Die Geschichte ist kurios. Eigentlich war alles vorbereitet, damit die drei Brandruinen am Wall abgerissen werden können. Die Gebäude waren im Mai 2015 durch ein Feuer zerstört worden. Der Eigentümer, die Nachbarn, die Gewerbetreibenden und die Vertreter der Behörden hatten geprüft, geredet und geplant. Das versichern alle Beteiligten. In der Woche nach Ostern sollte mit den Abrissarbeiten begonnen werden. Seit mehr als einer Woche ist die Straße am Wall nun gesperrt. Doch an den Überresten des Textilkaufhauses Harms am Wall ist seitdem nichts Sichtbares passiert. Wie sich nach Informationen des WESER-KURIER nun herausstellt, hat sich der angekündigte Abriss der von Ruß bedeckten alten Häuser verschoben. Der Grund: Die Basler Versicherungen, denen das rechts angrenzende Gebäude gehört, haben gegen die Abrissarbeiten Widerspruch eingelegt.
Insgesamt zwei Monate lang soll der Wall zwischen dem Herdentor und der Bischofsnadel für den Verkehr komplett gesperrt werden, hieß es in einer ersten Ankündigung. Im Anschluss daran wird der Abschnitt bis Oktober nur einseitig und als Einbahnstraße befahrbar sein. Im Gebäude finden derzeit vorbereitende Arbeiten für den Abbruch statt. Das Unternehmen "ATR Abbruch Transport Recycling" aus Sottrum hat sein Plakat am Bauzaun aufgehängt. Eine Dixi-Toilette und ein Bauwagen stehen vor den drei ehemals stolzen Häusern. Vereinzelt laufen Bauarbeiter am Mittwoch auf der Fläche vor dem Gebäude herum. Doch an Abriss ist vorerst nicht zu denken.
"Ja, die Basler Versicherungen haben rein vorsorglich Widerspruch gegen den Abriss eingelegt, weil es nach Sichtung der Abrissstatik aus unserer Sicht noch Klärungsbedarf gibt", heißt es auf Nachfrage bei Thomas Klein, Unternehmenssprecher der benachbarten Basler Versicherungen. Überrascht reagiert der Eigentümer, der Bremer Immobilien- und Baufirma Müller & Bremermann: Die Vertreter der Versicherung seien bereits vor Monaten informiert worden, heißt es. Man sei irritiert, dass der Widerspruch erst jetzt komme und nicht schon vor ein paar Monaten. Dass dadurch Verzögerungen entstehen, glaube man nicht.
"Es gibt Gespräche, und wir befinden uns im Austausch mit dem Eigentümer des Gebäudes, um eine für beide Seiten tragfähige Lösung zu finden", sagt Basler-Unternehmenssprecher Thomas Klein. Das sagt auch Marco Bremermann, Eigentümer der Immobilien und Geschäftsführer von Müller & Bremermann. Man sei im Gespräch mit den Beteiligten. "Wir haben alle Arbeiten rund um den Neubau des Wallkontors bereits im Voraus mit den Anrainern abgestimmt. Aktuell laufen alle Arbeiten wie geplant weiter, um vor allem im Hinblick auf die Verkehrslage keine zusätzlichen Einschränkungen entstehen zu lassen.“
Das alles bestätigt die Baubehörde. "Durch den Widerspruch ist der Abriss derzeit gestoppt", sagt Ressortsprecher Jens Tittmann. Zudem weist er darauf hin, dass bis Mittwochmittag noch Unterlagen fehlten. Diese seien aber sofort nachgereicht worden, heißt es wiederum von der Firma Müller & Bremermann. In der Baubehörde prüfe man nun den Widerspruch wie auch einen sogenannten Sofortvollzug, durch den die Arbeiten in der kommenden Woche weitergehen könnten. Dagegen könnten aber wiederum die Basler Versicherungen einen Eilantrag beim Bremer Verwaltungsgericht einlegen. Die Behördenvertreter bieten zudem an, die Gespräche zwischen den Beteiligten zu moderieren. Zum Kontrollieren der Statik habe man nun einen staatlich vereidigten Prüfstatiker bestellt. Dabei handelt es sich um Uwe Sabotke, der im Auftrag der Stadt bereits die Baustelle für das City Gate am Bahnhof überwacht. "Er kennt sich aus mit komplizierten Baustellen", sagt Sprecher Jens Tittmann.
"Die Vorsicht vor weiteren, eventuell größeren Schäden geht auf jeden Fall vor", sagt Stefan Storch, Inhaber des am Wall ansässigen Unternehmens D.F. Rabe & Co. Nach Rücksprache mit anderen ansässigen Händlern, die zusammen in der Interessenvertretung Wall-Werbegemeinschaft sitzen, habe er keine Informationen darüber, dass es zu größeren Verzögerungen komme. "Ich gehe davon aus, das alle Beteiligten den Abriss und Neubau möglichst zügig über die Bühne bekommen wollen", sagt Storch. Dabei müsse man aber auch immer damit rechnen, dass es wegen der komplexen Arbeiten auch mal zu kleineren Verzögerungen komme.
Der Plan für diese exponierte Stelle in der Innenstadt sah vor, dass die zerstörten Häuser möglichst schnell angepackt werden. Aber es kam zu einem regelrechten Hickhack zwischen dem Eigentümer und der Baubehörde. Dabei ging es unter anderem um die Frage, ob Teile der historischen Fassaden erhalten bleiben. Müller & Bremermann lehnten das ab und hatten Erfolg. Für den Neubau folgte ein Fassadenwettbewerb, dessen Ergebnis nun umgesetzt werden soll. Statt den bisherigen drei Häusern soll es nur noch ein Gebäude geben. Nach Angaben des Eigentümers entsteht ein Komplex mit einer Gesamtfläche von insgesamt 5500 Quadratmetern, die mit Einzelhandel und Büros belegt werden. Der Name des Projekts: Wallkontor.