Die grassierende Welle akuter Atemwegserkrankungen macht nicht nur Kindern zu schaffen, auch Erwachsene sind zunehmend betroffen – nicht zuletzt dort, wo Kinder und Erwachsene aufeinandertreffen. In den städtischen Kitas sind nach Angabe des Bildungsressorts derzeit rund 20 Prozent der Beschäftigten erkrankt. Aus den Schulen liegen noch keine aktuellen Zahlen vor, der Krankenstand unter Lehrkräften dürfte aber ebenfalls stark angestiegen sein. In Bremerhaven fallen an einzelnen Kita- und Schul-Standorten bis zu einem Drittel der Beschäftigten krankheitsbedingt aus, der Magistrat nennt eine "massive jahreszeitbedingte Infektwelle" als Ursache. Die Folge: Die Betreuung an Kitas und Schulen kann nicht mehr in vollem Umfang aufrechterhalten werden.
Bei der Zahl der erkrankten Kita-Beschäftigten handele es sich um einen Mittelwert, betont Ressortsprecherin Maike Wiedwald. "Die Ausfälle variieren an den verschiedenen Standorten." In den Kitas der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK) ist die Situation ähnlich. "Punktuell und zeitweise kommt es zur Reduzierung des Betreuungsangebotes", sagt Carsten Schlepper, der Leiter des Landesverbandes evangelischer Kindertageseinrichtungen. "Immer wieder müssen wir die Betreuung an einzelnen Standorten für zwei bis drei Wochen einschränken." Die Lösung des Problems beim größten freien Kita-Träger Bremens: "Dann gucken wir mit den Elternbeiräten, was wir machen können." Mit anderen Worten: Wo es an Personal fehlt, sind die Eltern gefordert.
Improvisationskunst ist auch an den Schulen gefragt. "Es sind eben viele Schüler und Lehrer erkrankt", sagt Wiedwald. In einigen Grundschulen sei die Ganztagsbetreuung entweder stundenweise eingeschränkt oder nach Rücksprache mit den Eltern um bis zu drei Tage verkürzt worden. Nach ihrem Kenntnisstand ist aber bisher an keiner Schule der Unterricht ganz ausgefallen. Wo der Krankenstand unter den Lehrkräften besonders hoch ist, behelfe man sich mit Ersatzangeboten für die Schülerinnen und Schüler. Die Bildungsgewerkschaft GEW sieht in der momentanen Situation ein grundsätzliches Problem. "Da trifft die Krankheitswelle auf den Fachkräftemangel und überarbeitetes Personal", sagt Landesvorstandssprecherin Elke Suhr. Die Konsequenz: "Das Kartenhaus fällt zusammen."
Zu den Alarmmeldungen aus Schulen und Kitas passen die neuesten Zahlen des Robert Koch-Instituts (RKI). Bundesweit leiden 21,5 Prozent der Schulkinder unter Fieber, Husten oder Halsschmerzen, ein Anstieg von rund 40 Prozent gegenüber der Vorwoche. Fast zehn Prozent der gesamten Bevölkerung haben derzeit mit Grippesymptomen zu kämpfen, das sind etwa 8,2 Millionen Menschen. Wobei verschiedene Erreger die Atemwegserkrankungen verursachen: Bei Kleinkindern dominiert das RS-Virus, bei Schulkindern und jungen Erwachsenen Influenzaviren. Insgesamt ist zu beobachten, dass die Grippewelle in diesem Jahr ungewöhnlich zeitig begonnen hat – schon Ende Oktober und damit "deutlich früher als in den vorpandemischen Jahren", wie das RKI mitteilt.
Der derzeit hohe Krankenstand verdeckt aus Sicht von Schlepper ein Problem, das nicht erst in diesen Wochen aufgetreten ist. "Es ist keine Vertretung zu finden, wenn wir Ersatz suchen", sagt er. Seit Beginn des laufenden Kindergartenjahres schlage der Mangel an qualifiziertem Personal "voll durch". Von Anfang an hätten nicht alle Stellen besetzt werden können. Schlepper: "Es gibt Vakanzen, die wir nicht ohne weiteres füllen können – weil sich niemand auf unsere Ausschreibungen meldet." Aktuell fehlten 20 pädagogische Fachkräfte, drei persönliche Assistenzen zur Begleitung behinderter Kinder sowie zehn Kräfte in den Bereichen Kochen, Küchenhilfe und Reinigung.
Dem Personalproblem versucht die BEK auf ähnliche Weise zu begegnen, wie es an den Schulen schon längst der Fall ist. "Wir erproben zurzeit den Einsatz von Kita-Assistenten", sagt Schlepper. "Also von Menschen ohne pädagogische Ausbildung, aber mit Interesse, in der Kinderbetreuung zu arbeiten." Vorgesehen sei, dass die Kita-Assistenten den Fachkräften diverse Routineaufgaben abnehmen. Schlepper nennt Hilfe beim Anziehen, Mittagessen oder bei Toilettengängen. Über das Beschäftigungsprogramm "Prokita II" der Agentur für Arbeit habe man 30 Stellen angeboten, die ersten Kita-Assistenten seien bereits eingestellt worden.
Bislang liegen statistische Zahlen zu erkrankten Lehrkräften nur bis inklusive September vor. An den allgemeinbildenden Schulen lag die Quote der Lehrerfehltage im September bei 7,6 Prozent. In der Regel sind die meisten krankheitsbedingten Fehltage an den Grundschulen zu verzeichnen, diesmal lagen Grund- und Oberschulen mit 8,1 Prozent gleichauf. Niedriger ist die Quote zumeist an den Gymnasien, im September lag sie bei 6,5 Prozent.