Wie kann Bremen den zur Bewältigung der Folgen der Corona-Pandemie beschlossenen Bremen-Fonds auch für mittel- und langfristige Investitionen nutzen? Mit dieser Frage hat sich der Senat in seiner Sitzung am Dienstag beschäftigt und vier ressortübergreifende Landesaktionsprogramme beschlossen. In ihnen sollen vorerst 200 Millionen Euro des insgesamt 1,2 Milliarden Euro umfassenden Bremen-Fonds für Maßnahmen bestimmt werden, die den angestrebten „gesellschaftlichen Neustart nach der Krise“ anschieben sollen.
Genaue Begründungen nötig
Grundlage der Diskussion waren die beiden Gutachten zu rechtlichen und ökonomischen Fragen des Notlage-Geldtopfs, die der Senat Mitte Juni in Auftrag gegeben hatte. Darin hatten die Experten, der Rechtswissenschaftler Stefan Korioth und der Ökonom Jens Südekum, jeweils zu bedenken gegeben, dass Investitionen in zukünftig wichtige Bereiche nicht grundsätzlich aus dem Bremen-Fonds – und damit über Kredite – finanziert werden können. Es müsse jeweils begründet werden, und das sehr genau, warum und in welcher Form die geplanten Ausgaben in Zusammenhang mit den Folgen der Pandemie stehen und ob sie dazu beitragen können, das Land künftig besser vor derartigen Ereignissen schützen zu können.
Das wirtschaftswissenschaftliche Gutachten empfiehlt auf der Basis eines Kriterienkatalogs für „erfolgreiche Regionen“, inhaltliche Schwerpunkte zu setzen. Was wirtschaftlich starke Regionen ausmacht, sind nach Ansicht der Fachleute ein starker Industrie-Dienstleistungsverbund, leistungsfähige Wissenschaft und Technologie sowie gute Qualifikation und Bildung. Daraus leiten sich unter den Stichpunkten digitale, ökologische und wirtschaftsstrukturelle Transformation sowie Geschlechtergerechtigkeit vier Handlungsfelder für mögliche Maßnahmen ab plus gesundheitliche Aspekte als Querschnittsthema.
Der Senat will dieser Empfehlung folgen. „Die einzelnen Ressorts sind jetzt aufgerufen, Projekte anzumelden“, sagte Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD). Was dann folge, sei „eine minutiöse Bewertung“, ob die Maßnahmen aufgrund von Corona notwendig wurden. Ein weiterer Prüfungsaspekt sind langjährige Folgekosten: Sie müssten aus anderen Quellen als dem Bremen-Fonds finanziert werden. Finanzsenator Dietmar Strehl (Grüne) geht davon aus, dass es dauern wird, bis die 200 Millionen vergeben sind. „Ich würde mich freuen, wenn wir bis Weihnachten die ersten Vorschläge auf dem Tisch haben“, sagte er.
Die Opposition betont, die Gelder des Bremen-Fonds seien jene der Steuerzahler, entsprechend müsse mit ihnen umgegangen werden. „Sie sind eine enorme Hypothek für die nachfolgende Generation. Wahlgeschenke oder rot-rot-grüne Prestigeprojekte dürfen damit nicht finanziert werden“, sagte Thore Schäck, Haushaltsexperte der FDP-Bürgerschaftsfraktion. Auch Thomas Röwekamp, Chef der CDU-Fraktion, hatte gemahnt, „Träumereien vom großen Geldausgeben für altbekannte Lieblingsthemen“ seien keine Krisenbewältigung.
Bürgerschaft entscheidet über Notlage
Die Pandemie wird sich voraussichtlich noch mindestens ein Jahr direkt auf den Haushalt auswirken: Auch 2021 soll Bremen die coronabedingte Notlage erklären, was die Aufnahme neuer Schulden – und die Fortsetzung des Bremen-Fonds – ermöglichen würde. Die Bürgerschaft entscheidet darüber in ihrer November-Sitzung. „Gegen die Krise anzusparen würde am Ende viel mehr kosten, als wir jetzt für den Bremen-Fonds ausgeben wollen“, sagte Finanzsenator Strehl. Über das Instrument der Schuldenbremse wird derzeit nicht nur in Bremen diskutiert. Wie lange sie ausgesetzt werden kann, ist eine der Fragen, zu denen das Finanzressort am Donnerstag, 22. Oktober, eine Online-Konferenz mit Rechtsexperte Korioth veranstaltet. Erwartet werden rund 100 Teilnehmer aus Politik und Wissenschaft.