„Bovi“ soll es also richten. Andreas Bovenschulte, Kurzzeit-Fraktionschef der Sozialdemokraten, zieht fünfzig Meter weiter – von der Bürgerschaft ins Rathaus. So will es der SPD-Landesvorstand, das Votum des Landesparteitags am Sonnabend dürfte Formsache sein. Mit dem 53-jährigen Juristen bekäme Bremen zum zweiten Mal in Folge einen Bürgermeister, der bei einer vorangegangenen Bürgerschaftswahl nicht auf dem Zettel stand. Carsten Sieling kam 2015 nach Jens Böhrnsens Rücktritt auf ähnliche Weise ins Amt.
Vorgeworfen wird einem so etwas allerdings nur, wenn man seinen neuen Job nicht hinkriegt. Bovenschulte hat zumindest das Rüstzeug für das Spitzenamt im Senat. Ob er was draus macht, wird sich bald zeigen. Gestartet als Parteilinker, hat er prägende Jahre als Bürgermeister einer Umlandgemeinde hinter sich. Das bedeutet: unmittelbaren Bürgerkontakt, oft dröge Detailarbeit und das Arrangieren von Kompromissen. Bovenschulte hat sich diesen Mühen unterzogen und offenbar gute Arbeit abgeliefert. Das bescheinigten ihm sogar viele Weyher Christdemokraten.
Als Ministerpräsident eines Bundeslandes steht Bovenschulte künftig vor größeren Herausforderungen. Doch wenn er sich in ähnlicher Weise den Brot-und-Butter-Themen zuwendet, wenn er für eine prosperierende Wirtschaft, verlässliche öffentliche Dienstleistungen und ein sicheres Wohnumfeld sorgt – also für das, woran praktisch jeder interessiert ist – dann könnte er jene Landesvaterstatur entwickeln, die viele innerhalb und außerhalb der SPD an seinem Vorgänger Carsten Sieling vermisst haben.
Kann sich gegenüber Grünen und Linken behaupten
Bovenschulte ist außerdem eher als Sieling zuzutrauen, sich gegenüber den künftigen Bündnispartnern der SPD zu behaupten. Grüne und Linke können nach ihren Erfolgen bei der Bürgerschaftswahl vor Kraft kaum laufen, insbesondere die Grünen haben dem Koalitionsvertrag ihren Stempel aufgedrückt. Das Papier ist an vielen Stellen ziemlich ideologiegetränkt. Durch den ein oder anderen kalkulierten Verstoß, durch den Appell an praktische Vernunft könnte Bovenschulte sich nach und nach freischwimmen und Signale in Wählerschichten aussenden, die sich derzeit von der SPD nicht oder nicht mehr angesprochen fühlen.
Andreas Bovenschulte ist kein Messias. Viele in der Partei knüpfen wahrscheinlich zu hohe Erwartungen an ihn. Aber der Mann hat Potenzial. Und eins ist er gewiss: der einzige Hoffnungsträger der Bremer SPD.