Der Vorhang am Fenster ist zugezogen. Erika Diehl, die hier mit ihrem Mann im zweiten Stock wohnt, hat nach dem Aufstehen am Morgen noch einmal tüchtig durchgelüftet, Balkontür und Wohnungstür weit aufgerissen, alles auf Durchzug gestellt. „Anders kommen Sie bei solchen Temperaturen nicht durch den Tag“, sagt die Seniorin, die seit 17 Jahren im Aalto-Hochhaus in der Vahr lebt. Am Nachmittag sind es draußen an diesem Tag 30 Grad.
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Der Deutsche Wetterdienst spricht von „heißen Tagen“, wenn die Lufttemperatur bei 30 Grad und höher liegt. Heiße Tage wirken auf Menschen, Umwelt und Städte. Die Fassade des Aalto-Hochhauses, 21 Wohngeschosse über dem Erdgeschoss und 65 Meter hoch, hat sich in den vergangenen Stunden aufgeheizt. Die Balkone der Wohnungen liegen zur Westseite raus, das heißt, dass sie stundenlang von der Sonne beschienen werden. „Draußen sitzen können Sie an solchen Tagen nicht“, sagt Diehl, „und einen Sonnenschirm aufstellen können Sie auch nicht, weil Ihnen die Fallwinde den Schirm wegreißen würden.“ Abkühlung finden die Bewohner im Wohnungsinnern.
Vermutlich wird der Mensch immer in die Höhe bauen, besonders in Städten, wo Flächen knapp und Alternativen endlich sind. Aber Klimaforscher empfehlen Stadtplanern und Architekten dringend, dies künftig anders zu tun als bisher. Mit Häuserfassaden, die begrünt sind. Mit Dachflächen, auf denen etwas wächst. Und vielleicht schon bald mit Gebäudehüllen aus Textil. An der Universität Stuttgart wird seit einiger Zeit am sogenannten Hydroskin geforscht, einer wasserdurchlässigen Hülle, die Regentropfen bei Niederschlag speichert und an heißen Tagen zum Verdunsten freigibt. Fassaden, die sich bis zu 90 Grad aufheizen, könnten dank der zweiten Haut auf 17 Grad herunterkühlen, so die Hoffnung.

13 öffentliche Trinkwasserbrunnen gibt es im Stadtgebiet bisher. Nach dem Willen der Politik sollen 20 weitere in den nächsten Jahren dazukommen.
Von einer Hitzewelle spricht der Deutsche Wetterdienst, wenn die Temperatur an drei Tagen über 28 Grad liegt. Davon bleiben Bremen und umzu diesmal verschont, ab Freitag soll die Temperatur schon wieder ein paar Grad nach unten gehen. Das Thema Hitze in der Stadt ist trotzdem eine große Herausforderung für Planer, Entscheider und Bewohner. Die Bundesregierung hat eine Hitzeschutzstrategie präsentiert. Bremen arbeitet an einem Hitzeaktionsplan, der – mit Verzögerung – im Herbst erstellt sein soll. Ein Baustein darin neben vielen anderen: öffentliche Trinkwasserbrunnen.
13 Stück gibt es davon bisher, elf von der Stadt, zwei von Kirchengemeinden betrieben. 20 weitere sollen in den nächsten Jahren dazukommen. Einer der Spender steht am Elefanten hinterm Hauptbahnhof. Mo, Christabel und Bele haben sich im Schatten des Antikolonialdenkmals zu einer Mittagspause verabredet und es sich gemütlich gemacht. Auf einer Picknickdecke haben sie ein paar Leckereien ausgebreitet. Bele hat sich vorhin am Brunnen ihre Trinkwasserflasche aufgefüllt. „Super, dass es diese Spender gibt“, sagt Mo, die im Rahmen eines Freiwilligendienstes häufiger Gruppen hier entlangführt, „ich weise dann immer extra darauf hin, dass es an dieser Stelle die Möglichkeit gibt, sich zu erfrischen.“
Es ist kein Zufall, dass einige der Trinkwasserbrunnen an Orten wie dem Lucie-Flechtmann-Platz in der Neustadt oder am Ziegenmarkt vor dem Steintor stehen. Treffpunkte von Menschen, denen die Hitze zusetzt, weil sie ohne Wohnungen und Rückzugsräume sind, Junkies, Alkoholkranke. Für die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung ist Hitze deshalb auch eine soziale Frage. Bis 2050 werden Schätzungen zufolge zwei Drittel aller Menschen auf der Erde in Städten leben. In welchen Wohnungen werden sie dies tun? In Gebäuden, die sich leicht aufheizen? Und wie gehen ältere Menschen, noch dazu, wenn sie alleine leben, mit der Hitze um?
Eine Antwort gibt eine ältere Frau, die auf dem Parkplatz am Werder Karree ihr Auto abgestellt hat. Eigentlich, sagt sie, wolle sie an Tagen wie diesen gar nicht unterwegs sein. Schon gar nicht mit dem Auto. Aber diesmal gehe es nicht anders, ein Paket musste unbedingt zur Post, und einen Physio-Termin habe sie auch gehabt. Jetzt öffnet sie den Kofferraum und eine Welle heißer Luft schlägt ihr entgegen. „Leider habe ich keinen Schattenplatz zum Parken gefunden“, sagt sie.

Wenn die Sonne brennt, hier auf dem Parkplatz am Werder Karree in Habenhausen.
Tatsächlich brennt die Sonne ungehindert auf den Asphalt, der eine Fläche von der Größe mehrerer Fußballfelder bedeckt. Die Strahlen reflektieren im Lack der Autos, Motorhauben sind glühend heiß. Der ADAC hat herausgefunden, dass sich das Innere eines Autos bei Außentemperaturen von 29 Grad innerhalb von zehn Minuten auf 38 Grad, nach 20 Minuten auf 45 Grad und nach einer halben Stunde auf 50 Grad erhitzen kann. Unter dem Auto bilden sich Wärmepolster. Parkende Autos sorgen nach Studien mexikanischer Forscher dafür, dass sich in Häuserschluchten pro zehn Autos die Temperaturen um 1,6 Grad erhöhen können. Auch mit solchen Erkenntnissen müssen sich Stadtplaner auseinandersetzen.
Im Bremer Hitzeaktionsplan wird außerdem die Frage nach dem Hitzeschutz für Menschen aufgeworfen, die im Freien arbeiten. Gedacht ist dabei zum Beispiel an Bauarbeiter. Auf dem Weg zur Schlachte graben drei Männer in der Erde. „Gibt’s für Sie heute kein hitzefrei, meine Herren?“, fragt eine ältere Dame, die des Weges kommt. „Etwas Schatten haben wir hier ja“, antwortet einer der drei. Die Frau bleibt trotzdem dabei: „Also ich gebe Ihnen hiermit hitzefrei für heute.“