydroxid für Batterien und die Herstellung von Brennstoffzellen, das Recycling von Batterien, Windkraftanlagen oder sogar ganzen Schiffen. Voraussetzung: Die "benötigten infrastrukturellen Rahmenbedingungen" werden geschaffen. Was darunter zu verstehen ist, führen die Autoren auf den Seiten 107 bis 109 ihrer Studie auf. Die Planskizzen, die dort zu sehen sind, dürften Befürwortern und Gegnern des OTB bekannt vorkommen: Von einer dem Deich vorgelagerten Pier (Jetty) bis zu einem kompletten Terminal reichen die Ausbauvarianten.
Der Anleger vor dem Deich soll nach dem Willen des Häfenressorts nun kommen: Mit 15 Hektar Fläche etwas kleiner als der OTB, aber genau wie dieser in einem Wattgebiet am Weserufer gelegen, das nach der europäischen Flora-Fauna-Habitat-Richtline (FFH) unter Naturschutz steht. Aus diesem Grund hatte der Umweltschutzverband BUND gegen den Offshore-Terminal geklagt – mit Erfolg. Trotzdem hofft das Häfenressort auf einen "neuen gemeinsamen Anlauf" mit den Naturschutzverbänden. Gleichzeitig jedoch soll die Genehmigung nach dem beschleunigten Verfahren erfolgen, das die Bundesregierung für den Bau von Anlagen für die Energiewende vorgesehen hat – dafür will Schilling im Bundesrat die Initiative ergreifen.
Der Bund soll sich auch an den Kosten beteiligen: Auf mehr als eine halbe Milliarde Euro veranschlagen die Gutachter die Herrichtung von Gewerbeflächen und Schiffsanlegern. Häfensenatorin Schilling: "Aus meiner Sicht ist völlig klar bei einem Vorhaben dieser Dimension: Ohne die Unterstützung des Bundes geht es nicht."