Rockstar, das wär’s gewesen. Aber dann hat das Leben von Andreas Bovenschulte andere Wege genommen, als die, von denen er als Jugendlicher träumte. Sie haben ihn unter anderem in die SPD und als Chef des Senats ins Bremer Rathaus geführt und in dieser Funktion, als neuer Bürgermeister, am Freitagabend auf die Oceana zum WESER-Strand, dem Talk-Format des WESER-KURIER, mit Moderatorin Bärbel Schäfer. „Ja, ich wäre gerne Rockstar geworden“, sagt also Bovenschulte, „ich finde, das kann man auch ruhig sagen.“
Musikalisch hat er’s – anders als von Schäfer vermutet, die ihn eher im Genre Deutschpop à la Mark Forster verortet hatte – übrigens gerne etwas wilder. „Ich komme ursprünglich aus dem Punk“, sagt Bovenschulte, „ich mag auch gerne Ska.“ Seine Lieblingsband: die Red Hot Chili Peppers. Und klar, auf Festivals treffe man ihn auch noch. „Senioren-Hurricane“, nennt der Bürgermeister seine Besuche in Scheeßel, „Senioren“ deshalb, weil er und seine Frau Ulrike Hiller inzwischen ihren Töchtern das Campen auf dem Festival-Gelände überlassen und die Nächte statt auf der Luftmatratze lieber im heimischen Bett verbringen.
Es sind kleine, persönliche Anekdoten wie diese, mit denen Andreas Bovenschulte bei den Gästen gut ankommt. Das gilt auch, als er auf Bitten Schäfers zur Gitarre greift und eine Probe seines Könnens gibt: „Auf der Mauer, auf der Lauer“. „Das ist aber kein Punk!“, wendet Schäfer ein. Kann Bovenschulte aber auch und stimmt den alten Ramones-Schlachtruf „Hey, ho, let‘s go...“ an. Die musikalische Probe hat er locker bestanden, das Publikum auf seiner Seite an diesem Abend, der übrigens der letzte WESER-Strand in diesem Jahr ist.
In seinem Amt als Bürgermeister ist Bovenschulte derzeit auf großer Bremen-Tour unterwegs. Nach und nach macht er seine Antrittsbesuche in den Stadtteilen, zuletzt in Oberneuland und Borgfeld, als nächstes ist am 10. Oktober Hemelingen an der Reihe. Hallo sagen, Hände schütteln und auf Wunsch gerne auch mal ein Selfie – obwohl das bei Bovenschultes gut zwei Metern Körpergröße für viele eine Herausforderung darstellt. „Eine Bürgerschaftsabgeordnete hat mal ein Selfie mit mir gepostet, wo ich oben abgeschnitten war“, sagt Bovenschulte und lacht. Sein Bekanntheitsgrad in Bremen – nach nun rund 50 Tagen im Amt noch ausbaufähig, das beweist auch ein Einspielfilm, in dem Bärbel Schäfer Passanten um Urteile über die bisherigen Leistungen des neuen Bürgermeisters bittet. Ja, das Phänomen kenne er aus seiner Zeit in Weyhe, sagt der 54-Jährige. Zwölf Jahre war er insgesamt dort. „Nach sieben Jahren als erster Gemeinderat, also als stellvertretender Bürgermeister, habe ich Haustürwahlkampf gemacht“, erzählt Bovenschulte.
Nicht den Hauch eines Wiedererkennens
Dieser verlief aber anders, als der SPD-Politiker sich das gedacht hatte: „An jeder zweiten Tür guckten mich die Leute an und fragten: ,Sie wünschen?‘ Es gab nicht den Hauch eines Wiedererkennens.“ Obwohl er, das schaute er dann nach, exakt 186mal Gegenstand von Berichten der lokalen Zeitung gewesen war und „unzählige Versammlungen“ besucht hatte. Schaefer: „Haben die Leute Sie dann für einen Zeugen Jehovas gehalten?“ Womöglich war es so, aber am Ende seiner vierjährigen Amtszeit als Bürgermeister habe er es doch noch geschafft, sagte Bovenschulte. „Ich glaube, da kannten mich 80 Prozent der Menschen in Weyhe und nur 20 Prozent kannten mich nicht. Als Politiker müssen Sie über eine richtig lange Zeit mit den Themen vor Ort im Gespräch präsent sein.“
Vom Bürgermeister in Weyhe zum Bürgermeister von Bremen – auch über diesen für viele überraschenden Karrieresprung sprach Bovenschulte mit Schäfer. Ob man sich selbst für so ein Amt anbieten könne, fragte die Moderatorin. „Der beste Weg, einen Job nicht zu bekommen, ist, wenn man sagt, ich kann und möchte das machen“, antwortete Bovenschulte. Er habe aber während der Zeit, in der sein Freund und Parteigenosse Carsten Sieling seine persönlichen Konsequenzen aus der Wahlniederlage der SPD zog und beschloss, sein Amt zur Verfügung zu stellen, öfter mit diesem gesprochen. „Da habe ich mir selbst die Frage gestellt, was mache ich, wenn ich gefragt werde.“ Letztlich sei er zu dem Schluss gekommen: „Ich traue mir zu, die Verantwortung zu tragen. Auch wenn ich auch nicht mit den Fingern schnipsen und dadurch alle Probleme lösen kann.“
Wie seit Menschengedenken alle Bremer Regierungen stehen auch Bovenschulte und seine Senatskollegen von den Grünen und den Linken vor der Frage, wie sie angesichts des Schuldenbergs die Vorhaben ihres Koalitionsvertrags finanzieren können. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat nun angekündigt, dass der Bund hoch verschuldete Kommunen, für ihn „tickende Zeitbomben“, entlasten wolle, indem er die Hälfte ihrer Kredite übernähme. „Das höre ich sehr gerne“, sagte Bovenschulte, der einst zusammen mit Carsten Sieling und dem inzwischen emeritierten Wirtschaftsprofessor Rudolf Hickel einen Vorschlag zu Papier gebracht hatte, der in eine ähnliche Richtung zielte.
„Wir sind damals davon ausgegangen, dass der Bund alle Schulden übernimmt“, sagte er. Die Rechnung dabei: Würden alle Schulden der Bundesrepublik an einer Stelle zusammengefasst, ergäben sich für die Aufnahme dieses Riesenbatzens an Kredit bessere Konditionen am Kapitalmarkt, was Milliarden Euros sparen könne. Bovenschulte: „Dazu kommt dann, dass der ja finanzstarke Bund tatsächlich auch Schulden der Kommunen übernimmt. Für Bremen wäre das wunderbar.“ Auch eine Umverteilung des Solidaritätsbeitrags hält er für sinnvoll. „Ich finde, man sollte nach Bedarfen gucken, nicht nach Himmelsrichtungen.“