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Grundsatzurteil Aufgesetztes Parken: Bundesgericht gibt Bremer Klägern teilweise recht

Das Bundesverwaltungsgericht hat ein Urteil zu der Klage von Bremer Anwohnern gefällt. Wie es mit dem Gehwegparken nun weitergehen soll.
06.06.2024, 19:26 Uhr
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Von Felix Wendler

Bremen darf beim Vorgehen gegen das aufgesetzte Parken weiterhin priorisieren und muss nicht unmittelbar gegen Verstöße einschreiten. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVG) in Leipzig am Donnerstagabend entschieden. Gleichzeitig erkennt das Gericht eine gewisse Schutzwürdigkeit betroffener Anwohner an und legt fest, dass deren Anträge erneut geprüft werden müssen.

Vorausgegangen war die mündliche Verhandlung einer Klage von fünf Bremern und Bremerinnen gegen die Stadtgemeinde. Wie berichtet, versuchen die Anwohner und Eigentümer aus Wohnstraßen in Findorff, der Neustadt und dem Viertel seit mehreren Jahren, auf dem Rechtsweg ein konkreteres Vorgehen gegen das Gehwegparken zu erzwingen. Mit seiner Entscheidung bekräftigt das BVG in Teilen das vorinstanzliche Urteil des Bremer Oberverwaltungsgerichts (OVG), das den Behörden bei ihrem Vorgehen einen relativ großen Ermessensspielraum eingeräumt hatte.

Verkehrssenatorin sieht Urteil als Erfolg

„Wir begrüßen, dass das höchste Verwaltungsgericht in Leipzig heute ein Urteil getroffen hat. So ist in letzter Instanz Rechtsklarheit geschaffen worden. Dadurch sind wir in unserem ganzheitlichen, konzeptionellen Vorgehen bestätigt worden: Wir haben zunächst die am stärksten belasteten Quartiere ermittelt, Straßen mit besonders geringer Restgehwegbreite priorisiert und ein entsprechendes Konzept für ein stadtweites Vorgehen umgesetzt", erklärt Bremens Verkehrssenatorin Özlem Ünsal (SPD).

Andererseits sehen auch die Kläger das Urteil, das in den kommenden Wochen noch ausführlich schriftlich begründet wird, als Erfolg. Cerstin Kratzsch, Klägerin aus Findorff, verweist auf die Anerkennung der sogenannten drittschützenden Wirkung. Damit ist gemeint, dass auf Teilen des Gehwegs eine Schutzbedürftigkeit der betroffenen Anwohner besteht, die über das öffentliche Interesse hinausgeht. Das Gericht verortet diesen Bereich auf der eigenen Straßenseite bis zur Einmündung in die nächste Querstraße. Darüber habe vorher Unklarheit geherrscht, sagt Kratzsch. Dass das BVG kein Urteil vollständig im Sinne einer Partei fällen würde, sei absehbar gewesen. Die Entscheidung sei "ein Schritt in die richtige Richtung" und zwinge die Behörde zum Handeln.

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Unstrittig war bereits vor der Verhandlung, dass das Gehwegparken illegal ist und in Bremen jeden Tag tausende Autofahrer gegen geltendes Recht verstoßen. Ebenso herrschte weitgehend Einigkeit darüber, dass die Bremer Behörden diesen seit Jahrzehnten etablierten Rechtsbruch nicht mehr ignorieren dürfen, ihn aber auch nicht in kurzer Zeit vollständig unterbinden können.

In der BVG-Verhandlung wurde die strittige Frage diskutiert, was genau die Beklagten gegenüber den Klägern leisten können und müssen. Die Anwohner sehen die Behörden in der Pflicht, gegen eine offensichtliche Rechtsverletzung vorzugehen – nicht irgendwann und als Teil eines übergeordneten Plans, sondern zeitnah und konkret in ihren Straßen. Die Straßenverkehrsbehörde sei dafür zuständig, die Straßenverkehrsordnung umzusetzen, sagte Andreas Reich, der Anwalt der Kläger.

Die Behörde will das Problem des Gehwegparkens lösen, sich dabei aber nicht von einzelnen Anträgen drängen lassen. Würde jeder Anwohner vor Gericht ziehen, um die Autos in seiner Straße vom Gehweg entfernen zu lassen, wäre die Behörde bald überlastet und könnte keinem geordneten Plan zur Bekämpfung des Problems mehr nachgehen – so die Sichtweise der Beklagten. Dementsprechend warnte deren Anwältin Claudia Nottbusch vor einem Urteil zugunsten der Kläger. Ihrer Ansicht nach wäre es zudem unfair, bestimmten Anwohnern lediglich aufgrund einer Klage Vorrang einzuräumen, obwohl der Handlungsbedarf in anderen Gebieten möglicherweise größer sei.

Spannungen in der Regierungskoalition

Für politische Spannungen sorgt die BVG-Verhandlung auch innerhalb der Bremer Regierungskoalition. Dem Grünen-Verkehrspolitiker Ralph Saxe reicht das Vorgehen des Verkehrsressorts nicht aus. "In Bremen erwarten wir nach dem Urteil jetzt zeitnah und schlüssig deutlich mehr als die Herstellung von Rettungssicherheit in den Wohnstraßen der Quartiere – nämlich ein stadtweites Konzept mit klaren Prioritäten und klaren Zeitvorgaben zur fußgängerfreundlichen und verkehrssicheren Ordnung des Parkens", sagt Saxe. Anders als Ünsal sieht er in dem Urteil einen deutlichen Erfolg der Klägerseite.

Die Bremer FDP nimmt die Verhandlung zum Anlass, erneut auf die Bedeutung des Parkraums zu verweisen. Es sei ein Grundbedürfnis, das eigene Fahrzeug abstellen zu können, sagt Fynn Voigt, verkehrspolitischer Sprecher der FDP. Eine weitere Verknappung des Parkraums hätte "katastrophale Folgen".

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