5.35 Uhr. Im Radio läuft Cat Stevens. "Morning has broken". Auf diesen Sonnenaufgang dürften viele Menschen besonders gewartet haben. Seit Mitternacht greift der Rabatt auf Benzin und Diesel.
An vielen Tankstellen in Bremen ist die Lage am Mittwochmorgen jedoch ruhig – keine Schlangen vor der Zapfsäule. Die Bremerinnen und Bremer schlafen offenbar noch. Um 6 Uhr gibt es selbst am Stern keinen Stau. An der Esso warten in dieser Morgenruhe alle Tanksäulen geduldig auf Abnehmer.
Vielleicht haben die Autofahrer auf die Experten gehört? Die rechneten im Vorfeld damit, dass die Preise nicht sofort fallen werden, sondern erst mit Verzug. Die Tankstellen verkauften zunächst nämlich noch den teurer eingekauften Sprit. Also Geduld für den Geldbeutel.
Wo liegen die Spritpreise?
Dann geht es zur Freude einiger Autofahrer doch schneller: An den Tankstellen zeigt die Steuersenkung Wirkung – mit Literpreisen unter zwei Euro. An der Bremer Tankstelle Orlen in der Hollerallee lag der Liter Super E10 am Dienstag zeitweise bei 2,16 Euro und der Diesel bei 2,04 Euro. Am Mittwoch in der Frühe kostete Super E10 1,89 Euro und der Diesel 1,97 Euro. Die Tankstelle von Hoyer am Hansator rief am Mittwochmorgen für Diesel 1,96 Euro auf und für Super E10 1,86 Euro. Am Vorabend kosteten beide Treibstoffe mehr als zwei Euro.
Bundesweit war dieser Effekt zu sehen. Das zeigen Angaben des ADAC: E10 sei zum Stichzeitpunkt 9.50 Uhr um rund 30 Cent pro Liter billiger als 24 Stunden zuvor mit im Schnitt 1,88 Euro pro Liter. Und Diesel mit 1,94 Euro fiel um rund 14 Cent günstiger aus. „Die Senkung heute Morgen ging schneller als erwartet. Das ist schon mal ein guter Schritt in die richtige Richtung“, sagt der Experte des ADAC Christian Laberer. Allerdings: „In den Preisen ist immer noch sehr viel Luft nach unten.“ Inklusive Mehrwertsteuer beträgt die Entlastung bei E10 35,2 Cent pro Liter, bei Diesel 16,7 Cent.
Die Tankstellen verzeichneten am Mittwoch mehr Nachfrage. Das berichtete der Chef des Bremer Mineralölhandels (BMÖ) Ronald Rose. Die Preise seien deutlich gesunken: "Die Dynamik ist im ganzen Markt vorhanden." Zum Unternehmen von Rose gehören 36 Tankstellen. Am Vorabend sah der Geschäftsführer die Standorte bereits gut vorbereitet: "Unsere Stationen sind voll."
Was erwarteten die Kunden?
Mittagszeit bei der Tankstelle von BMÖ beim Weserpark. Nilgün Cilingir ist die Freude an der Zapfsäule anzusehen. Die Bremerin hat ihren Wagen vollgetankt. "Das gönne ich mir", sagt die junge Frau aus Walle. Wobei die Entlastung unterm Strich auch nicht riesig sei. Kunde Christoph König tankt ebenfalls bis zum Limit, ist aber nicht gezielt wegen des Rabatts gekommen. Die Familie lege viele Wege mit dem Rad zurück. "Wir fahren relativ wenig mit dem Auto", sagt König. "Damit erledigen wir vor allem Einkäufe. Ich war gerade noch im Baumarkt."

Christoph König kam zur Tankstelle, weil es gerade passte – und nicht wegen des Stichtags für die Steuersenkung.
Die Zapfpistolen werden jetzt kaum kalt. "Jede Säule war besetzt", berichtet die Chefin der Station, Christiane Borstorf, über die bisherige Nachfrage am Mittwoch. "Wir sind von der Kasse gar nicht weggekommen. Sonst räumen wir noch nebenbei Ware ein. Dafür war heute überhaupt keine Zeit." Zum Feierabend geht Borstorf von noch mehr Kundschaft aus: "Dann wird sich das hier ganz schön füllen." In der vergangenen Woche habe es dafür Zurückhaltung gegeben. Kunden tankten teils für zehn oder 20 Euro.
Brigitte Lorenz versorgte ihren Mercedes am Wochenende auch nur notgedrungen mit ein bisschen Treibstoff. Auf die Steuersenkung hat die Rentnerin gewartet: "1,89 Euro für Super ist schon eine gute Hausnummer." Die Spritpreise seien eine deutliche Belastung: "Wir überlegen uns jede Fahrt." Ein wenig später tankt Kunde Semo Yalcin. Er fragt sich generell angesichts der Inflation: "Wo soll das alles noch hinführen?" Aus seiner Sicht nutzen einige den Krieg in der Ukraine und Corona als Ausrede, um die Preise zu erhöhen. Er schüttelt den Zapfhahn ab. Voll ist sein Tank noch nicht – wegen der Teuerungen.
Kundin Bärbel Richter steht an einer der anderen Tanksäulen. An sich fahre sie gerne Auto. Aus Klimagründen und wegen der Preise habe sie sich aber eingeschränkt: "Ich fahre nicht mehr viel." Wegen Pfingsten sei sie heute hergekommen. Vielleicht verreise sie noch.

Bärbel Richter erwägt eine Reise an Pfingsten und tankte deshalb am Mittwoch bei BMÖ. Generell sagt sie: "Ich fahre nicht mehr viel."
Wann lohnt sich das tanken?
Vergleichsportale machen es möglich, auf einen Blick die Spritpreise in der Stadt zu sehen. Experte Ronald Rose von BMÖ rät Autofahrern jedoch, nicht so sehr auf einzelne Tankstellen zu schauen, weil die Preise dort recht ähnlich seien. Teils gehe es nur um wenige Momente, in denen Preise an einem Standort niedriger seien, dann zögen die Wettbewerber nach. "Dann rollt sich der Preis über das ganze Stadtgebiet aus", so Rose. Wichtig sei, zur richtigen Zeit zu tanken. Abends seien die Preise meist am günstigsten, sagt Standortleiterin Christiane Borstorf: "Je später, desto besser."
Wie die Reise weitergeht? Die Steuersenkung könnte laut Rose derweil auch dazu führen, dass die Nachfrage steigt und damit wiederum die Preise anziehen.
Wie hoch war der Anstieg zuvor?
Eine Auswertung von Clever Tanken zeigt, dass die Spritpreise vor der Senkung der Steuer im Mai deutlich stiegen – Bremen liegt dabei im Städtevergleich vorne. „Während der Dieselpreis im Monatsverlauf weitestgehend leicht gefallen ist, ging es für Super E10 konstant aufwärts. Unmittelbar vor dem Start des von der Bundesregierung beschlossenen temporären Tankrabatts haben die Preise dann für beide Kraftstoffsorten noch einmal spürbar angezogen“, äußert sich der Geschäftsführer von Clever Tanken Steffen Bock. Im Schnitt zahlten Autofahrer im Mai 495,82 Euro für vier Tankfüllungen von 60 Liter Super E10. Bremen rangiert mit Kosten von rund 502,80 Euro an der Spitze.