Zu den unausweichlichen Beschäftigungen dieser Wochen, im 0421-Land und anderswo, zählt die Weihnachtsfeier. Welch hübsche Gelegenheit, in einer Runde, die sonst aus ganz anderen Beweggründen zusammentrifft, auch mal privater zu werden! Ob nun mit oder ohne Glühweinbecher in der Hand, mit oder ohne Weihnachtsmütze auf dem Kopf.
Bei der Feier meiner Sportgruppe zum Beispiel sah ich mich diese Woche irgendwann mit der Frage konfrontiert, wie ich eigentlich die Themen für diese Kolumne generiere. Das, was ich der gestrengen Sportsfreundin A. – meinen Fauxpas beim Eintunken eines bereits angebissenen Karottenschnitzes in den allgemeinen Topf mit Kräuterquark-Dip wird sie mir bis ans Ende aller Tage vorhalten – offenbarte: Ich belausche andere Menschen.
Das ist zwar unrühmlich, aber der einfachste Weg, wenn man herausfinden möchte, was Bremen und umzu bewegt. Als überaus geeigneter Ort hat sich dafür die Warteschlange an der Supermarktkasse erwiesen, wo ich als Nachschubbeauftragter einer vierköpfigen Bedarfsgemeinschaft werktags viel Zeit verbringe. Die Topergebnisse dieser Woche lauteten: Weihnachtsmärkte und Geschenkebeschaffung. Der Begriff Kirchenasyl hatte es noch nicht in das Ranking meines Lauschangriffs geschafft – zum Glück, denn im Konfliktfeld zwischen Mitmenschlich- und Rechtsstaatlichkeit reicht es mir, wenn das Geschehen rund um die Zionsgemeinde in der Neustadt gerade dem Innensenator die vorweihnachtliche Glühwein- und Weihnachtsmützenlaune vermiest.
Also zurück zu den bevorzugten Nennungen. Und da sieht es, sorry, nicht gut aus für Bremen. So entnahm ich den Schilderungen der Dame an Position eins der Kassenschlange, dass sie in diesen Tagen als begeisterte Weihnachtsmarktbesucherin schon in Verden war und zeitnah als nächstes Bückeburg auf dem Besuchsplan hat. Bückeburg! Wie zum Teufel kommt man als 0421-Land-Bewohnerin auf ein Kaff, das ich bisher im Vorbeifahren nur mit so einer Skurrilität wie dem Hubschraubermuseum verbunden habe? Ihr Gesprächspartner, der Herr direkt vor mir, ließ indes wissen, dass er sich nicht für solcherlei Budenzauberei interessiere, aber seine offenen Geschenkaufträge in einer konzertierten Aktion am Wochenende in Oldenburg abarbeiten würde. Weil man dort viel besser mit dem Auto in die Innenstadt komme und das Parken günstiger sei.
Als Lokalpatriot war ich, aus dem Rückraum an dritter Stelle der Warteschlange, kurz versucht, mich einzumischen – und Widerspruch zu erheben. Wenn da nicht die Meldungen dieser Woche gewesen wären, dass die Stadt zur Rettung ihrer unrettbaren Finanzen die erneute Erhöhung der Parkgebühren beschlossen hat. Und dass die Haupteinkaufsmeile Obernstraße leider noch immer keine weihnachtliche Beleuchtung hat, weil die dafür nötigen Befestigungshaken nicht mehr mitspielen. Bei solchen Nachrichten hilft es vermutlich nur, sich die Weihnachtsmütze ganz tief ins Gesicht zu ziehen. Ach, Bremen!
Tagebucheintrag: Wenn Sie demnächst arglos in der Kassenschlange aus Ihrem Leben erzählen, dann achten Sie doch besser darauf, ob ich nicht in der Nähe stehe und lausche. Da kenne ich kein Pardon.