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Kolumne 0421 Am Ende der Black Week: Häppchenweise Bildung und Kartoffeln satt

In der Kolumne „0421“ schreibt Oliver Matiszick über große und kleine Themen, die manchmal erst auf den zweiten Blick miteinander, immer aber mit Bremen zu tun haben. Heute: Black Week und Lehrkrafthäppchen.
30.11.2024, 05:00 Uhr
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Am Ende der Black Week: Häppchenweise Bildung und Kartoffeln satt
Von Oliver Matiszick

Sind Sie gut durch die Black Week gekommen? Das frage ich nicht nur aus höflichem Interesse, sondern aus Fürsorge. Weil die vergangenen Tage mit all den Super-Sonder- und Kauf-mich-gefälligst-jetzt-Angeboten ja dazu taugten, einen völlig wuschig zu machen. Mein Maileingang zum Beispiel: Wer da alles um die tollsten Rabatte konkurrierte! Telekommunikationsanbieter, Versandhändler für Mode, Lampen und Büroartikel, eine Krankenkasse, mit der ich noch nie zu tun hatte. Einsamer Favorit aber: ein auf Scheibenwischer spezialisierter Fachhandel. 75 Prozent Preisnachlass! Ganz sicher eskalieren die Kinder vor Freude, wenn ich ihnen einen Satz Scheibenwischer unter den Weihnachtsbaum lege.

Ein wenig verwässert wurde der Konsum bis zur Schwärze vor Augen dadurch, dass es am Ende ja doch nur wieder um das liebe Thema Geld geht. Und viel besser als der ganze Rest der Republik kennt sich das 0421-Land damit aus, eben kein Geld zu haben. Es kommt ja nicht von ungefähr, dass Bremen im jüngst veröffentlichten Schuldneratlas schlechter abschneidet als jedes andere Bundesland. Und da ging es um die Privathaushalte, nicht mal die öffentliche Hand! Von der ist ohnehin seit ewig und drei Tagen bekannt, dass sie so klamm ist, dass es allenfalls noch für etwas reicht, das mit Fahrradrouten zu tun hat.

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Zu welchen Verzweiflungstaten das am Ende führen kann – auch das hat diese so konsumberauschte Black Week vor Augen geführt. Denn direkt an deren Anfang stand, dass an den Schulen des Landes zur Gesundung der öffentlichen Finanzen der „pädagogische Happen“ gestrichen worden ist. Was für ein hübscher, nie zuvor gehörter Begriff! Zuerst war ich versucht, ihn auf die Schule meiner Tochter zu beziehen, wo so viel Unterricht ausfällt, dass den Kindern dort allenfalls häppchenweise Pädagogik serviert wird. Tatsächlich aber geht es dabei um die Mittagsverköstigung an Ganztagsschulen, die Lehrkräfte nun nicht mehr gratis erhalten.

Das ist man ja völlig hin- und hergerissen, welche Seite der Empörung die richtige sein könnte. Denn natürlich sollten Lehrkräfte in der Lage sein, ihr Mittagessen selbst zu finanzieren. So wie die Schülerschaft oder der ganze Rest der Arbeitnehmer im Land – etwa Kolumnenschreiber – auch. Wenn sie während der Mahlzeit aber – wie von der Gewerkschaft GEW ins Feld geführt – ihrem Bildungsauftrag nachkommen, dann ist es, na klar, ein Arbeitsessen statt Vergnügen. Und bestimmt laufen die mittäglichen Tischgespräche in Bremens Ganztagsschulen etwa so ab: „Sieh mal, Finn-Luca: Du hast fünf Euro gezahlt und sechs Kartoffeln bekommen – als pädagogischen Happen für lau gab es für mich nur vier Kartoffeln. Wie viel Prozent mehr hast du erhalten und welche Eigenschaften zeichnet die Familie der Nachtschattengewächse aus? Und nimm gefälligst das Messer in die rechte Hand!“

Ich bin mir sicher: Die Kinder werden begeistert sein. Etwa so wie von Scheibenwischern unterm Tannenbaum.

Tagebucheintrag: Ich habe dieses Wochenende erstmals Grünkohl gekocht, es hat ja endlich Nachtfrost gegeben. Und alle Gäste bekommen dazu so viele Kartoffeln wie sie wollen. Ganz umsonst.

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