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Bremer Gewoba-Wohnungen Tausende Baustellen: Modernisierungen machen Mieterinnen mürbe

Die Bremer Gewoba modernisiert die Elektrik in ein paar Tausend Wohnungen - unter den Mietern gibt es Unmut. Weil Wohnungen baulich verändert wurden. Und weil kein Ende der Bauarbeiten in Sicht ist.
28.01.2025, 06:22 Uhr
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Von Andreas Ellinger

Carolin Hellwig lebt seit Jahren in einer Wohnung in der Bremer Vahr. Seit die Gewoba die Elektrik im Haus und teilweise in ihrer Wohnung erneuert hat, gefallen ihr jedoch ihre sprichwörtlichen "Vier Wände" nicht mehr so gut. Denn an drei Wänden des Hausflurs verläuft jetzt ein rund zehn Zentimeter breiter Kabelkanal auf Putz. Das sei das Ergebnis einer rund siebenstündigen Baumaßnahme im November, sagt sie.

Zudem hängt neuerdings ein ungefähr 30 auf 60 Zentimeter großer Sicherungskasten an der Wand, wo vorher ein Bild das Entree der Wohnung verschönert habe. "Sch..." sei das, sagt die Mieterin. "Ich finde das nicht ästhetisch." Der alte Sicherungskasten war – kaum halb so groß – in die Wand eingelassen. Zurück blieb ein Loch in der Mauer, das nach rund zwei Monaten immer noch nicht von Handwerkern geschlossen worden sei, beklagt Carolin Hellwig.

Tausende GEWOBA-Mieter mit Modernisierungen konfrontiert

Über die Weihnachts- und Neujahrsfeiertage herrschte also Baustellen-Atmosphäre in der Mietwohnung. Man wolle in so einer Situation gar keine Gäste einladen, erzählt Hellwig. Sie ist enttäuscht, dass Maurer und Maler nicht hergehen, um die Arbeiten – mit dem für sie optisch unerfreulichen Ergebnis – wenigstens zu vollenden.

Wie viele Mieter sind von solchen Modernisierungen betroffen? "Es handelt sich um eine systematische Erneuerung im gesamten Wohnungsbestand der Gewoba", informiert das Unternehmen in einer Presseauskunft. Betroffen seien Objekte mit 1950er- bis 1970er-Baujahren, "insgesamt rund 30.000 Wohnungen". Seit dem Jahr 2021 saniere die Gewoba flächendeckend ihre elektrischen Anlagen – durchschnittlich seien das zwischen 2000 und 3000 Mieteinheiten pro Jahr.

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Einblick in eine weitere Mietwohnung der Gewoba

Carolin Hellwig ist kein Einzelfall. Beim Ortstermin ist eine weitere Mieterin anwesend. Sie möchte nicht namentlich erwähnt werden – sie erklärte sich aber bereit, kurz ihren Wohnungsflur zu zeigen. Dort sah es ähnlich aus: Ein Loch an der Stelle des alten Sicherungskastens in der Wand, ein zehn Zentimeter breiter Kabelkanal auf Putz und ein neuer, größerer Sicherungskasten an der Wand – allerdings an einer anderen Stelle des Flurs.

Auch im Treppenhaus wurden neue Kabelstränge verlegt, laut den Mieterinnen ebenfalls im November. Mitte Januar war eine Wand immer noch geschossübergreifend aufgeschlitzt. Auch in Nachbargebäuden gebe es Unmut, berichten Hellwig und die andere Mieterin. In der ganzen Siedlung werde modernisiert.

Arbeiten sollen in zwei Tagen erledigt sein – "in der Regel"

Rückblende: Im Januar 2024 hatte die Gewoba die Mieter angeschrieben und über die Modernisierung informiert. In einem Schreiben hieß es: "Die Arbeiten in Ihrer Wohnung bestehen aus Elektro, Maurer- und Malerarbeiten und nehmen je Gewerk circa ein bis zwei Tage in Anspruch."

Auch ein Jahr später noch teilt die Gewoba auf Anfrage mit: "Die Arbeiten in der Wohnung sind in der Regel innerhalb von zwei Arbeitstagen erledigt." Aber: "Für die Arbeiten in Keller und Treppenhaus kalkulieren wir in der Regel einen Zeitraum von vier bis sechs Wochen." Die Modernisierungsarbeiten in der Carl-Goerdeler-Straße beträfen mehrere Gebäude: "Wir gehen davon aus, dass alle Arbeiten im Frühjahr abgeschlossen sein werden."

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Aus diesem Grund können die Bauarbeiten länger andauern

Auf den Zeitraum angesprochen, in dem Wandlöcher in den Wohnungen Baustellen-Flair verbreiten, ergänzt die Gewoba: "Durch bauliche und terminliche Gegebenheiten kann sich insgesamt die Fertigstellung verzögern, beispielsweise wenn nicht alle Kunden (in einem Eingang) den Zutritt zu ihren Wohnungen termingerecht zur Verfügung stellen. Nur wenn alle Wohnungen auf die neue Zähleranlage aufgelegt sind und auch die neue Wohnungsverteilung angeschlossen ist, können die Maler- und Putzarbeiten fertiggestellt werden."

Sind also die Mieter selbst schuld? Bereits Anfang November bat das Unternehmen "um etwas Geduld für die Maurer- und Malerarbeiten". Begründung: "Wir befinden uns in der Grippe- und Coronazeit mit vielen krankheitsbedingten Ausfällen. Zudem ist die Personallage im gesamten Baubereich angespannt."

Nachfrage bei der Gewoba ergibt überraschende Erkenntnisse

Die Verzögerungen im Wohnhaus von Mieterin Hellwig erklärt die Gewoba mit den "Elektromodernisierungsarbeiten in der Carl-Goerdeler-Straße beziehungsweise der Vahr", die mehrere Gebäudekomplexe betreffe, die zwischen 1956 und 1958 entstanden seien: "Die baulichen Rahmenbedingungen, die wir hier vorfinden, sind leider sehr unterschiedlich und individuell. Jedes Gebäude bis hin zur einzelnen Wohnung muss für sich betrachtet werden und birgt immer wieder die eine oder andere Überraschung."

Aus "(Kosten-)Effizienzgründen", heißt es in der schriftlichen Auskunft, würden "die Arbeiten, soweit es geht, gebündelt". Demnach resultieren die Verzögerungen – anders, als zunächst beispielhaft mitgeteilt – nicht aus dem Umstand, dass Handwerker nicht termingerecht in Wohnungen hinein konnten. "Ergeben sich im geplanten Ablauf innerhalb eines einzelnen Gebäudes oder auch in der zeitlichen Kausalkette zwischen zwei beziehungsweise mehreren Gebäuden Verzögerungen, hat dies unweigerlich Auswirkungen auf die weiteren Arbeiten", erläutert die Gewoba. "Dennoch werden die Modernisierungsarbeiten an allen Gebäudekomplexen in der Carl-Goerdeler-Straße im Frühjahr abgeschlossen sein." Demnach kann es Carolin Hellwig passieren, dass sie noch Wochen oder Monate auf Maurer und Maler warten muss.

Deshalb wurden die Leitungen nicht unter Putz verlegt

Grundsätzlicher ist die Frage, warum die neuen Leitungen auf Putz verlegt wurden und der neue Sicherungskasten nicht wieder in die Wand eingelassen wurde. "Die neuen Sicherungskästen inklusive der Zuleitungen können nicht mit den alten Standards verglichen werden", schreibt die Gewoba. "In jedem Fall muss der alte Wandausschnitt vergrößert und die Wand für die neuen vierreihigen Verteilungen sowie neuen Zuleitungen weiter aufgeschlitzt werden – mit direkten Auswirkungen auf Statik und Brandschutz."

Die Wohnungsflurwände seien in der Vahr "in der Regel dünner" als die Wände im Hausflur, in denen einst beim Bau eigens eine Nische ("Steigschacht") für die Verlegung von Kabeln gelassen worden sei, so die Gewoba. "In der Regel sind die Wohnungswände aufgrund der Konstruktion nicht zwingend dafür ausgelegt, eine neue Zuleitung in 16 oder 25 Quadratmillimetern ,unter Putz' aufzunehmen, da sie dadurch massiv geschwächt würden."

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Das ist die rechtliche Voraussetzung für eine Mietminderung

Aufgrund des Monate währenden Baustellen-Flairs in Wohnung und Haus und aufgrund der baulichen Veränderungen im Hausflur stellt sich für die Mieter und Mieterinnen die Frage, ob sie in der Konsequenz ihre Miete mindern können. Da wird es auf Einzelfallprüfungen ankommen, ist von Mietrechtlern zu erfahren.

Abseits des konkreten Vorgangs gibt der Mieterverein Bremen einen allgemeinen Hinweis: "Ist durch die Bauarbeiten die Nutzung der Wohnung zum vertragsgemäßen Gebrauch erheblich beeinträchtigt, ist für die Dauer der Arbeiten eine Mietminderung möglich." Demnach müsste juristisch bewertet werden, ob durch die offenen Wände oder die neuen Installationen auf Putz der "vertragsgemäße Gebrauch" der Wohnungen "erheblich beeinträchtigt" ist.

Gewoba plant aufgrund der Modernisierung eine Mieterhöhung

Fragen nach möglichen Mietminderungen beantwortet die Gewoba wie folgt: "Mietminderungsansprüche prüfen wir individuell und klären diese mit der jeweiligen Mietpartei."

Auf die Frage, ob die Gewoba aufgrund der Elektrik-Modernisierung eine Mieterhöhung plant, antwortet das Unternehmen wie folgt: "Über die Modernisierungsmaßnahme schaffen wir einen zeitgemäßen Standard für die Elektroanlage. Die Gesamteffizienz der Elektroanlage wird aufgrund einer Verstärkung der Elektroleitungen, der Anpassung der Zähleranlage und der Anpassung des Hausanschlusses erhöht. Dies führt in der Carl-Goerdeler-Straße zu einer durchschnittlichen Mietänderung in Höhe von 0,30 Euro je Quadratmeter Wohnfläche und Monat."

Mehr Effizienz? Carolin Hellwig und ihre Hausmitbewohnerin haben den Eindruck, dass das Licht im Treppenhaus seit der Modernisierung länger brennt. Es gehe – vermutlich aufgrund eines Sensors – bereits an, wenn sie in ihren Wohnungen in die Nähe der Eingangstür kämen. Sogar tagsüber. Die Mieterinnen haben die Sorge, dass dadurch höhere Stromkosten entstehen könnten.

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