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Verkehrsplanung Wo in Bremen Tempo-30-Zonen fehlen

Um die Sicherheit zu erhöhen, sollen vor Kitas, Seniorenheimen und Schulen in Bremen Tempo-30-Zonen entstehen. In 90 Prozent der Fälle ist das passiert. Was Verbände und Initiativen trotzdem kritisieren.
14.11.2021, 19:15 Uhr
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Wo in Bremen Tempo-30-Zonen fehlen
Von Pascal Faltermann

Das Ziel ist definiert. Vor Kitas, Seniorenheimen und Schulen sollen in Bremen Tempo-30-Zonen entstehen. Weil das aber noch nicht flächendeckend der Fall ist, gibt es Kritik. Verbände und Initiativen aus Bremen fordern, dass das Tempolimit lückenlos umgesetzt und teilweise ausgeweitet wird. Das Bremer Verkehrsressort hält dagegen, dass mittlerweile von etwa 800 Einrichtungen circa 720 Einrichtungen durch Tempo 30 geschützt sind. "Damit stehen wir im Vergleich mit anderen Städten ziemlich gut da, 90 Prozent sind sehr vorzeigbar", sagt Ronny Meyer (Grüne), Staatsrat im Verkehrsressort. Es bleiben also 80 Standorte, die noch geprüft werden. Um diese Bereiche und Tempo 30 im Allgemeinen gibt es eine Debatte. 

Die Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 Kilometer pro Stunde vor sozialen Einrichtungen in Bremen ist lange geplant. 2015 stand sie im rot-grünen Koalitionsvertrag, auch in der aktuellen Vereinbarung sind die Zonen enthalten, die Strecken wurden stufenweise seit dem Frühjahr 2019 angelegt.

Vertreter der Verbände Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club (ADFC), Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), Bürgerinitiative Neustadt, Fachverband Fußverkehr (FUSS) und Verkehrsclub Deutschland (VCD) kritisieren den derzeitigen Sachstand. Es sei längst wissenschaftlich nachgewiesen, dass sich die Zahl der Unfälle bei Tempo 30 drastisch reduziere, heißt es in einer Mitteilung. 

In Woltmershausen machten die Organisationen an zwei Standorten – zwischen zwei Kindergärten und am Martinshof - mit einer Aktion auf das fehlende Tempolimit aufmerksam: Sie legten dort künstliche Zebrastreifen aus. „Die Sicherheit von Schul- und Kita-Kindern muss mehr Wert haben, als 500 Meter mit Tempo 50 fahren zu können“, so Angelika Schlansky vom Fußverkehrsverein. 

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ADFC-Geschäftsführer Sven Eckert ergänzt: „Eine Temporeduzierung auf 30 Stundenkilometer vermindert die Geschwindigkeitsunterschiede zwischen KFZ- und Radverkehr erheblich." Das sei nicht nur ein Gewinn in der gefühlten Sicherheit, sondern auch eine lebensrettende Maßnahme, denn mit Tempo 30 betrage der Anhalteweg nur noch die Hälfte. Daher sei Tempo 30 auf allen Strecken, auf denen der Radverkehr zusammen mit dem Autoverkehr geführt werde, ein „Muss“ – alles andere stehe dem im Koalitionsvertrag vereinbarten Ziel der Vision Zero entgegen. Bisher laute das Argument noch zu häufig, dass der öffentliche Nahverkehr (ÖPNV) durch Tempo 30 zu sehr ausgebremst werden würde. Dazu sagt Martin Rode, Geschäftsführer des BUND: „Eine Temporegulierung ist mit dem ÖPNV vereinbar. Die Verkehrswende muss vorangetrieben werden.“

Aus dem Amt für Straßen und Verkehr (ASV) heißt es dazu, dass nach der Straßenverkehrsordnung im Ausnahmefall darauf verzichtet werden kann, die Geschwindigkeit zu reduzieren, wenn es den ÖPNV negativ beeinflussen könne. Also wenn sich die Fahrzeiten deutlich verlängern und dadurch mehr Fahrzeuge und Personal erforderlich sind. Im Falle der Buslinie 24 sei dies der Fall, da eine Tempo-30-Anordnung vor 14 Einrichtungen im Linienverlauf (Woltmershausen, Neustadt, Mitte, Schwachhausen, Vahr) entsprechende Auswirkungen hätten. Heißt: Die Geschwindigkeit wird dort nicht reduziert. Man prüfe alternative Maßnahmen, um die Verkehrssicherheit zu erhöhen, so das ASV.

Einen anderen Standort im Bremer Osten kritisiert Verkehrspolitiker Ralph Saxe (Grüne). Für die Fragestunde der Stadtbürgerschaft am Dienstag hat er nachgefragt, warum vor der Ameos-Klinink, einer Fachklinik für Psychiatrie mit 206 Betten in der Rockwinkler Heerstraße, bislang kein Tempolimit umgesetzt wurde. Der Senat antwortet darauf, dass dort die BSAG-Buslinien 33 und 34 fahren und Tempo 30 zu "spürbaren Zeitverlusten" für den Betrieb beider Linien zur Folge hätte. Auch Ampeln oder andere Querungshilfen seien im Bereich der Ameos-Klinik aufgrund beengter Verhältnisse und mehrerer dicht aufeinander folgender Grundstückszufahrten nicht möglich. 

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Mit der Antwort will sich der Grünen-Politiker nicht zufriedengeben. "Dort muss etwas gemacht werden", sagt Saxe. In der Klinik seien Menschen in psychischen Ausnahmesituationen, die an der Straße geschützt werden müssten. Auch an anderen Stellen sollte geprüft werden, welche Alternativen es zu Tempo-30-Zonen gebe, um die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Der Bremer Osterdeich zum Beispiel ist ein Flickenteppich, was das Tempo angeht. Die Beiräte Mitte, Östliche Vorstadt und Hemelingen fordern durchgängig Tempo 30. Dort ist laut ASV zu prüfen, ob aus Lärmschutzgründen eine Temporeduzierung angeordnet werden kann. 

"Tempo 30 ist die richtige Geschwindigkeit in Städten", sagt Staatsrat Meyer. Das sei nicht nur aus Gründen der Verkehrssicherheit wichtig. Zudem würde sich der Verkehrslärm reduzieren und die Belastung der Luft durch Schadstoffe geringer werden. Derzeit fehle aber die gesetzliche Grundlage, um dies flächendeckend umzusetzen. Deswegen brauche es auf Bundesebene eine neue Regelung in der Straßenverkehrsordnung, wofür sich Senatorin Maike Schaefer (Grüne) als Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz einsetze. Das funktioniert laut Meyer entweder, indem Tempo 30 zur innerörtlichen Regelgeschwindigkeit wird. In diesem Fall müssten dann Tempo-50-Bereiche beantragt und genehmigt werden. Oder aber, indem Parameter wie Sicherheit, Lärm, Umwelt und Klima Vorrang genießen vor der „Leichtgängigkeit des Verkehrs“, wie sie derzeit im Gesetz vorgesehen ist. Klar sei aber auch, dass es Ausnahmen geben werde wie auf großen Ein- und Ausfallstraßen, wo man dann weiter mit 50 km/h fahren könne, so Meyer. 

Derzeit ist es so, dass für die Einrichtung von Tempo-30-Strecke immer konkrete Gründe wie die Nähe zu Schulen oder ein hohes Fußgängeraufkommen vorliegen müssen. Bei den rund 80 Fällen, bei denen derzeit ein Tempolimit geprüft wird, sind möglicherweise auch andere verkehrsberuhigende Maßnahmen möglich. "Wir können uns gut vorstellen, dort zum Beispiel Metallbügel als Abgrenzung zur Straße, zu Ampeln oder Zebrastreifen umzusetzen", sagt Meyer.

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Regelgeschwindigkeit

Die Forderung nach 30 km/h als Regelgeschwindigkeit in geschlossenen Ortschaften ist kein neues Thema. Zahlreiche Organisationen haben bundesweit ein solches Tempolimit gefordert. Der Deutsche Städtetag plädiert beispielsweise für Modellversuche, um Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit außerhalb von Hauptstraßen auszuprobieren. Die Deutsche Umwelthilfe erneuert diese Forderung immer wieder. Auch das Deutsche Kinderhilfswerk spricht sich dafür aus. In Spanien gilt seit Mitte des Jahres in Städten maximal Tempo 30, ebenso auch in einigen französischen Städten. Allen geht es dabei um die Verkehrssicherheit und damit weniger Unfälle. Der ADAC und seine Mitglieder sprechen sich gegen Tempo 30 innerorts aus, unter anderem, weil das Tempolimit zu Ausweichverkehren führen könne.  

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