Die Bücherfreunde in der Vahr und die, die es werden wollen, können sich freuen: Sie werden in Zukunft leichter ihre Bibliothek besuchen können. Eigentlich ist es völlig unverständlich, dass eine solche Nachricht als frohe Botschaft aufgefasst werden muss. Aber die positive Nachricht ist auch mit einer Einschränkung versehen: Arbeit in Bibliotheken ist auch in naher Zukunft am Sonntag nicht erlaubt. Nicht in Bremen und auch nicht anderswo.
Das Bundesarbeitszeitgesetz verhindert das. Das könnte man natürlich ändern. Es ist mir völlig unverständlich, warum in die Ausnahmeliste des Bundesarbeitsgesetzes andere kulturelle Einrichtungen wie Museen, Theater und sogar wissenschaftliche Bibliotheken aufgenommen wurden, Stadtbibliotheken aber nicht.
Um das zu ändern braucht es Mehrheiten, und die zu schaffen ist offenbar nicht so leicht. Es gibt zwei sehr gewichtige gesellschaftliche Gruppen, die sich quer stellen. Die Kirchen und die Gewerkschaften. Die Kirchen möchten die Sonntagsruhe bewahren und die Gewerkschaften, ihre Kollegen von Sonntagsarbeit schützen. Das sind nachvollziehbare und ehrenwerte Gründe, die ich auch im Prinzip teile. Ruhepausen haben eine wichtige qualitative Bedeutung für die Gesellschaft – und der Sonntag steht dafür wie kein anderer Tag und wir sollten ihn gegen die zunehmende kommerzielle Nutzung schützen. Dazu stehe ich.
Es geht um die Teilhabe an Kultur
Aber darum geht es hier ja nicht. Hier geht es um die Teilhabe an Kultur. Angesichts vieler gesellschaftlicher Veränderungen (Ganztagsschule, erhöhter Arbeitsdruck) ist die Teilhabe an Wochentagen schwieriger bis unmöglich geworden. Der Sonntag hingegen bietet noch die notwendige Muße und eben auch für Familien die Möglichkeiten, gemeinsam etwas zu unternehmen, eben auch einen gemeinsamen Bibliotheksbesuch. Bibliotheken sind heute nicht einfach Aufbewahrungs- und Verleihorte für Bücher, sondern Orte zum Entdecken, zum Lernen und zur individuellen Freizeitgestaltung. Bibliotheken müssen dann geöffnet sein, wenn die Menschen Zeit haben, sie zu nutzen.
Da gibt es viele Leute, die sich mit großem Engagement für die Leseförderung einsetzen. Beispielsweise die Initiative „Leselust“, die Ulrike Hövelmann vor Jahren, als die ersten, für Bremen so niederschmetternden Pisa-Ergebnisse bekannt geworden waren, ins Leben gerufen und seitdem mit großem Erfolg und mit vielen Unterstützern in Bremen etabliert hat.
Wie schön wäre es doch, wenn die Kinder, die durch diese und andere Aktivitäten zum Lesen ermuntert worden sind, am Sonntag mit ihren Eltern oder, wenn sie etwas älter sind, auch allein, in die Bibliotheken gehen und ganz entspannt im dortigen Bücher- und Medienangebot stöbern und mit Hilfe von Bibliothekarinnen und Bibliothekaren orientieren könnten. Dass dafür dann auch Menschen arbeiten müssen ist unvermeidlich, und nicht nur Aufpasser, sondern Fachleute. Bibliothekarinnen und Bibliothekare sind schließlich keine leicht ersetzbaren Buchverwalter und -beschaffer.
Vielleicht ist es nur noch eine Frage der Zeit bis zur vollständigen Sonntagsöffnung. Die Leiterin der Stadtbibliothek, Barbara Lison, nutzt ihre Möglichkeiten, dieses Ziel zu erreichen. Vor sechs Jahren bereits hat sie es geschafft, dass ein zeitlich befristetes Pilotprojekt in der Stadtbibliothek Bremen durchgeführt werden konnte: An jedem ersten Sonntag der Monate November bis April wurde die Zentralbibliothek von 14 bis 18 Uhr geöffnet.
Willi Lemke (72) schreibt jeden Sonnabend im WESER-KURIER über seine Heimatstadt und was ihn in dieser Woche in Bremen bewegt hat.