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Jahresbilanz der Staatsanwaltschaft Bremen Angriffe gegen Polizisten rücken stärker in den Fokus

Leicht rückläufige Eingangszahlen präsentiert die Bremer Staatsanwaltschaft in ihrer Jahresstatistik 2017. Eine besondere Form von Delikten nimmt sie seit Jahresanfang besonders in den Fokus.
03.05.2018, 19:09 Uhr
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Angriffe gegen Polizisten rücken stärker in den Fokus
Von Ralf Michel

Es ist zahlenmäßig keines der großen Themen, die die Staatsanwaltschaft in Bremen sich in diesem Jahr als einen Schwerpunkt herausgesucht hat, um besonders deutlich klare Kante zu zeigen. Aber manchmal ist es ein besonders widerwärtiges. Am 24 März, morgens um 6.20 Uhr, hielten Polizisten am Rembertiring einen Autofahrer an, der seinen Müll auf der Straße entsorgte, gibt Bremens Leitender Oberstaatsanwalt, Janhenning Kuhn, hierfür ein Beispiel. Dafür hätten sich die Beamten nicht nur als "Rassisten", "Nazis" und "Hitlers Söhne" beschimpfen lassen müssen. Der Mann habe ihnen auch noch zweimal Reste seines Frühstücks ins Gesicht gespuckt.

Der Autofahrer wird vor Gericht landen, so Kuhn am Donnerstag im Rahmen einer Pressekonferenz, bei der er die Jahresstatistik 2017 seiner Behörde präsentierte. "Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte" ist ein Thema, dem sich die Staatsanwaltschaft angesichts der in den letzten Jahren stetig gestiegenen Zahlen dieser Fälle 2018 besonders annehmen wird. 2016 gab es 380 solcher Verfahren, 2017 waren es 426.

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Es gehe darum, Signale auszusenden, betonte Kuhn. Wer Polizisten, Feuerwehrkräfte oder Rettungssanitäter bei der Ausübung ihres Berufs angreife, behindere oder bedrohe, begehe keine Ordnungswidrigkeit und auch kein Bagatelldelikt, sondern eine Straftat. "Hier wird es keinerlei Toleranz geben", kündigte Kuhn mit Blick auf steigende Fallzahlen an. "Wir müssen aufpassen, dass uns da die Grenzen nicht wegbrechen."

Insgesamt sind die Eingangszahlen der Verfahren bei der Staatsanwaltschaft Bremen leicht rückläufig. Nach dem Höchststand 2016 mit fast 120 000 Eingängen waren es 2017 noch 113 183 und werden es 2018 nach Hochrechnungen Ende März 111 764 Verfahren sein. Was gegenüber den rund 107 000 Eingängen, die es bis 2014 in der Regel waren, aber immer noch ein deutliches Plus sei, so Kuhn.

Mehr Einstellungen als Anklagen

Während die Zahl der Straftaten in der jährlichen Kriminalstatistik der Bremer Polizei zuletzt deutlich zurückging, könne von dieser Entwicklung in seiner Behörde keine Rede sein, hob Kuhn hervor. Ein Unterschied, der sich daraus erklärt, dass die Staatsanwaltschaft auch für Fälle des Zolls, der Steuerfahndung und der Bundespolizei zuständig ist. Für die Mitarbeiter seiner Behörde bedeutet dies, dass jeder der derzeit 14 Amtsanwälte im vergangenen Jahr 2325 Eingänge zu bearbeiten hatte und jeder der 50 Staatsanwälte 672 Fälle.

Die Zahl der erledigten Verfahren betrug im vergangenen Jahr 61.324. Davon wurden 38.478 eingestellt (63 Prozent). Vor Gericht landeten 11.604 Fälle (19 Prozent). Was in etwa dem Verhältnis der Jahre zuvor entspricht. "Wir stellen deutlich mehr Verfahren ein, als wir anklagen."

Hauptgrund dafür, dass die Staatsanwaltschaft ein Verfahren einstellte, war 2017, dass kein Tatnachweis zu führen war. "Es hat einfach nicht für eine Anklage gereicht." In einem Drittel der Einstellungen war dies der Fall. Weitere 17 Prozent wurden wegen Geringfügigkeit eingestellt und noch einmal 16 Prozent, weil sich diese Verfahren als unwesentliche Nebenstraftat herausstellten. Wenn einem Beschuldigten wegen einer schweren Straftat ohnehin eine hohe Strafe droht, werden geringfügige Delikte, die er in diesem Zusammenhang begangen hat, nicht weiter verfolgt, sondern eingestellt. In jeweils sieben Prozent wurden die Verfahren gegen Auflage eingestellt oder auf den Privatklageweg verwiesen. "Bei einem Nachbarschaftsstreit muss kein Staatsanwalt dabei sein."

Ermittlungen dauern länger

Die Frage, ob es bei einer weniger hohen Belastung seiner Mitarbeiter weniger Verfahrens-Einstellungen geben würde, verneinte Kuhn. Wesentliche Veränderungen würde es dadurch bei diesen Zahlen nicht geben. Zumal es ein Irrglaube sei, Einstellungen mit weniger Arbeit für die Staatsanwaltschaft gleichzusetzen. Denn auch die müssten sehr genau begründet sein, nicht zuletzt, um gegen Beschwerden dagegen gewappnet zu sein.

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Sorge bereite ihm allerdings der 33-prozentige Anteil der Verfahren, die eingestellt werden müssten, weil kein Tatnachweis zu führen ist. Was in Richtung Polizei zielt. "Hier wäre mit mehr Personal sicher einzelne Straftaten besser aufzuklären."

"Leider etwas schlechter geworden" ist die Staatsanwaltschaft Bremen laut Kuhn, was die Dauer der Ermittlungsverfahren betrifft. 2017 vergingen durchschnittlich 2,1 Monate bis zur Beendigung eines Verfahrens. In den drei Jahren zuvor lautete dieser Wert jeweils 1,9 Monate. Wobei insgesamt über die Hälfte der Eingänge (55,9 Prozent) nach einem Monat erledigt war und weitere gut 25 Prozent nach ein bis zwei oder zwei bis drei Monaten. Länger als ein oder sogar eineinhalb Jahre dauerten die Ermittlungen in 2,3 Prozent der Fälle.

Anzahl der schweren Straftaten gestiegen

Eine auffallende Tendenz hat Kuhn in der Jahresstatistik bei den schweren Straftaten ausgemacht. Die Zahl der Fälle, die vor dem Landgericht angeklagt werden, also etwa Mord und Totschlag oder andere schwere Verbrechen, hat seit 2014 kontinuierlich zugenommen. Landeten 2014 insgesamt 91 Verfahren vor dem Schwurgericht oder der Großen Strafkammer, so waren es im vergangenen Jahr 150 Verfahren.

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Schließlich gibt es auch bei der Staatsanwaltschaft sogenannte Bestände, also Verfahren, die noch nicht abschließend bearbeitet wurden. Auch hier sind die Zahlen deutlich gestiegen. Von 10 964 Ende 2016 auf 14.273 Ende 2017. Wobei es sich aber nicht um Fälle handelt, die unbearbeitet im Regal verstauben, erklärte Kuhn. Bei den meisten Fällen bedürfe es noch Ermittlungen der Polizei oder auch der Staatsanwaltschaft selbst. Ein anderer Grund, warum Verfahren nicht abgeschlossen werden könnten, seien Gutachten von Sachverständigen. "Auf die warten wir manchmal Monate, wenn nicht Jahre."

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