Philipp Postulka von der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) Bremen erinnert sich, als sei es gestern gewesen. Sein Dienst am Sodenmattsee in Huchting beginnt gerade: Er und seine Kollegen schließen das Wach-Häuschen auf, als sie im Wasser des Badesees ein kleines Mädchen erblicken. Ihre hysterischen Schreie ziehen die Aufmerksamkeit der Rettungsschwimmer auf die gefährliche Situation, in der sie sich befindet. "Die Kleine trieb direkt an der Abbruchkante, klammerte sich völlig panisch an einem Mast fest", erzählt Postulka. Sofort gehen er und seine Kollegen ins Wasser, befreien die Vierjährige aus ihrer Notlage. "Sie wäre sonst ertrunken."
Viele Menschen unterschätzen die Gefahren
Ereignisse wie diese aus der vergangenen Badesaison erleben die Ehrenamtlichen der DLRG immer wieder, wenn sie im Sommer die Bremer Seen beaufsichtigen. Die Retter stellen jedes Jahr aufs Neue fest, dass sich Badegäste leichtfertig in Gefahr begeben, dass sie Risiken unterschätzen und sich selbst überschätzen. "Schwimmen ist einfach ein Sport, viele sehen das aber mehr als lockere Beschäftigung an", sagt DLRG-Vorstandsmitglied Postulka. Gerade Nicht-Schwimmer gingen oftmals aus dem knietiefen Wasser zu weit auf den See hinaus. Dann komme plötzlich die Abbruchkante: "Man tritt ins Leere, den Körper zieht es sechs bis acht Meter in die Tiefe."
Ein weiterer Gefahrenfaktor ist die Wassertemperatur, denn sie kann innerhalb des Gewässers um bis zu 15 Grad schwanken. Wenn das Wasser an einer Stelle plötzlich kälter wird, sind Muskelkrämpfe vorherbestimmt. "Die Krämpfe erschöpfen den Körper, und bei den Betroffenen kommt Panik auf", sagt Postulka. In solchen Fällen greifen er und seine Kollegen ein, ziehen die Leute aus dem Wasser und leisten Hilfe. Im vergangenen Jahr waren die Bremer Retter über 200 mal im Einsatz. Für Lebensrettungen mussten sie zwölfmal ausrücken. Insgesamt gibt es in der Hansestadt acht Seen, die von der DLRG mit ihren 200 ehrenamtlichen Helfern bewacht werden.
Solche Lebensrettungen aus dem Wasser gehören für die DLRG zum Kerngeschäft, auch wenn sie vergleichsweise selten vorkommen. Viel häufiger verarzten die Ehrenamtlichen kleinere Wunden und leisten Aufklärungsarbeit am Strand. Dann machen sie regelmäßig ihre Runden, schauen nach dem Rechten und kommen mit den Menschen ins Gespräch. An den Verstand der Badegäste zu appellieren, ist dabei nicht immer so leicht. "Viele, gerade Erwachsene, sind extrem ignorant", sagt Postulka. Und das, obwohl in Bremen jährlich Menschen an Badeseen ertrinken: So kam im vergangenen Jahr für zwei Personen die Hilfe der Rettungsschwimmer zu spät. "Das ist für uns nur schwer zu ertragen", betont er.
Vorbeugen ist möglich
Die Opfer sind sowohl Kinder und junge Erwachsene als auch Menschen mittleren Alters und Rentner. Postulka zufolge lässt sich diesbezüglich "kein konkretes Schema erkennen". Den Gefahren lasse sich aber vorbeugen. "Wer sich an die Baderegeln hält, bringt sich auch nicht in Gefahr", rät er. Außerdem sollten sich Eltern im Wasser immer in Armlänge zu ihren Kindern befinden, denn wenn diese untergingen, sei es meistens schon zu spät. Für das Baden bei brütender Hitze empfiehlt Daniel Keip vom Brandenburger DLRG-Landesverband eine alte Regel: "Vor dem Baden abkühlen, an die Wassertemperatur gewöhnen, sich selbst nicht überfordern." Aufgeheizt durch das Sonnenbaden ins kalte Wasser zu rennen, belaste den Kreislauf, warnt Keip. Bei Krämpfen im Wasser rät Stiftung Warentest in einer Anleitung zum sicheren Baden dazu, Ruhe zu bewahren und den Muskel aus der Rückenlage vorsichtig zu dehnen.
Immer weniger Kinder können sicher schwimmen
Philipp Postulka selbst wird niemals müde, über die Gefahren an Badeseen aufzuklären. Denn gerade die Pandemie hat dafür gesorgt, dass immer weniger Kinder und Jugendliche schwimmen können. Schwimmkurse mussten ausfallen, Bäder schließen. "Nach aktuellen Zahlen hat nur jedes zweite Kind und jeder zweite Jugendliche die Fähigkeiten für einen Freischwimmer", sagt der Mann von der DLRG. Als sichere Schwimmer gelten sie dabei erst mit einem Bronze-Abzeichen, heißt es sowohl von der DLRG als auch seitens der Senatorin für Kinder und Bildung.
Auf die diesjährige Badesaison, die bereits seit dem 15. Mai läuft, freut sich Philipp Postulka trotzdem. Er liebe sein Ehrenamt, wolle seine Rolle als Rettungsschwimmer aufopferungsvoll ausfüllen, lebe dafür – genau wie seine Mitstreiter. "Wir machen das nicht für uns, sondern für die Allgemeinheit", sagt er. Wie er mit fordernden Momenten wie der Rettung eines Kleinkindes umgeht? "Tatsächlich gewöhnt man sich mit der Zeit an solche brenzligen Situationen." Dennoch gehe ihm seine Arbeit ab und zu nahe – vor allem wenn Menschen sterben, wenn die Retter zu spät kommen. Auch in diesem Sommer wird die Bremer DLRG alles daran setzen, dass das nicht passiert. Ihr Einsatz am Badesee beginnt, wenn andere an Bremens kleinen Stränden Sonne und Abkühlung genießen.