Mit Beginn der Corona-Impfungen durch die Hausärzte wird die Impfstatistik künftig weniger umfangreich und möglicherweise auch unzuverlässiger. Denn die bislang zentral und tagesaktuell gemeldeten Daten zu den Impfungen aus den Ländern werden nun durch die täglichen Einzelmeldungen der niedergelassenen Ärzte ergänzt.
Rein formal sind die Ärzte durch die Impfverordnung verpflichtet, tagesaktuell die Zahl ihrer Impfungen an die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) zu melden, und zwar jeweils bis spätestens 23:59 Uhr des Tages, an dem auch die Impfungen stattgefunden haben. Allerdings ist an keiner Stelle eine Kontrolle auf Vollständigkeit oder Richtigkeit vorgesehen oder möglich.
Zurzeit gibt es auch kein abgestimmtes Verfahren, um die durch die Bremer Ärzte an die KBV gemeldeten Impfungen in die tägliche Impfstatistik des Bremer Gesundheitsressorts einfließen zu lassen. „Offenbar hat beim Bundesgesundheitsministerium niemand daran gedacht, dass eine Rückmeldung an die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) der Länder gewünscht und sinnvoll ist“, sagt Peter Kurt Josenhans, stellvertretender Vorsitzender der KV in Bremen. Nur die Zahl der Impfdosen, die an die Ärzte geliefert wurden, wird die KBV auf ausdrückliche Nachfrage Josenhans zeitnah zurückmelden können. „So können wir zumindest indirekt schlussfolgern, wie viel die Ärzte verimpfen.“
Die Tausenden von Einzelmeldungen zu den verabreichten Impfungen in den Praxen werden von der Bundesvereinigung zu einem einzigen Datensatz zusammengeführt und täglich an das Robert Koch-Institut (RKI) übermittelt. Dort sollen sie ebenfalls tagesaktuell mit den Daten aus den Impfzentren der Länder zusammengeführt und veröffentlicht werden. Ob dadurch zumindest wochenweise die Gesamtzahl der Impfungen in einem Bundesland bekannt wird, ist laut Lukas Fuhrmann, Sprecher des Bremer Gesundheitsressorts, ebenfalls unklar. „Wir können damit nur noch die Zahl der Impfungen im Impfzentrum verlässlich mitteilen“, sagt er.
Schon jetzt ist die Impfstatistik mit Unsicherheiten verbunden, weil die Länder ihre Daten zum einen mit unterschiedlicher Geschwindigkeit melden, zum anderen nutzen aktuell nur sechs der 16 Länder die eigens vom RKI per Internet dafür bereitgestellte Meldesoftware Dim (für: Digitales Impf Monitoring) zur tagesaktuellen Datenübermittlung, darunter auch Bremen. Bayern zum Beispiel ist erst seit 22. März dabei. Zuvor wurden die bayerischen Impfdaten nur in zusammengefasster Form per Mail übermittelt. Nach einem Bericht des Bayerischen Rundfunks fehlen deswegen noch immer die meisten bayerischen Impfdaten. Weiterhin übermitteln zehn Länder ihre Zahlen per E-Mail ans RKI. Dort ist eigens eine Stelle mit 20 Wochenstunden ausgestattet, nur um die Daten händisch für die tägliche Meldung aufzubereiten, wie die Wirtschaftswoche berichtet.
Mit der tagesaktuellen Meldepflicht will das RKI nach eigener Aussage einen möglichst aktuellen Überblick über den Fortgang der Impfungen erhalten und zeitnah sehen, wie die Impfungen in Anspruch genommen werden. Das sei für die Bewertung neuer Impfstoffe essenziell.
Im Vorfeld des Impfbeginns bei den niedergelassene Ärzten gab es viele Diskussionen um die tagesaktuelle Dokumentation. Hans-Michael Mühlenfeld, der als Vorsitzender des Bremer Hausärzteverbandes für rund 250 Kollegen spricht, hat sie als „überflüssige Bürokratie“ bewertet. „Wir dokumentieren die Impfungen doch automatisch über die Abrechnungen. So entsteht nur zusätzlicher Aufwand.“ Der Kompromiss sieht nun so aus: Die Ärzte melden zwar tagesaktuell, aber nicht in dem bislang von den Impfzentren betriebenen Umfang. Praktisch heißt das: Es wird lediglich die Zahl der Impfungen sowie der verwendete Impfstoff übermittelt plus eine Angabe, ob die Geimpften über oder unter 60 Jahre alt waren.
Die Impfstatistik wird dadurch ungenauer, denn neben der genauen Altersgruppe haben die Impfzentren zum Beispiel auch erfasst, ob die Impfung aufgrund des Alters, aus medizinischen Gründen oder wegen einer beruflichen Indikation erfolgte. Das war etwa für die veränderte Risikobewertung des Astra-Zeneca-Impfstoffes von Bedeutung. Diese detaillierten Daten werden nun erst im Nachgang über die Abrechnung der Praxen erkennbar. Das bedeutet, sie liegen frühestens nach drei bis sechs Monaten vor.
Für die tagesaktuellen Meldungen wird den Praxen über die Telematikdienste der Kassenärztlichen Vereinigung eine einheitliche digitale Erfassung bereitgestellt. E-Mails soll kein Arzt verschicken.
Verzerrte Impfquote
Seit Anfang April beruht die prozentuale Angabe der verwendeten Impfdosen in den Ländern auf einer nur noch montags aktualisierten Zahl der gelieferten Impfdosen, unabhängig vom Tag der tatsächlichen Lieferung. Dadurch bleiben die während der Woche gelieferten Impfstoffmengen bei der Berechnung unberücksichtigt. Der Effekt: Die Impfquoten in der Statistik sind tendenziell höher als in Wirklichkeit. Über die Osterfeiertage hat das sogar zu einer extremen statistischen Verzerrung geführt. Weil in den Bremer Impfzentren durchgehend geimpft wurde, die Impfstoffmengen aber erst am Dienstag nach Ostern aktualisiert wurden, zeigte das amtliche Monitoring des Bundesgesundheitsministeriums zwischenzeitlich eine Impfquote von über 100 Prozent. Demnach wurden insgesamt rund 130.000 Impfdosen nach Bremen geliefert, aber 133.000 verimpft.