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Umgang mit Verwahrlosung ist Streitthema Am Bremer Hauptbahnhof darf weiter Alkohol getrunken werden

Der Umgang mit den Verwahrlosungserscheinungen im Umfeld des Bremer Hauptbahnhofs bleibt ein Streitthema für die Politik. In der Stadtbürgerschaft prallten die Ansichten am Dienstag aufeinander.
22.03.2022, 20:02 Uhr
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Am Bremer Hauptbahnhof darf weiter Alkohol getrunken werden
Von Jürgen Theiner

Im Umfeld des Bremer Hauptbahnhofs wird es bis auf Weiteres kein flächendeckendes Alkoholverbot geben. Die CDU scheiterte am Dienstag in der Stadtbürgerschaft mit einem entsprechenden Antrag an der Mehrheit der rot-grün-roten Koalition. Auch ein Vorschlag der FDP, mit wissenschaftlicher Hilfe ein Konzept zur Eindämmung der Alkohol- und Drogenprobleme am Bahnhof und ihrer sozialen Folgen zu erstellen, fiel durch.  Eingebracht hatte die CDU ihren Antrag bereits im Dezember vergangenen Jahres, also noch bevor sich SPD, Grüne und Linke im Januar nach langem Ringen auf einen sogenannten "Aktionsplan Hauptbahnhof" verständigt hatten. Er sieht neben strikterem polizeilichen Einschreiten gegen Trink-Exzesse und Drogenkonsum auch eine Ausweitung von Hilfsangeboten für Süchtige vor – unter anderem ausgeweitete Öffnungszeiten in einem nahen Szenetreff und einen neuen Drogenkonsumraum.

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Die Entwicklung hatte den CDU-Antrag also zwischenzeitlich überholt, gleichwohl stellten die Christdemokraten ihren Antrag unverändert zur Abstimmung. Das Ortsgesetz über die öffentliche Ordnung, so die Forderung der Christdemokraten, solle geändert werden, unter anderem durch ein Alkoholverbot für den  Bahnhofsvorplatz, die BSAG-Haltestellen und den Bereich vor dem Überseemuseum. In der Debatte wurden erneut die unterschiedlichen Ansätze im Kampf gegen die Verwahrlosung des Bahnhofsumfeldes deutlich.

Marco Lübke, CDU: Für den Christdemokraten ist das Bild, das sich insbesondere im Bereich der BSAG-Haltestellen häufig bietet, schlicht "unerträglich". Von Aufenthaltsqualität könne schon lang keine Rede mehr sein. Stattdessen würden die vorhandenen Sitzgelegenheiten Tag und Nacht von Drogen- und Alkoholkonsumenten "belagert". Insbesondere ältere Menschen mieden den Bereich, und manche Eltern verböten ihren Kindern, an der BSAG-Haltestelle umzusteigen. "In was für einer Welt leben wir eigentlich?", fragte Lübke an die Adresse der Koalition, der er "Regierungsversagen" vorwarf.

Sofia Leonidakis, Linke: Die Linken ignorierten die Probleme im Bahnhofsumfeld durchaus nicht, versicherte deren Fraktionsvorsitzende. Allerdings sei es ein Irrglaube, dieser Probleme vor allem mit polizeilichen Mitteln Herr werden zu können. Es sei kein Zufall, so Leonidakis, dass sich die Lage gerade in der Corona-Pandemie wieder zugespitzt habe. Viele Menschen kämpften mit psychischen Problemen, bestehende Suchtkrankheiten hätten sich bei ihnen verschärft. Auf diese Personengruppe mit Hilfsangeboten zuzugehen, sei deshalb ein wichtiger Strang einer Gesamtstrategie. Die Suchtkranken einfach nur zu verdrängen, löse kein Problem.

Birgit Bergmann, FDP: Diesen Gedanken griff die Vertreterin der Liberalen auf. Polizeiliche Repression im unmittelbaren Bahnhofsbereich habe schon in der Vergangenheit eher zu einer örtlichen Verschiebung der Szene geführt. Nicht umsonst treffe man in Wohnanlagen im Umfeld inzwischen auf vergitterte Fenster – und auf Bewohner, die durch Vermüllung und andere Verwahrlosungserscheinungen frustriert seien. Bergmann empfahl dem Senat, die Arbeit des Vereins "Attraktiver Bremer Bahnhof" stärker zu unterstützen. Dieser Zusammenschluss aus Anwohnern und Gewerbetreibenden versuche unter anderem durch Veranstaltungen, die Qualität des Bahnhofsumfeldes zu verbessern.

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Kevin Lenkeit, SPD: Im Bahnhofsumfeld sei in den vergangenen Jahren schon viel Positives geschehen, attestierte der SPD-Innenpolitiker. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie hätten jedoch vieles wieder zunichte gemacht. Von einer wissenschaftlichen Analyse der Situation, wie sie die FDP fordert, riet Lenkeit ab. Was im Bahnhofsbereich geschehen müsse, sei "zu 90 bis 99 Prozent mit gesundem Menschenverstand zu erfassen", sagte der Sozialdemokrat. Er riet dazu, das im Aktionsplan zusammengefasste Maßnahmenbündel nun erst einmal wirken zu lassen. Allerdings: "Ohne klare ordnungspolitische Maßnahmen wird es nicht gehen."

Björn Fecker, Grüne: Der Innenpolitiker der Grünen sprach von einem "Abwägungsprozess", den die Politik leisten müsse. Natürlich sei es nicht akzeptabel, wenn Menschen ihren Weg zur Arbeit als Spießrutenlauf empfinden, weil sie von Alkohol- und Drogenabhängigen belästigt werden. Andererseits habe jeder das Recht, sich im öffentlichen Raum aufzuhalten. Es gelte daher, die ganze Bandbreite staatlichen Handelns zur Geltung zu bringen. Neben konsequentem polizeilichen Einschreiten sei deshalb auch eine intensivere aufsuchende Sozialarbeit nötig. Fecker riet außerdem dazu, etwas gegen die Ballung von Drogensubstitutionspraxen im Bahnhofsumfeld zu tun.

Olaf Bull, Innenstaatsrat: Der "Aktionsplan Hauptbahnhof" zeige bereits erste Wirkungen, lautete die Diagnose von Olaf Bull, dem Vertreter von Innensenator Ulrich Mäurer (SPD). Das zeige allein schon die hohe Zahl von Platzverweisen sowie straf- und ordnungsrechtlichen Verfahren, die seit Januar eingeleitet wurden. Verbessert habe sich auch die Sauberkeit, weil die Stadtreinigung am Bahnhof inzwischen noch präsenter sei. Klar sei jedoch: Für eine durchgreifende Verbesserung der Situation brauche es einen "langen Atem".

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