Rund 500 Menschen kommen in Deutschland jedes Jahr bei Badeunfällen ums Leben. In Bremen sind es in der Regel zwei bis drei, meldet der Landesverband der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG). 2021 gab es zudem zehn erfolgreiche Lebensrettungen – also Fälle, in denen es wirklich knapp war. Und die DLRG hat noch eine alarmierende Zahl: "Nur jeder zweite Jugendliche kann sicher schwimmen", betont ihr Bremer Sprecher und Vorstandsmitglied Philipp Postulka.
Zumindest in Bremen dürfte das eigentlich nicht so sein, denn hier findet für alle Schülerinnen und Schüler der 3. Klassen ein verpflichtender Schwimmunterricht statt. Nach den Einschränkungen wegen der Corona-Pandemie hat man einiges unternommen, um die Rückstände aufzuholen. Doch jetzt seien die Kurse wieder regelmäßig ausgebucht, sagt Postulka. Im größten der drei DLRG-Bezirke, Bremen-Stadt, führe man aktuell gar keine Warteliste mehr, denn die würde über ein Jahr hinausreichen – da sprängen dann doch viele wieder ab.
Kostenlose Kurse für Bedürftige
Die DLRG ist stolz auf ihren hohen Betreuungsschlüssel und die niedrigen Kosten: "Da kommen mehr als zwei Betreuer auf zwölf Kursteilnehmer, und die Gebühren orientieren sich an den Bahnmieten – wir machen also keinen Gewinn", versichert Postulka. Das gilt auch für das Projekt "Kids in die Bäder": "Die Bremer Bäder GmbH und die Bremer Sportjugend bieten dank der Unterstützung zahlreicher Unternehmen und Privatpersonen jährlich seit Sommer 2018 im Rahmen des Projektes Hunderte kostenlose Schwimmkurse für Kinder aus sozial benachteiligten Familien an", erläutert Ressortsprecher Wolf Krämer.
Grundsätzlich gebe es 150 Plätze jährlich, wegen der Pandemie konnten 2021 aber nur 59 Kinder eingebucht werden. Deshalb wird das Programm im laufenden Jahr ausgeweitet; das Bewilligungsverfahren organisiert die Bremer Sportjugend. "Ausdrücklich stehen über das Programm auch kostenfreie Schwimmkurse für geflüchtete Kinder zur Verfügung", betont Krämer.
An sämtlichen Kursen der landeseigenen Bremer Bädergesellschaft nahmen im vorigen Jahr laut Kämer 4515 Menschen teil, damit habe die Auslastung durchschnittlich bei 84 Prozent gelegen. 1584 Kinder hätten ein Schwimmabzeichen erlangt. Nach einer Meldung von Radio Bremen ist die Zahl der jährlichen Schwimmkurse jedoch von rund 800 vor der Pandemie auf 465 beziehungsweise 563 in den Jahren 2020 und 2021 gesunken. Die Nichtschwimmer-Quote unter sämtlichen Grundschülern sei innerhalb von fünf Jahren von 22 auf 38 Prozent gestiegen.
Sicher erst mit Bronze
Wie viele der rund 4300 Drittklässler in der Stadtgemeinde Bremen bereits schwimmen können, wissen jedoch weder die Bildungsbehörde noch die DLRG. "Solche Statistiken erheben wir nicht", sagt Maike Wiedwald, Sprecherin von Schulsenatorin Sascha Aulepp (SPD). Sicher ist, dass alle Drittklässler ein Jahr lang zwei Stunden pro Woche ins mehr oder weniger kühle Nass müssen. Wobei die "reine Wasserzeit" dann meistens doch nur die Hälfte beträgt. Im kommenden Schuljahr will man zumindest auf 45 Minuten pro Stunde kommen. "Zusätzlich gibt es noch Ferienschwimmkurse, um allen Kindern in Bremen die Möglichkeit zu geben, Schwimmen zu lernen", betont Wiedwald.
Diese Möglichkeit war durch Corona stark eingeschränkt, Kurse und auch das Schulschwimmen mussten für das Schuljahr 2019/2020 abgebrochen werden. Deshalb startete das Sozialressort schon 2020 gemeinsam mit den Bremer Bädern, der DLRG und dem Landesschwimmverband die Aktion "1000 Abzeichen", um Kinder in kleinen Gruppen das Schwimmen zu lehren.
"Das geschah relativ spontan und richtete sich an Kinder, die bereits angefangen hatten, ein Schwimmabzeichen zu erwerben", erläutert Postulka – also das "Seepferdchen" für Anfänger oder die Ausführung in Bronze. Letztere gilt bei der DLRG als Nachweis, dass man einigermaßen sicher schwimmen kann: mindestens 200 Meter am Stück in 15 Minuten. Kurz tauchen und ein Sprung vom Startblock gehören auch dazu.
Ausbildung im Sodenmattsee
Zwar habe man am Ende keine 1000 Abzeichen verteilen können, aber 765 Bremer Kinder wurden 2020 doch erreicht, bilanziert der DLRG-Sprecher. Und von denen hätten immerhin drei Viertel ihr Abzeichen bekommen. Für das Folgejahr 2021 meldet das Sozialressort, dass noch 484 Kinder teilgenommen haben und 344 Abzeichen abgenommen wurden. Da wurde das Projekt bereits "dezentral fortgeführt", berichtet Postulka. Weil die maximal zulässige Besucherzahl in den Bremer Bädern für einen Kursbetrieb viel zu gering war, wich die DLRG für die Schwimmausbildung in den Sodenmattsee in Huchting aus.
Die auch für den Sport zuständige Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) lobt die Beteiligten: "Im letzten Jahr haben die Bremer Bäder, die Schwimmvereine und die DLRG große Anstrengungen unternommen, damit Corona nicht zu einer Generation von Nichtschwimmern führt." Projekte wie "1000 Abzeichen" und "Kids in die Bäder" wolle sie deshalb fortsetzen und ausweiten. "Schwimmen zu können ist auch eine Frage von Teilhaben", betont Stahmann, "denn Schwimmbäder und Badeseen sind Orte der Begegnung.“
Manche bleiben ihnen aber trotz des verpflichtenden Schwimmunterrichts fern – auch ohne ärztliches Attest. Die Richtlinie über den Schwimmunterricht aus dem Jahr 2014 betont zwar einerseits, "der Hinweis auf die Zugehörigkeit zu einer religiösen oder weltanschaulichen Gruppe allein ist kein Grund zur Freistellung vom Schwimmunterricht". Andererseits verpflichtet sie doch die Schulleitung zur Prüfung und Entscheidung, wenn ein Befreiungsantrag aus genau solchen Gründen gestellt wird. Es sei dann ihre "pädagogische Aufgabe", bei den betreffenden Schülern und Eltern Vorbehalte abzubauen und gegebenenfalls auch "für unseren Kulturkreis ungewöhnliche Schwimmkleidung" – Stichwort Burkini – mit Toleranz hinzunehmen.
20.000 Helferstunden
Bildungssenatorin Aulepp macht deutlich, dass sie einen möglichst lückenlosen Schwimmunterricht für unverzichtbar hält: „Damit das Vergnügen nicht zur Lebensgefahr wird, ist sicher schwimmen können wichtig. Es ist gut, dass Schwimmunterricht zur Schule dazugehört, auch mit zusätzlichen Ferienschwimmkursen", betont die SPD-Politikerin. Dies habe man durch das Corona-Aufholprogramm noch einmal verstärkt: "Weil Schwimmen Spaß macht, die Entwicklung fördert und gut ist für die Gesundheit.“
Im laufenden Jahr beteiligt sich die DLRG nicht mehr am "1000 Abzeichen"-Projekt. Man konzentriere sich jetzt voll auf den Rettungsdienst an den Badeseen, sagt Postulka, und die Schwimmausbildung finde "wie vor Corona" statt. Da wurden an den Badeseen von DLRG-Mitgliedern mehr als 20.000 Helferstunden geleistet. Feste Schicht- und Einsatzzeiten könne man an den Stationen wegen der ehrenamtlichen Tätigkeit trotzdem nicht einrichten, sagt Postulka: "Bei schönem Wetter wird es an Werktagen außerhalb der Ferienzeit schon mal eng."