Sauna und Pool werden auch auf der neuen „Polarstern“ nicht fehlen. Und das freut Florian Koch ganz besonders. „Ich hab‘ vor meiner ersten Expedition zwar auch gedacht: Was will man mit einer Sauna und einem Pool auf einem Forschungsschiff“, sagt der Wissenschaftler, „aber wenn Sie stundenlang draußen im Eis ihre Arbeit gemacht haben, dann können Sie sich gar nicht vorstellen, wie großartig es sich anfühlt, in einer Sauna zu schwitzen.“
Sechs Expeditionen auf der „Polarstern“ hat Koch, Biologe am Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Bremerhaven, mitgemacht. Er war in der Antarktis, oft für mehrere Monate. Seit gut eineinhalb Jahren zählt er jetzt zu einem 20-köpfigen Projektteam des AWI, das dafür sorgen soll, dass die neue „Polarstern“ in fünf Jahren als das dann vielleicht modernste Forschungsschiff der Welt ihre Arbeit aufnehmen kann. Ein „Space Shuttle der Meere“ nennt Projektleiter Detlef Wilde das Schiff. Die neue „Polarstern“, die im Moment noch unter dem Projekttitel „Polarstern 2“ firmiert, diesen Namen aber nicht behält, wird ein Forschungsschiff der Superlative, größer, moderner, von AWI-Wissenschaftlern entwickelt und auf der TKMS-Werft von Thyssenkrupp in Wismar gebaut.

Teamchef Detlef Wilde, der vorher bei Airbus mehrere Raumfahrtprojekte verantwortet hat, sagt, dass die neue „Polarstern“ das „sauberste Schiff werde, das es je gab“.
1,2 Milliarden für Entwicklung und Bau
Da sind die Kosten: Knapp 1,2 Milliarden Euro nimmt das Forschungsministerium Entwicklung und Bau in die Hand. Da sind die Maße: 27 Meter breit, Tiefgang über elf Meter, 160 Meter lang und damit 40 Meter länger als die aktuelle „Polarstern“. Da ist die Kraft: 1,80 Meter dickes Eis soll sie brechen können im Vergleich zu den 1,20 Metern jetzt. Da ist die Ausstattung: Platz für zwei Helikopter, 80 Container, 13 Labore, neun Kräne, 50 Besatzungsmitglieder und bis zu 90 Forscher.
Teamchef Wilde, der vorher bei Airbus mehrere Raumfahrtprojekte verantwortet hat, spricht von einem „faszinierenden Auftrag, eigentlich nicht zu toppen“. Denn das neue Schiff wird einer Legende nachfolgen. Die aktuelle „Polarstern“ hat spektakuläre Expeditionen unternommen. Sie ist über 300 Tage im Jahr auf See, zwischen November und März in der Antarktis, in den Sommermonaten in arktischen Gewässern. Sie hat seit ihrer Indienststellung mehr als 1,96 Millionen Seemeilen oder 3,64 Millionen Kilometer zurückgelegt. Umgerechnet zweimal im Jahr umrundet die „Polarstern“ die Erde auf Höhe des Äquators.

„Man hat nur diesen einen Versuch“, sagt Florian Koch über den Druck, der auf den Wissenschaftlern lastet, die das große Privileg haben, ihre Forschung in der Antarktis auf der „Polarstern“ betreiben zu können.
Zwar sagt Polarstern-Fahrer Koch: „Die alte Dame ist noch sehr gut in Schuss.“ Aber eigentlich hätte sie, zwischen 1999 und 2001 generalüberholt, längst im Ruhestand sein sollen. Auf 30 Jahre war ihre Dienstzeit ursprünglich berechnet worden. Wenn sie wie geplant 2030 von der letzten Fahrt in ihren Heimathafen Bremerhaven einläuft, wird sie fast 50 Jahre im Einsatz gewesen sein. „Es ist ein großes Privileg, auf so einem Schiff mitfahren zu dürfen“, sagt Koch, „ich komme in Regionen, in die sonst kaum ein Mensch vordringt.“ Dafür nimmt er einiges in Kauf. Fünf Kinder und seine Frau sind mitunter monatelang auf sich gestellt und ohne Papa.
Wissenschaftler aus aller Welt
Wissenschaftler aus aller Herren Länder, einige der Besten in ihrem jeweiligen Fach, betreiben an Bord Forschung auf höchstem Niveau; Biologinnen und Geologen, Ozeanografen und Glaziologen, Ingenieurinnen und Mathematiker, Chemiker und Geophysiker. Hochwertig ist auch die technische Ausrüstung, zu der unter anderem ein Unterwasserfahrzeug gehört, das bis in 6000 Meter Tiefe tauchen kann, Bohrgerät, um bis zu 60 Meter lange Sedimentkerne aus dem Boden der Tiefsee zu ziehen, Tauchroboter, Drohnen.
Entsprechend ambitioniert sind die Forscherinnen und Forscher. Geregelte Arbeitszeiten und einen verbindlichen Feierabend kennen sie während ihrer Zeit an Bord nicht. „Man hat nur diesen einen Versuch“, sagt Koch, „man hat sich akribisch vorbereitet und arbeitet so viel, wie man kann. Ob man um drei Uhr nachts, neun Uhr morgens oder zehn Uhr abends seine Experimente durchführt, spielt dann keine Rolle.“ Man mache einfach und lebe trotz Internet in einem abgeschotteten System, das aber als Team, „auf so einer Fahrt wächst man als Gruppe zusammen“.
Koch will auf jeden Fall auch auf der neuen „Polarstern“ mitfahren. Er kann dann hautnah erleben, wie sich das anfühlt, was sie jetzt noch am Reißbrett entwickeln. Den sogenannten Moonpool zum Beispiel. Auf der aktuellen „Polarstern“ gibt es diese Öffnung im Rumpf des Schiffes nicht. Der Moonpool ermöglicht Tauchern, Robotern und anderen Geräten auf der neuen „Polarstern“ einen geschützten Einstieg ins Wasser, selbst wenn das Schiff im Eis eingeschlossen ist. Die Forscher müssen dafür künftig nicht mehr jedes Mal Löcher ins Eis bohren.

Eis, so weit das Auge reicht: Das Bremerhavener Forschungsschiff „Polarstern“
liegt im Frühjahr 2020 während der einjährigen Mosaic-Expedition im Eis der Zentralarktis.
Vorteile beim Antrieb
Auch beim Antrieb soll die neue „Polarstern“ Vorteile haben. Sie tritt mit dem Anspruch an, „das sauberste Schiff zu werden, das es je gab“, wie Projektchef Wilde es ausdrückt. Das Schiff wird auch mit grünem Methanol fahren können, einem umweltfreundlicheren Kraftstoff, der weniger Emissionen verursacht als herkömmlicher Schiffsdiesel. Und deutlich leiser soll die neue „Polarstern“ zum Wohle der Meeresbewohner auch unterwegs sein.
Was in fünf Jahren mit der aktuellen „Polarstern“ passiert, steht noch nicht fest. In zwei Jahren muss sie noch einmal zum "Schiffs-TÜV" und dürfte bei bestandener Prüfung noch bis 2032 weiterfahren. Vielleicht findet sie danach einen neuen Betreiber, vielleicht wird sie auch zu einem schwimmenden Museum. Das, finden diejenigen, die in ihrem Leben bis heute mit der „Polarstern“ zu tun hatten, wäre nicht weniger als absolut angemessen, das „Flaggschiff der deutschen Klimaforschung“.