Kinderarztpraxen und Kinderkliniken in Bremen werden weiterhin von einer Infektionswelle regelrecht überschwemmt: An diesem Dienstag gab es eine Krisensitzung in der Gesundheitsbehörde, der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte hatte in einem Brandbrief an Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) einen "Kinder-Krisengipfel" gefordert. "Die Lage ist ernst. In den Kinderkliniken fehlt das Personal, sodass wir Kinder, die eigentlich stationär behandelt werden müssten, in den ebenfalls chronisch überlasteten Praxen versorgen müssen. Das ist Notfallversorgung", sagte der Vorsitzende des Bremer Verbands Stefan Trapp. Bundesweit nehmen Atemwegserkrankungen derzeit vor allem aufgrund von Grippeviren und des Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV) zu.
Auf die akute Notlage im niedergelassenen Bereich soll mit einer Akut-Maßnahme reagiert werden, so ein Ergebnis des Treffens: "An diesem Wochenende schließt das Kinderimpfzentrum. Dort waren mehrere Kinder- und Jugendärzte tätig, die zum Teil bereits im Ruhestand waren und jetzt frei werden. Die Idee ist, mit ihnen eine Anlaufstelle für den ambulanten Bereich zu schaffen – eine zusätzliche Kinderarztpraxis", sagte der Sprecher der Gesundheitsbehörde, Lukas Fuhrmann, dem WESER-KURIER.
Drei bis fünf Ärzte könnten dafür mobilisiert werden. Als möglicher Standort komme neben dem Kinderimpfzentrum auch das Eltern-Kind-Zentrum Prof. Hess am Klinikum Mitte infrage, so Fuhrmann. Allerdings könne Bremen nicht einfach entscheiden, eine Praxis zu eröffnen: "Dafür braucht es eine Ermächtigung sowie einen Betreiber, auch der zuständige Zulassungsausschuss muss zustimmen. Alle Beteiligten an der Runde waren der Auffassung, dass dies möglich sei", so Fuhrmann. Die Vorstände der Kassenärztlichen Vereinigung Bremen hätten bereits ihre Zustimmung signalisiert. "An dieser Möglichkeit wird jetzt ganz intensiv gearbeitet. Es muss vor allem schnell gehen, um die Kinderarztpraxen in der aktuellen Situation zu entlasten", betont der Behördensprecher. Die neue Arztpraxis wäre dann eine ganz reguläre Anlaufstelle für Eltern, deren Kinder krank seien oder andere Anliegen hätten.
In den drei Kinderkliniken des Landes Bremen ist die Lage vor allem wegen des chronischen Personalmangels ernst. Um Pflegekräfte aus anderen Bereichen einsetzen zu können, würden am Eltern-Kind-Zentrum Untersuchungen oder andere medizinische Behandlungen verschoben, sofern dies medizinisch vertretbar sei, so Fuhrmann.
Die Infektionswelle trifft laut Trapp auf ein seit Langem überlastetes System. Verantwortlich dafür seien politische Fehlentscheidungen und eine Fehlfinanzierung. Folge sei: "Die medizinische Versorgung von Kindern und Jugendlichen hat sich in den vergangenen Jahren enorm verschlechtert, auch in Bremen und Bremerhaven." Ärzte hätten immer mehr Aufgaben dazu bekommen, die eigentlich in andere Bereiche fielen. Gleichzeitig drängten immer mehr Patienten in die Praxen. "Wir können längst nicht mehr, wie früher üblich, alle akut kranken Kinder am selben Tag in den Praxen sehen. Entsprechend laufen gerade in Infektzeiten die Not- und Bereitschaftsdienste über", betont Trapp. "In absehbarer Zeit wird kaum eine kinder- und jugendärztliche Praxis noch neue Patienten annehmen können." Die medizinische Versorgung von Kindern und Jugendlichen müsse zu einem zentralen Anliegen der Bremer Gesundheitspolitik gemacht werden.
Laut Fuhrmann soll es in der kommenden Woche ein weiteres Treffen in der Gesundheitsbehörde gehen, dabei gehe es auch um die Versorgungsengpässe in der Geburtshilfe. Die Lage in den Kinderkliniken und -praxen ist dann Thema in der Bürgerschaft, die CDU-Fraktion hatte eine Aktuelle Stunde beantragt.