Butter, Kameras, Parkplatzmieten – im vergangenen Jahr verteuerten sich nicht nur die Energiepreise überdurchschnittlich. Insgesamt mussten die Deutschen 3,1 Prozent mehr für die Lebenshaltung ausgeben als 2020, wie das Statistische Bundesamt vorläufig errechnet hat. Im November und Dezember lag die Inflationsrate sogar über fünf Prozent. Für 2022 erwarten Experten deutlich niedrigere Werte. Allerdings werden die Preise weiter kräftig steigen.
„Der Wert von 5,3 Prozent im Dezember war aus meiner Sicht der Höhepunkt“, sagt Friedrich Heinemann, Wirtschaftsforscher am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim und Spezialist für öffentliche Finanzen und den Euro. Im November hatte die Teuerung 5,2 Prozent betragen. Heinemann schätzt, dass die Inflationsrate in Deutschland in diesem Jahr bei drei bis 3,2 Prozent liegen wird. Der Bankenverband war zuletzt etwas optimistischer: Präsident Christian Sewing hatte Ende des Jahres von 2,5 bis drei Prozent gesprochen.
Schon im Januar und Februar wird die Inflationsrate nach Ansicht des ZEW-Experten allein aus statistischen Gründen sinken – also, ohne dass sich die Preise tatsächlich verändern. „So entfällt der Mehrwertsteuereffekt. Als Soforthilfe nach dem Ausbruch der Pandemie war die Mehrwertsteuer 2020 teilweise gesenkt. Anfang 2021 stieg sie wieder. Das schlug sich rechnerisch bis Ende 2021 in den Jahresteuerungsraten nieder“, erklärt Heinemann.
Welche Preise in Zukunft voraussichtlich weiter steigen werden
Ein zweiter statistischer Effekt, der aus Heinemanns Sicht allerdings langsamer verschwindet: „Nach dem Ausbruch der Pandemie waren die Energiepreise 2020 zeitweise kräftig gefallen. Damals näherten sich etwa die Spritpreise der Ein-Euro-Marke. Inzwischen sind die Energiepreise wieder auf ein hohes Niveau gestiegen.“
Und sie werden wohl weiter steigen, vor allem die Strompreise. „Bereits jetzt haben sich die Preise an den Strombörsen verfünffacht“, sagt Heinemann. Hier zeige sich eine Folge der Energiewende: Der Strombedarf steige, das Angebot wachse nicht so schnell wie die Nachfrage. „Zudem verteuert die CO2-Abgabe der alten Bundesregierung die Energie weiter.“ Die neue Bundesregierung hat bereits angekündigt, daran nichts zu ändern.
Die Teuerung treiben könnten auch Lohnabschlüsse. Heinemann sagt: „Die Kaufkraft der Beschäftigten schwindet angesichts der hohen Inflationsraten, entsprechend könnten sie deutlich mehr Geld fordern als sonst in einer Lohnrunde.“ Zudem mache sich der Fachkräftemangel bemerkbar, Unternehmen würden mehr Lohn zahlen, um an Personal zu kommen.
Die im Vergleich zu den Vorjahren deutlich höhere Inflation in Deutschland schlägt auch auf die Euro-Zone durch: „Die Inflationsrate in der Euro-Zone wird 2022 über dem Zielwert der Europäischen Zentralbank von gut zwei Prozent liegen“, sagte Heinemann, „schon weil Deutschland ein hohes Gewicht hat.“ Die Notenbank müsste also eingreifen. Üblicherweise würde sie die Zinsen anheben. Doch die EZB stecke in einem Dilemma, sagt Heinemann: „Auf dem Papier ist es ihre Aufgabe, die Inflation zu bekämpfen. Andererseits beschwört sie eine Schuldenkrise in einigen Ländern herauf, wenn sie die Zinsen anhebt.“ Denn die Zentralbank müsse für Länder in der Krise Geld bereitstellen. „Inflationsbekämpfung ist in einer solchen Phase schwierig.“
Die EZB hat bereits im vergangenen Jahr angekündigt, die Zinsen nicht anheben zu wollen. Derzeit liegt der Leitzins bei 0,0 Prozent, Banken müssen für ihre Einlagen bei Notenbank sogar Strafzinsen zahlen. Zudem flutet die Zentralbank die Märkte mit Geld, in dem sie Staats- und Unternehmensanleihen am Markt kauft.
Jeden Monat ermittelt das Statistische Bundesamt die Preise eines Warenkorbs, der 650 Produkte enthält – von losen Eiern über Lippenstifte bis zu Mobiltelefon, von Autoreparatur über Nettokaltmiete bis zu Kilowattstunde Strom. Der Warenkorb soll die durchschnittlichen Ausgaben eines durchschnittlichen Haushalts abbilden. Die Statistiker vergleichen die Preise mit denen von einem Jahr vorher und berechnen, wie sie sich verändert haben.
Jedes Produkt geht mit einem bestimmten Gewicht ein. Eier etwa mit 0,00143 Prozent, Strom mit 0,02592 Prozent. Daraus errechnet sich dann die durchschnittliche Teuerungsrate. Weil Energiepreise ein großes Gewicht haben, verändern höhere Werte die Inflationsrate stärker als etwa bei Eierpreisen.