Für betroffene Pendler und Reisende ist es ein Riesenärgernis: Immer öfter fallen in Niedersachsen Regionalzüge aus, weil Lokführer fehlen. Eingebettet in das Flächenland, ist Bremen von Ausfällen besonders betroffen. Allein in den ersten fünf Monaten dieses Jahres wurden 7850 Züge ungeplant gestrichen; damit fielen rund 300.000 Zugkilometer aus. Im gesamten Jahr 2018 waren es 560.000 Kilometer. Fast die Hälfte der Ausfälle 2019 geht auf ein Konto: Personalmangel bei den Eisenbahnen. Das ergibt sich aus einer Antwort des niedersächsischen Wirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der Grünen-Landtagsfraktion. Deren Abgeordneter Detlev Schulz-Hendel fordert die SPD/CDU-Regierung auf, mehr Druck auf die Unternehmen auszuüben und eine Ausbildungsinitiative zu starten, um neue Lokführer zu gewinnen.
42,2 Prozent „fehlende Triebfahrzeugführer“ listet das Zahlenwerk des Ministeriums als Hauptursache für die ungeplanten Zugausfälle auf, bei denen man meist keinen Schienenersatzverkehr mit Bussen mehr organisieren kann. In 22,2 Prozent waren defekte Fahrzeuge schuld, der Grund lag also ebenfalls im Verantwortungsbereich der Betreiber. „Gefährliche Ereignisse durch Dritte“ wie Vandalismus (9,9 Prozent), „Störungen der Infrastruktur“ wie kaputte Weichen (8,8 Prozent) oder „externe Einflüsse“ wie Witterung oder „Personen im Gleis“ (7,5 Prozent) spielen dagegen eine eher kleine Rolle.
Zu den ungeplanten Ausfällen kamen von Januar bis Mai rund 13.950 baustellenbedingte Streichungen. „Die Landesregierung verfolgt die zunehmende Zahl von Zugausfällen und –verspätungen mit Sorge“, heißt es in der Antwort des Ministeriums von Ressortchef Bernd Althusmann (CDU). Die regionalen Unternehmen leiden offenbar auch unter einer massiven Abwerbekampagne der Bahn AG, die Lokführer offenbar mittels hoher Wechselprämien von der Konkurrenz weglockt.
13 Unternehmen bedienen die Bahnstrecken in Bremen und Niedersachsen. Die DB Regio etwa bietet über das Bremer Expresskreuz die Ziele Bremerhaven, Norddeich, Hannover und Osnabrück an. Der Metronom fährt zwischen Hamburg und Bremen. Die EVB lässt ihre Züge im Weser-Elbe-Dreieck über Bremervörde verkehren.
Die Nordwestbahn (NWB) ist zwischen Wilhelmshaven und Bremen sowie zwischen Bremen und Osnabrück unterwegs; außerdem verkehren ihre Fahrzeuge im Regio-S-Bahnverkehr rund um die Hansestadt. Vor allem die NWB sorgt immer wieder mit plötzlichen Zugausfällen für Negativschlagzeilen. Sie führte bereits 2018 die Ausfallstatistik der Landesnahverkehrsgesellschaft (LNVG) mit deutlichem Abstand vor der DB Regio an. Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr in Nordrhein-Westfalen hat das Osnabrücker Privatunternehmen wegen seiner Unzuverlässigkeit bereits abgemahnt.
„Hier sind deutlich schärfere Sanktionen nötig“
Eine härtere Gangart gegenüber den Bahnbetreibern verlangt Schulz-Hendel im Gespräch mit dem WESER-KURIER nun auch von Niedersachsen. Wegen der vielen Zugausfälle haben die drei Träger des Schienenpersonenverkehrs – neben der LNVG die Region Hannover und der Regionalverband Großraum Braunschweig – den Sünderunternehmen zwischen Januar und Mai 2019 die staatlichen Zuschüsse bisher um 2,5 Millionen Euro gekürzt. „Hier sind deutlich schärfere Sanktionen nötig“, meint der Grünen-Parlamentarier. Außerdem müsse man bestehende Sonderkündigungsrechte der über Jahre laufenden Verträge konsequent anwenden, wenn Unternehmen dauerhaft nicht in der Lage seien, ihre Pflichten sauber zu erfüllen.
Daneben kritisiert Schulz-Hendel die Ausschreibungen. Dort müsse man präzise Regeln für das Personal festlegen, damit auch bei Krankheit oder Urlaub genügend Mitarbeiter zur Verfügung stünden. In diesem Punkt hat die LNVG bereits reagiert: Für das Hansenetz (Hamburg-Bremen, Hamburg-Uelzen-Göttingen) und die Regio-S-Bahn Bremen/Niedersachsen sind feste Ausbildungsquoten für Triebfahrzeugführer vertraglich festgelegt. Dies soll künftig in allen Ausschreibungen Standard werden. Schließlich fordert der Grüne Minister Althusmann auf, in Berlin auf einen Stopp der Abwerbepraxis der bundeseigenen Bahn AG zu drängen. „Wenn ein Staatsunternehmen hohe Ablösesummen zahlt und damit bei regionalen Anbietern wildert, muss man darüber mit dem Bundesverkehrsminister sprechen.“
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