Seit fast 30 Jahren ist Peter Schnaars Polizist in Bremen. Was sich geändert hat in all den Jahren? Auf jeden Fall die Zahl der Einsätze. Und damit einhergehend auch deren Qualität. „Alltagsdinge wie Familienstreitigkeiten oder Kneipenschlägereien, die immer häufiger eskalieren.“ Früher habe bei den meisten dieser Einsätze ein Streifenwagen gereicht. „Heute müssen wir da gleich zwei, drei hinschicken, damit die Kollegen nicht in Gefahr geraten.“
Eine Entwicklung, die sich in jeder Einsatzstatistik der Polizei nachlesen lässt. Doch was sich wirklich geändert hat, bringt Schnaars nicht mit Zahlen, sondern mit einem Wort auf den Punkt: Respekt. „Der Respekt vor der Funktion des Polizisten hat gewaltig nachgelassen“, sagt der 49-Jährige. „Ganz zu schweigen vom Respekt gegenüber dem Menschen, der in der Uniform steckt.“
Uniformierte als Feindbild
Schnaars arbeitet als Wach- und Einsatzleiter in der Polizeiinspektion Ost. Als Führungskraft für Sofortlagen ist er unmittelbar in den Notruf-Prozess eingebunden. Zugleich ist der Hauptkommissar aber auch als stellvertretender Vorsitzender der Fachgruppe Schutzpolizei der Gewerkschaft der Polizei sehr nah dran an seinen Kollegen. Und weiß deshalb, was in ihnen vorgeht, wenn sie wie jetzt zu Silvester mit Pyrotechnik beschossen werden. Oder wenn sie bei ganz normalen Amtshandlungen wie der Aufnahme eines Verkehrsunfalls angepöbelt, bespuckt oder bedroht werden.
Polizist zu sein sei immer noch etwas Besonderes, ist Schnaars überzeugt und spricht von starkem Berufsethos und von Berufung statt von Beruf. Viele seiner Kollegen würden dies auch leben. „Die sind da, um Menschen zu helfen, wenn sie Opfer von Straftaten wurden oder anders in Not geraten.“
Umso frustrierender sei es dann zu sehen, wie selbst nichtige Anlässe inzwischen außer Kontrolle gerieten, weil völlig Unbeteiligten meinten, sich gegen die Polizei solidarisieren zu müssen. „Wenn man zum Beispiel bei einer Verkehrskontrolle vier, fünf Streifenwagen zu Hilfe rufen muss, um die Situation noch zu beherrschen.“ Und es träfe ja sogar Rettungskräfte wie Feuerwehr oder Sanitäter, die nun wirklich nur helfen wollten. „Wenn uniformierte Menschen immer mehr als Feindbild gesehen werden, nur weil sie irgendwie den Staat darstellen, dann stimmt doch gesamtgesellschaftlich etwas nicht mehr.“
Und selbst wenn denn der Polizist als Symbol des Staates betrachtet und deshalb angefeindet werde – „da steckt doch immer noch ein Mensch dahinter“. Natürlich müsse jeder Polizist mit seinem Beruf ein gewisses Risiko verbinden, räumt Schnaars ein. „Aber auch wir haben das Recht, abends gesund nach Hause zu kommen.“ Womit er auf Vorfälle wie Silvester am Bahnhof oder an der Sielwallkreuzung anspielt, als Polizisten mit Pyrotechnik beschossen und beworfen wurden. „Das waren 800 bis 900 Grad heiße Feuerwerkskörper – das ist doch alles kein Scherz mehr.“
Wenn der Hauptkommissar von mangelndem Respekt und gesunkener Hemmschwelle spricht, hat er keineswegs nur die üblichen Verdächtigen aus Kreisen von Ultras, linken Autonomen oder rechten Hooligans im Blick. Eine polizeiliche Anordnung nicht akzeptieren zu wollen, spiegele sich quer durch alle Bevölkerungsschichten wieder. „Beim einen äußert sich das durch vulgäre Beschimpfungen, beim anderen durch arrogante Bemerkungen wie: Ich zahl doch schließlich mit meinen Steuern Ihr Gehalt.“
Steigende Frustration
Natürlich reagiere jeder Kollege darauf unterschiedlich. „Jeder ist anders gestrickt, jeder verarbeitet das auf seine Weise.“ Insgesamt sei die Frustration aber gestiegen, ist sich Schnaars sicher. Und das keineswegs nur wegen Vorfällen wie an Silvester. „Das sind bestimmte Gruppierungen, damit müssen wir umgehen.“ Doch was dann im Nachhinein zum Teil aus den Reihen der Politik gekommen sei, hätten etliche Kollegen und er selbst nur noch mit Entsetzen vernommen. „Wenn die Polizei keinen Rückhalt mehr bei der Politik hat, passt das nicht zu meinem Demokratieverständnis.“
Ebenso wenig wie der Umstand, dass in Bremerhaven kürzlich Angeklagte aus der Untersuchungshaft entlassen werden mussten, denen vorgeworfen wird, bei einer Verkehrskontrolle mehrere Polizisten verletzt zu haben. Prävention und Repression müssten in einem vernünftigen Verhältnis stehen, fordert Schnaars. „Als Polizist hat man aber den Eindruck, dass die Repression zuletzt oft zu kurz kam.“
Immerhin, an beiden Fronten hat der 49-Jährige zuletzt „zarte Pflänzchen der Hoffnung“ ausgemacht. Im juristischen Bereich ist damit das Delikt „Tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte“ gemeint, das 2017 in Paragraf 114 des Strafgesetzbuchs verankert wurde. Und auch die Bedeutung der Unterstützung der Polizei durch die Politik sei in Bremen angekommen. „Ich glaube, unsere Probleme werden inzwischen von den meisten gesehen. Insgesamt sind wir da in Bremen auf ganz gutem Wege.“
Die Freude an seinem Beruf will er sich ohnehin nicht nehmen lassen. „Klar, wir werden jeden Tag mit Gewalt konfrontiert. Aber ich sehe auch auf das Positive. Man hilft Menschen, dazu der Umgang mit Kollegen – das gibt mir Berufszufriedenheit.“