Die deutsche Industrie sieht sich im Krisenmanagement wegen des Coronavirus gerade Konflikten in den Betrieben ausgesetzt. Anderswo mag es gelingen, viele Arbeiten vom Homeoffice aus zu organisieren. Doch das funktioniert nicht, wo ein großer Teil der Beschäftigten am Band steht und montiert. So ist es bei den Autoherstellern. Natürlich sorgt es für Unmut in der Belegschaft, wenn ein Teil der Mitarbeiter den Dienst von der eigenen Wohnung aus verrichten kann, der andere dagegen dem täglichen Infektionsrisiko in der Produktionshalle ausgesetzt ist.
Auch deswegen lassen Daimler, Volkswagen und andere Hersteller die Fertigung in ihren europäischen Werken erst einmal ruhen. Eine ganze Branche, so hat es den Eindruck, legt eine Zwangspause ein. Dreierlei kommt zusammen: Zulieferer fallen aus, Bandarbeiter machen sich Sorgen, dazu kommt der abermals eingebrochene Automarkt. Da ist im Moment nicht viel zu machen. Zumal in einer Industrie, die wie wenig andere von einer zuverlässigen Teileversorgung durch ein weites Netz von internationalen Zulieferern angewiesen ist.
Dieses Jahr werden die Konzerne abschreiben müssen. Eine weltweite Rezession gilt längst als eingepreist, der beispiellose Einbruch an den Aktienmärkten hat es gezeigt. Unklar ist eigentlich nur noch, wie heftig sie ausfallen wird. Sämtliche Pläne für den Absatz und die Gewinne sind Makulatur. Mehr noch: Überhaupt irgendwelche Pläne anzupassen oder aufzustellen, ist den Konzernzentralen in der momentanen Situation nicht mehr möglich. Nicht zuletzt, weil sich auch die Antworten der EU-Staaten auf die Coronakrise und das Ausmaß der Konjunkturhilfen aktuell nicht kalkulieren lassen.
VW produziert in China wieder
Immerhin, es gibt Hoffnungszeichen. In fast allen VW-Fabriken in China ist die Produktion inzwischen wieder angelaufen. Nach und nach werden die Schichten ausgeweitet. Dass sich die Fertigung im größten Automarkt der Welt zu normalisieren beginnt, darf getrost auf der Positivseite verbucht werden. Wenn das Krisenmanagement stimmt, so kann man die Erfahrungen aus Asien interpretieren, sind die fraglos gravierenden Auswirkungen der Pandemie in den Griff zu bekommen. Wie gut das auch in Europa gelingt, wird sich indes erst noch zeigen müssen.
Geht es um Staatshilfen für strauchelnde Betriebe und Branchen, dürfte der Faktor Zeit nun entscheidend sein. Zu bedenken ist, dass Großkonzerne einen ganz anderen Atem haben als der Mittelstand oder gar Einzelunternehmer. Daimler verkraftet es, wenn für ein paar Wochen die Bänder in Europa stillstehen. Bislang will die Bundesregierung mit der Entscheidung über ein mögliches großes Konjunkturpaket offenbar bis nach Ostern warten. Diese Zeit haben viele Kleinbetriebe nicht. Sie brauchen jetzt Geld. Auch die Autoindustrie besteht aus weitaus mehr Firmen als Daimler, BMW und Co.