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Bremer Innenstadt Brennpunkt Bahnhof

Die Verhältnisse am Bremer Hauptbahnhof spitzen sich zu. Im vergangenen Jahr gab es einen weiteren Anstieg bei Raub und Körperverletzungen. Ein Krisentreffen hat das Ausmaß der Misere deutlich gemacht.
13.05.2022, 21:50 Uhr
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Brennpunkt Bahnhof
Von Jürgen Hinrichs

Schlägereien, Drogenkonsum, Alkoholexzesse, Pöbeleien – die Situation am Bremer Hauptbahnhof ist dramatisch schlecht. Nach Angaben der Polizei wurde im vergangenen Jahr ein neuer Höchststand bei Raub und Körperverletzungen registriert. Der Bahnhof ist schon lange kein sicherer Ort mehr, und das darf  nicht länger so bleiben, es muss dringend und sofort etwas passieren – diesen Tenor hatte am Freitag ein Krisentreffen von Innensenator Ulrich Mäurer (SPD), Handelskammer, Wirtschaftsbehörde und Anrainern des Bahnhofsvorplatzes. "Wir brauchen ein robustes Ordnungsrecht in dieser Stadt", forderte Mäurer. Was los ist am Bahnhof, verrät eine Zahl der Polizei: In den ersten vier Monaten dieses Jahres wurden dort 981 Platzverweise erteilt.

Der Senator machte aus seiner Ungeduld keinen Hehl: "Wir hatten zu dem Thema schon sehr viele Runden." Es gebe seit Januar zwar den Aktionsplan der Regierung, und seine Behörde könne sicherlich der Motor für eine Verbesserung der Lage sein, liefern müssten aber auch die Ressorts Soziales, Gesundheit und Verkehr. "Das dauert alles entsetzlich lange", beklagte Mäurer. Die Erfolge, für die Drogenszene Alternativen zum Bahnhof anzubieten, um die Probleme zu entzerren, seien "sehr bescheiden". Auch mit dem sogenannten Szenetreff, einer Anlage am Eingang des Gustav-Deetjen-Tunnels, in der es Kaffee, Wasser und eine Toilette gibt, sei man wegen des geringen Platzes und der begrenzten Öffnungszeiten "auf halbem Wege stehengeblieben".

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Eduard Dubbers-Albrecht wünscht sich den Bahnhof als Ort der Willkommenskultur, diese Funktion erfülle er aber in keiner Weise, sondern schrecke im Gegenteil ab, sagte der Handelskammer-Präses. "Wir müssen deshalb dringend etwas tun und nicht immer nur klagen", so Dubbers-Albrecht. Mäurer sei nichts vorzuwerfen, das Hindernis bestehe vielmehr in der  Uneinigkeit des Senats. Der Präses spielte auf den Konflikt des Senators mit dem Koalitionspartner von den Linken an. Die Partei weigert sich, das Ortsgesetz zu verschärfen und legt den Akzent stattdessen stärker auf eine bessere Versorgung der Drogenabhängigen. Mäurer verlegt sich deshalb jetzt darauf, das bestehende Gesetz maximal auszuschöpfen, um zum Beispiel Alkoholgelage aufzulösen und zu verhindern, dass die Wartebänke an den Haltestellen von Bussen und Bahnen dauerhaft belegt werden.

"Sauberkeit und Ordnung betrachten bestimmte politische Kräfte als ein Thema für Spießer", mokierte sich Matthias Fonger, Hauptgeschäftsführer der Handelskammer. Dabei sei es das Recht der übergroßen Mehrheit, sich in einer sicheren Umgebung aufhalten zu können. Die Räume am Bahnhof müssten bei allem Verständnis für das Leid der Drogenkranken zurückerobert werden, zum Beispiel mit Veranstaltungen für ein breites Publikum. Fonger forderte außerdem ein Alkoholverbot, genau das, womit die CDU im März mit einem Antrag in der Bremischen Bürgerschaft gescheitert war. Bei Trink-Exzessen müsse auch mal "abgeräumt" werden.

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Alle Teilnehmer des Treffens betonten, wie enorm wichtig es sei, dass die Ordnungskräfte am Bahnhof stärker Präsenz zeigen. Die Polizei berichtet auf Anfrage, dass die gemeinsamen Streifen mit dem Ordnungsamt zum Jahresbeginn weiter ausgebaut worden seien. Mit der wärmeren Jahreszeit sollen die Zeiten noch einmal angepasst werden. "Ohne eine ständige Präsenz haben wir keine Chance", betonte der Innensenator. Im Bahnhofsumfeld habe es in diesem Jahr bereits 2000 Personenkontrollen gegeben. Hinzu komme die flächendeckende Videoüberwachung: "Wir sehen in diesem Bereich wirklich alles." Es gebe keinen Platz in Bremen, der so engmaschig kontrolliert werde. Die Hoffnung, das Sicherheitsgefühl zu verbessern, habe sich allerdings nicht erfüllt, räumte der Senator ein: "Die Bevölkerung bleibt davon völlig unberührt, sie lässt sich mehr von dem Elend beeindrucken, neuerdings vor allem bei Menschen in der Crack-Szene."

Die Anrainer des Bahnhofsvorplatzes haben sich vor drei Jahren zu dem Verein "Attraktiver Bremer Bahnhof" zusammengeschlossen. Vorsitzender ist Fritz Rössler, Eigentümer des "Hotel zur Post". Er sprach am Freitag von "unhaltbaren Zuständen", gestand den Behörden aber zu, dass es mit der Sauberkeit etwas besser geworden sei, auch würden jetzt mehr Ordnungskräfte patrouillieren. Rössler wünscht sich, dass der Rasenplatz vor dem Überseemuseum, ein beliebter Trinkertreffpunkt, umgestaltet und möglichst oft mit Veranstaltungen belegt wird – ein Ansatz, den die Wirtschaftsbehörde ausdrücklich teilt. Sie will dafür Geld zur Verfügung stellen, kündigte Christel Lübben für das Ressort an: "Wir haben großes Interesse, den Platz dauerhaft zu bespielen."

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