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Amt für Straßen und Verkehr Rick Graue: "Wollen die Verkehrswende in Bremen ernsthaft angehen"

Wie soll die Verkehrswende in Bremen gestaltet werden? Was die Politik beschließt, setzt das Amt für Straßen und Verkehr (ASV) um. Der neue ASV-Leiter Rick Graue spricht im Interview über die Herausforderungen.
16.11.2022, 05:00 Uhr
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Rick Graue:
Von Felix Wendler

Herr Graue, Sie haben zuvor die niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr in Verden geleitet. Was läuft in Bremen anders?

Rick Graue: Die Themen ähneln sich grundsätzlich, aber in einem Stadtstaat sind die Arbeitsweisen doch etwas anders. Neu ist, dass alles viel dichter ist. Wir bewegen uns in Bremen im urbanen Raum. In einem Flächenland hat man vergleichsweise wenige Straßen, die gleichzeitig Lebensraum sind. In Bremen ist das anders: Fast jede Straße ist Lebensraum – weil dort Menschen wohnen, arbeiten und einkaufen. Die Straßen stehen immer im Fokus, es gibt viele unterschiedliche Belange.

Und damit auch viele potenzielle Konflikte ...

Es muss nicht immer gleich ein Konflikt sein, aber natürlich treffen verschiedene Nutzungsansprüche und Interessen aufeinander. Im ländlichen Raum muss man sich bei einer Straßensperrung im besten Fall nur mit einem Anlieger absprechen, in Bremen sind es etliche. Da müssen wir dann oft den kleinsten gemeinsamen Nenner finden. 

Was sind die größten Herausforderungen für Sie und das ASV?

Zum einen der Fachkräftemangel. Auch wir haben altersbedingte Abgänge und brauchen Nachwuchs. Das sehe ich als große Herausforderung, aber auch als Chance. Wir wollen die Verkehrswende in Bremen ernsthaft angehen – nicht jede Stadt hat derart konkrete Pläne. Damit sind große Aufgaben verbunden, die uns als Arbeitgeber aber auch attraktiv machen könnten. Die Verkehrswende selbst ist natürlich auch eine Herausforderung, weil man damit direkt in das alltägliche Leben eingreift. Das muss kommuniziert und so gestaltet werden, dass es für alle Betroffenen verträglich ist. 

Braucht das ASV für die Verkehrswende eine neue Denkweise?

Jede Verwaltung muss sich den Gegebenheiten anpassen, aber "Alles neu" ist nicht das Ziel. Es geht auch darum, vorhandene Fachkompetenz zu erhalten. Die Denkweise bei den Beschäftigten ist schon da. Es liegt in der Natur der Sache, dass wir als Verwaltung nicht so stark wahrgenommen werden. Bislang sind wir eher technisch geprägt, aber zukünftig wird die Kommunikation eine größere Rolle spielen. Da müssen wir uns noch breiter aufstellen.

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Man könnte ja denken, dass jetzt zum Beispiel Experten für Radinfrastruktur gesucht werden. 

Radverkehr ist nur eine Verkehrsart. Grundsätzlich unterscheiden sich die baulichen Anforderungen kaum: Wenn ich eine Straße bauen kann, kann ich auch einen Radweg bauen. Man muss es eher so sehen, dass sich die Leute jetzt intensiver damit beschäftigen können. Vorher war das begleitend: Die Straße hatte einen Radweg, der mitgebaut wurde. Jetzt hat der Radweg einen anderen Stellenwert, bekommt mehr Raum in der Planung. 

Ihr Vorgänger hat das Amt nach nur einem Jahr wieder verlassen. Zuvor war die Leitung lange kommissarisch besetzt, weil sich kein geeigneter Kandidat gefunden hatte. Was macht die Leitung des ASV so schwierig?

Ich würde das gar nicht auf das ASV beziehen, weil die Probleme und Herausforderungen in diesem Bereich überall ähnlich sind. Man hat mit dem Fachkräftemangel zu kämpfen und muss trotzdem viele Projekte anschieben. Gleichzeitig hat die Öffentlichkeit eine gewisse Erwartungshaltung – sie erwartet, dass die Projekte zeitnah umgesetzt werden. Dieses Spannungsfeld ist nach meiner Wahrnehmung in allen Straßenbaubehörden vorhanden.

Was reizt Sie an der Position?

Es ist eine einmalige Chance, in einem Bereich tätig zu sein, in dem man so stark auf die Entwicklung der Stadt Einfluss nehmen kann. Dafür hat es schon lange nicht mehr so viele Möglichkeiten wie heute gegeben. Was mir auch gefällt: Wenn ich die Infrastruktur mitgestalte, kann ich die Ergebnisse sehen.  

Wie stark können Sie denn überhaupt Einfluss nehmen? Das ASV ist ja an politische Beschlüsse gebunden.

Klar, die politische Rahmensetzung ist nicht unsere Aufgabe. Wir versuchen, die Beschlüsse bestmöglich umzusetzen. 

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Gibt es Beschlüsse, bei denen Sie sich an den Kopf gefasst haben?

An den Kopf gefasst habe ich mich nicht. Aber manchmal hat man rechtliche Rahmenbedingungen, die etwas nicht zulassen – zum Beispiel, wenn jemand Geschwindigkeitsbegrenzungen fordert. Das ist dann grundsätzlich nachvollziehbar, aber rechtlich nicht immer umsetzbar. Komplett konträre Beschlüsse sind sehr selten. 

Welche großen Bauprojekte stehen in nächster Zeit an?

Nächstes Jahr beginnen weitere vorbereitende Arbeiten für die Verlängerung der Straßenbahnlinie 2 und die Radpremiumroute am Hastedter Osterdeich. Ansonsten haben wir viele bestehende Projekte, die teilweise noch deutlich sichtbarer werden. Am Alten Postweg bauen wir die Straße zu einer Fahrradstraße um, an der Langen Reihe in Walle entsteht auch eine Fahrradstraße. Der Wallring wird weitergebaut, ebenso die Eisenbahnbrücke in Sebaldsbrück. 

Das Gespräch führte Felix Wendler.

Zur Person

Rick Graue (35)

leitet seit Juni das Amt für Straßen und Verkehr (ASV). Zuvor führte Graue anderthalb Jahre die niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr in Verden. Sein Studium hat der Bauingenieur an der Hochschule Bremen absolviert.

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