Ab sofort haben alle Inhaber eines gültigen Bibliotheksausweises die Möglichkeit, die Stadtbibliothek zu besuchen, wenn deren Mitarbeiter bereits nach Hause gegangen sind. „Open Library“ nennt sich das Projekt, das nun in Bremen erstmals in der Bibliothek im Einkaufszentrum Berliner Freiheit in der Vahr getestet wird.
Finanziert wurde es aus Mitteln eines Sonderfonds der Senatorin für Finanzen. Es sei wichtig, betonte Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne) bei der Vorstellung des Projektes in der Vahr, Orte zu finden, die verstärkt als Treffpunkt und Anlaufstelle fungieren. Die Bibliotheken seien solche wichtigen Orte in den Stadtteilen. Sie seien sogar die „Speerspitzen der Quartierentwicklung“, fügte Andreas Mackeben von der Kulturbehörde hinzu. Die Bibliotheken leisteten zudem einen wichtigen Beitrag im Bereich der Leseförderung.
Gerade deshalb sei es wichtig, Öffnungszeiten und Umfang des Angebots besser mit den Bedürfnissen der Bürger, die zum Beispiel lange arbeiten oder auf Öffnungszeiten am Wochenende angewiesen sind, in Einklang zu bringen. Digitale Hilfsmittel könnten das Erreichen dieser Ziele vereinfachen.
„Wir hoffen, dass wir die Öffnungszeiten in Zukunft noch mehr erweitern können“, sagte auch Barbara Lison, leitende Bibliotheksdirektorin der Stadtbibliothek Bremen. Die jetzt gestartete Testphase in der Vahr sei nur der Anfang. Mittwochs von 14 bis 18 Uhr sowie sonnabends zwischen 14 und 16 Uhr steht die Bibliothek ihren Nutzern nun zusätzlich zur Verfügung – zur freien Nutzung ohne Personal. Denn genau das ist das Konzept der „Open Library“: Volljährige Nutzer können sich mit ihrem Bibliotheksausweis selbst Zugang zu den Räumlichkeiten verschaffen, Bücher zurückgeben, ausleihen oder beispielsweise das Internet nutzen – selbstständig und ohne dass Bibliotheksmitarbeiter anwesend ist.
Erste Städte haben das Konzept bereits erfolgreich umgesetzt
In Dänemark ist das Konzept bereits weit verbreitet. Und auch in Deutschland haben Städte wie Hamburg, Norderstedt, Bielefeld oder Hannover das Angebot bereits erfolgreich umgesetzt. Die Erfahrungen, die ihre Kollegen dabei bisher gemacht haben, haben auch Barbara Manke, Leiterin der Bibliothek in der Vahr, darin bestätigt, den Schritt in Richtung erweiterte Öffnung zu gehen. Bedenken wie eine erhöhte Diebstahlsrate oder Vandalismus hätten sich in anderen Städten nicht bestätigt.
Nach einer ersten Testrunde von acht Wochen soll das Angebot in der Vahr auf die Abendstunden (montags und mittwochs von 18 bis 20 Uhr) ausgedehnt werden. Auch in der Bibliothek in Vegesack wird es voraussichtlich ab Ende des Jahres für Nutzer die Möglichkeit geben, die Türen selbst zu öffnen. 55 000 Euro hat der Senat für die Umrüstung der ersten Zweigstelle zur Verfügung gestellt. Für Vegesack wird noch einmal die gleiche Summe investiert. So viel kostet es, die Häuser fit zu machen für ein System, dass in großen Teilen zwar auf Vertrauen, genauso aber auch auf einer gewissen Bewachung beruht.
Neue Türen und ein neues Computersystem, das unter anderem das Licht oder Lautsprecheransagen steuert, sind nur ein Teil der notwendigen Umrüstungsmaßnahmen. Auch ein Umbau der Servicebereiche ist notwendig, damit Nutzer keinen Zugang zu personenbezogenen Daten sowie zu Räumen und dem technischen Equipment der Mitarbeiter haben. Außerdem erfordert ein „Open Library“-Ansatz Kameras, die alle Anforderungen des Datenschutzes erfüllen, im Ernstfall aber auch ausgewertet werden können, um zum Beispiel Diebstähle aufzuklären.
Dass in näherer Zukunft auch die Zentralbibliothek am Wall für eine erweiterte Nutzung umgerüstet wird, hält Lison für schwierig, da die Räumlichkeiten größer und komplexer sind als beispielsweise in der Vahr. „Wenn dort alles genauso abgesichert werden müsste wie hier, wird es schwierig, die Kosten dafür aufzubringen“, sagt sie. Langfristig gesehen könne man vielleicht irgendwann über die Öffnung einzelner Bibliotheksbereiche nachdenken. „Für solche Planungen brauchen wir aber erst einmal die Erfahrungen aus den Zweigstellen“, sagt Lison. In der Vahr hat man in den vergangenen zwei Wochen bereits einen kleinen Test mit seinen Kunden gestartet. Das Ergebnis: Zehn bis 20 Besucher täglich kamen während der „Open Library“-Zeiten vorbei. Und das, ganz ohne dass das Projekt vorab beworben wurde.