Vermutlich ist Deutschland das einzige Land der Welt, in dem das Thema "Informationstechnische Systeme der staatlichen Verwaltung" in der Verfassung geregelt ist. Seit 2009 steht im Artikel 91c unter anderem, dass Bund und Länder die "notwendigen Standards und Sicherheitsanforderungen" festlegen, mit denen Computersysteme in der Verwaltung arbeiten sollen. Dabei geht es in erster Linie um die Software, mit denen Meldeämter, Baubehörden oder die Gewerbeaufsicht ihre Daten verwalten.
Das Problem des Staates ist hier der bislang vielfach herrschende Wildwuchs. Beispiel Meldewesen: Das war über Jahrzehnte Sache der Bundesländer. Praktisch an- und abmelden musste Otto-Normalbürger sich im Einwohnermeldeamt seines Wohnortes, was wiederum die Kommune organisiert hat.
Das Ergebnis war viele unterschiedliche IT-Anwendungen, denn jedes Land und städtische Meldeamt hat mehr oder weniger seine eigenen Vorstellungen umgesetzt. Daten auszutauschen oder abzugleichen, war unmöglich bis schwierig – oder zumindest jeweils mit einem eigenen, umfangreichen Projekt verbunden.
Der Artikel 91c bescherte Deutschland als Lösung den sogenannten IT-Planungsrat. Dadurch wurden zwar keine Zuständigkeiten geändert, aber Bund und Länder zur Zusammenarbeit verpflichtet. Der IT-Planungsrat entwickelt seitdem gemeinsame Datenstandards. Eine wichtige Rolle spielt dabei "KoSIT", die in der Bremer Finanzverwaltung angedockte zentrale Koordinierungsstelle für IT-Standards.
Im Auftrag des IT-Planungsrates wurde hier zum Beispiel "xMeld" entwickelt. Unabhängig von der jeweils benutzten Software schreibt diese Spezifikation vor, wie Meldedaten zu strukturieren sind, also ganz praktisch zum Beispiel, in welcher Reihenfolge die Angaben zu einer Person aufzulisten sind. Schließlich hat die Bundesregierung die Nutzung von "xMeld" zentral per Gesetz verordnet. Seitdem funktioniert der Datenabgleich.
An Stelle der Bürger laufen zumindest im Meldewesen die Daten zwischen den Behörden hin und her. Bei einem Umzug innerhalb Deutschlands muss sich zum Beispiel niemand mehr an seinem alten Wohnort abmelden, sondern nur noch am neuen anmelden. Die Abmeldung geschieht automatisch per Datenabgleich zwischen den Ämtern.
Der Entwicklungsprozess von "xMeld" dient seitdem als Blaupause für weitere Spezifikationen, die für bundesweit einheitliche Datenstrukturen sorgen: "xBau" für alles, was mit Bau- und Planungsdaten zu tun hat, "xJustiz" für die Gerichte, "xSozial" für das Sozialwesen. Allerdings ist es eine Sache, solche Spezifikation zu entwickeln, aber etwas völlig Anderes, sie flächendeckend in den Behördenalltag einzuführen.
Denn auch wenn der Datenabgleich und Austausch zwischen vielen Behörden dadurch technisch möglich wird, ist er damit noch nicht automatisch rechtlich vorgeschrieben – oder wenigstens juristisch erlaubt. Dafür müssen fast immer Bundesgesetze geändert werden. Denn ob Ausweise, Kindergeld oder die Kfz-Anmeldung: Die Anlaufstelle vor Ort ist zwar eine städtische Behörde, aber die rechtlichen Vorgaben kommen aus Berlin.