Weil für rund 70 Bewohner aus zwei Pflegeeinrichtungen in Woltmershausen ein akuter Engpass bei der hausärztlichen Versorgung droht, plant die Kassenärztliche Vereinigung in Bremen (KVHB), Ärzte aus dem Ruhestand zu reaktivieren. Konkrete Vereinbarungen dazu gibt es bislang noch nicht, allerdings läuft der KVHB und den Pflegeeinrichtungen die Zeit davon. Auslöser des Engpasses ist die Schließung einer Hauszartpraxis in Woltmershausen aus Altersgründen zum 18. März. Für das dort seit mehr als 30 Jahren tätige Arzt-Ehepaar gibt es keinen Nachfolger. Daher müsste eine solche Lösung innerhalb der kommenden sechs Wochen organisiert werden.
Neben den Bewohnern der Pflegeheime sind rund weitere 1600 Patienten aus dem Stadtteil betroffen, die sich einen neuen Hausarzt suchen müssen. „Von den Ärzten wurde uns aber direkt mitgeteilt, es gar nicht erst bei den Hausarztpraxen vor Ort oder in der benachbarten Neustadt zu versuchen“, sagt Doris Wosny. Die Praxen dort seien bereits vollständig ausgelastet.
Die 69-Jährige ist gleich doppelt betroffen, weil durch die Schließung nicht nur ihr eigener Hausarzt wegfällt, sondern auch die medizinische Betreuung ihrer 91-jährigen Mutter, die im Stiftungsdorf Rablinghausen wohnt, eine der zwei Pflegeeinrichtungen in Woltmershausen. Im Stadtteil selbst ist die Suche nach einem Hausarzt nahezu aussichtslos. Gab es dort vor einigen Jahren noch zehn Hausarztpraxen, werden es ab März noch vier sein. Gleichzeitig wächst der Stadtteil durch die Entwicklung im Tabakquartier.
Der Mangel an Hausärzten zeigt sich inzwischen flächendeckend in Bremen. Im Sommer vorigen Jahres haben beispielsweise sieben Waller Ärztinnen und Ärzte in einem Brief an das Ortsamt und den Beirat vor einer Unterversorgung gewarnt. In Walle wurden in den vergangenen Jahren zwölf Hausarztpraxen ohne Nachfolge geschlossen. Im Jahr 2026 könnten im schlimmsten Fall nur noch zwei übrig sein, hieß es in dem Brief. „Das Durchschnittsalter der Bremer Hausärzte liegt bei 58 Jahren“, sagt Hans-Michael Mühlenfeld. Der Vorsitzende des Bremer Hausärzteverbandes weist darauf hin, dass in den nächsten Jahren zahlreiche Hausärzte aus dem Berufsleben ausscheiden werden.
Sind wie aktuell in Woltmershausen Pflegeeinrichtungen betroffen, stehen Betreiber und KV unter Zugzwang, die weitere Versorgung sicherzustellen. Das Gesetz gibt den Betreibern auf, Kooperationsverträge mit „geeigneten vertragsärztlichen Leistungserbringern“ zu schließen, die Kassenärztlichen Vereinigungen müssen diese innerhalb von drei Monaten vermitteln. Gelingt dies nicht mit niedergelassenen Ärzten oder angestellten Medizinern, beispielsweise aus einem Versorgungszentrum, dürfen die Pflegeheime selbst Ärzte anstellen.
Dahin gehen offenbar die Überlegungen der KVHB, um den aus dem Ruhestand reaktivierten Medizinern einen Rechtsrahmen für ihre Arbeit zu geben. Ob das so gelingt, ist noch unklar. „Wir haben dazu noch keine konkrete Information“, sagt Doris Paul, Leiterin des Stiftungsdorfes Rablighausen. Entsprechende Entscheidungen müsste zudem der Vorstand der Bremer Heimstiftung als Träger des Stiftungsdorfes treffen.
- Lesen Sie auch: Es fehlt an neuen Modellen für Nachfolger
Die KVHB sieht sich laut ihren Vorständen Bernhard Rochell und Peter Kurt Josenhans durchaus in der Pflicht, die hausärztliche Versorgung für alle Bremer zu gewährleisten, auch wenn mit einer Versorgungsquote von derzeit 105 Prozent rechnerisch alles im Lot sein müsste. Erst bei einem Wert unter 75 Prozent sieht das Gesetz Gegenmaßnahmen vor. „Wir sind uns aber bewusst, dass es bereits jetzt ein Problem gibt“, sagt Josenhans und verweist auf die Bemühungen der KV, die Versorgungslage zu verbessern.
Dazu zählen Förderprogramme für junge Ärzte, denen beispielsweise Umsatzgarantien gegeben werden. Auch Investitionen in die Praxisausstattung werden unterstützt. Rochell macht aber auch die Grenzen deutlich: „Solche Förderungen müssen wir unter anderem über Umlagen und Beiträge der Mitglieder finanzieren.“ Wenn die Zahl der niedergelassenen Ärzte sinke, bedeutet dies höhere Kosten für verbliebene Praxen.
Daher fordern die Vorstände wirksame Instrumente, um die Nachfrage von Patienten besser zu steuern und die Praxen auch auf diese Weise zu entlasten. „Es wäre zum Beispiel hilfreich, wenn vereinbarte und nicht wahrgenommene Termine auch in der gesetzlichen Versicherung berechnet werden dürften“, sagt Josenhans. Hier scheuten die Kassen aber offenbar die Diskussion mit ihren Mitgliedern, um sich solche Kosten erstatten zu lassen.