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Urteilsbegründung Aufgesetztes Parken: Gericht räumt Bremer Behörden Spielraum ein

Das Oberverwaltungsgericht räumt Bremen Spielraum beim Vorgehen gegen Gehwegparker ein. Ein Anwalt beurteilt die Pläne des Innensenators für einen "Parkfrieden" unterdessen als rechtswidrig.
03.03.2023, 15:38 Uhr
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Aufgesetztes Parken: Gericht räumt Bremer Behörden Spielraum ein
Von Felix Wendler

Das Streitthema aufgesetztes Parken hat am Freitag in doppelter Hinsicht neue Brisanz bekommen. In einer lange erwarteten Urteilsbegründung bezog das Oberverwaltungsgericht (OVG) Stellung, wie Bremen zukünftig mit der jahrelang geduldeten Park-Praxis umzugehen habe. Geklagt hatten Bewohner aus der Östlichen Vorstadt, Neustadt und Findorff.

Das Gericht bestätigt zwar das vorinstanzliche Urteil, demzufolge die Behörden gegen das Gehwegparken vorgehen müssen, räumt diesen dabei aber einen größeren Ermessensspielraum ein. Der entscheidende Satz lautet: "Eine Pflicht der Straßenverkehrsbehörde, unmittelbar gegen die verkehrsordnungswidrig parkenden Fahrzeuge einzuschreiten, besteht nach Auffassung des Gerichts jedoch nicht." Das Gericht begründet dies damit, "dass die betroffenen Gehwege in den Straßen der Kläger noch immer – wenn auch eingeschränkt – nutzbar sind". Zum Beispiel sei die Gesundheit der Fußgänger nicht konkret gefährdet, da diese in den betroffenen Straßen nicht auf die Straße ausweichen müssten. 

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Dieser Ermessensspielraum bleibe auch "in Anbetracht der Dauer und Häufigkeit der Verstöße bestehen", heißt es weiter. Das hatte die Vorinstanz noch anders beurteilt. Das Gericht bezeichnet es als "sachgerecht", dass die Verkehrsbehörde zunächst in den am stärksten betroffenen Quartieren gegen das aufgesetzte Parken vorgehen will. "Soweit dabei geplant ist, die Straßen mit besonders geringen verbleibenden Restgehwegbreiten priorisiert zu behandeln, ist dagegen
nichts einzuwenden", so das Gericht. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Sollten die Kläger Revision einlegen, würde in nächster Instanz das Bundesverwaltungsgericht verhandeln.

Das Gericht hat anerkannt, dass man angesichts begrenzter Ressourcen Schritt für Schritt vorgehen muss.
Innensenator Ulrich Mäurer

Bremens Verkehrssenatorin Maike Schaefer (Grüne) sieht die OVG-Entscheidung als Bestätigung dafür, dass das aufgesetzte Parken in vielen Bremer Wohnquartieren illegal sei. Auch der vom Senat verabschiedete Vier-Punkte-Plan zum rechtskonformen Parken werde bestätigt – dessen Umsetzung verzögert sich allerdings. Das OVG verlangt, dass dieses Konzept "tatsächlich und nachvollziehbar umgesetzt wird". Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) äußert sich zu diesem Punkt ähnlich wie seine Senatskollegin: "Das Gericht hat (...) anerkannt, dass man angesichts begrenzter Ressourcen Schritt für Schritt vorgehen muss".

Gleichzeitig verbucht Mäurer das Gerichtsurteil als Erfolg für seine Position im senatsinternen Streit. Wie berichtet, will der Innensenator mit seinem Konzept zum "Parkfrieden" das Gehwegparken im größeren Umfang als Schaefer ermöglichen. Der Findorffer Beirat hatte in der vergangenen Woche mit knapper Mehrheit für Mäurers Konzept gestimmt. Auch wenn das OVG nicht über die Frage verhandelt hat, ob und in welcher Form das Gehwegparken stellenweise legalisiert werden kann, sondern ausschließlich über das Vorgehen gegen die Falschparker: Auf die übergeordnete Debatte hat das Urteil allemal Auswirkungen.

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Diese Debatte setzt sich auch außerhalb der Gerichte und Senatsressorts fort. Noch vor Bekanntwerden des OVG-Urteils hat der Verein Klimazone Bremen-Findorff am Freitagmittag ein Rechtsgutachten vorgestellt, das sich mit Mäurers Parkraumkonzept beschäftigt. Die beauftragte Berliner Rechtsanwaltskanzlei kommt darin zu dem Schluss, dass Mäurers Vorschlag rechtswidrig sei. Der zuständige Anwalt Olaf Dilling ist der Auffassung, "dass die Vorschläge aus mehreren Gründen nicht in Übereinstimmung mit Bundesrecht sind, insbesondere den straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften über das Halten und Parken". Zudem würden die Verpflichtungen zur Barrierefreiheit und Nicht-Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen nicht ausreichend beachtet, heißt es in dem Gutachten, das dem WESER-KURIER vorliegt. 

Mäurers Vorschlag für den "Parkfrieden" sieht eine nutzbare Mindestbreite des Bürgersteigs von 1,50 Metern vor. Verkehrsanwalt Dilling sagt dazu: "Die vorgesehene Gehwegbreite von lediglich 1,50 Metern lässt den ungehinderten Begegnungsverkehr nicht zu und ist nicht barrierefrei." Diese Position nimmt auch Bremens Landesbehindertenbeauftragter Arne Frankenstein ein: Ein Unterschreiten von 1,80 Metern verstoße gegen die rechtlichen Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention. Dilling stört sich außerdem daran, dass Mäurers Konzept ein beidseitig aufgesetztes Parken in bestimmten Einbahnstraßen erlaube. Das sei laut Straßenverkehrsordnung unzulässig. Anzumerken ist, dass das Gutachten an einigen Stellen ausschließlich auf Aussagen basiert, die im Findorffer Beirat getroffen wurden – die Hintergründe bleiben teilweise offen.

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Olaf Dilling ist davon überzeugt, dass Mäurer als Innensenator ohnehin nicht dafür zuständig sei, Anordnungen in diesem Bereich zu erlassen. In sein Aufgabengebiet falle ausschließlich die Durchsetzung. Der Vereinsvorstand der Klimazone Findorff um Christoph Zimmermann-Rutsch und Ulf Jacob sieht sich durch das Gutachten in seiner Auffassung bestätigt: Der Beirat habe in der vergangenen Woche über etwas abgestimmt, das nicht rechtskonform sei. "Der Beirat könnte auch beschließen, dass man bei Rot über die Ampel gehen darf. Das ist aber nichts wert", sagt Zimmermann-Rutsch. "Wir erwarten, dass Mäurer seinen Vorschlag zurückzieht."

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